Auf die harte Tour: Roman Rindberger und die Trompete

Mit Roman Rindberger porträtiert der TrumpetScout den ersten Klassiktrompeter. Dieser avancierte seit seinem Einstieg bei Mnozil Brass zu den meistgehörten und meistgesehenen Trompetern der Welt. Der Weg in die großen Säle war für ihn jedoch holprig und führte zunächst sogar in einen Abgrund.

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Blech-Beau – wie er hier steht, könnte der großgewachsene 40something Roman Rindberger auch Karriere in einem anderen Business gemacht haben.

Wer nach dem Mann mit den Initialen RR im Internet zu forschen beginnt, dem wird sofort das Suchbegriff-Cluster „Roman Rindberger Alter“ vorgeschlagen. Antworten liefert die Suchmaschine aber nicht. Der TrumpetSout schließt hiermit gleich zu Anfang eine Google-Lücke: Im Jahre 1973 betrat der heute lange Dünne die Lebensbühne. Obwohl er damit altersmäßig im Mnozil-Mittelfeld liegt, verkörpern die Kollegen im Show-Programm gerne die weniger charmanten Rollen zwischen Raubein und Rindvieh, während Rindberger stets der Mann fürs Leichtfüßige und Latin-Lovereske ist. Er hat etwas Jugendliches an sich und nichts an ihm gibt Zeugnis davon, dass er nicht schon immer auf der Sonnenseite der Trompetenstraße gewandelt ist.

Der Vater studierter Trompeter: Wer darf ihm folgen?

Aufgewachsen im oberösterreichischen Zell am Moos bei Mondsee (jeder Österreichbesucher, der über Salzburg nach Wien reist, fährt daran und am gleichnamigen See vorbei) beginnt Rindberger mit sechs Jahren zu spielen, nachdem sich er und der ältere Bruder um die alte Trompete des Vaters zanken. Der Knirps übt heimlich, spielt dem sich in einem späten Musikstudium (quasi auf dem zweiten Bildungsweg) befindenden Papa vor und darf daraufhin auf dessen Spuren wandeln, während der Bruder auf das tiefe Blech umsteigt. Geübt hat er sehr ungern, begleitet aber seinen Vater und zugleich Lehrer und Kapellmeister zu Blasmusik und Volksmusikauftritten. Die Faszination ist groß. Gemeinsam mit dem Vater begleitet er als Musikant Hochzeiten und muss dazu Volkslieder auswendig lernen. Mit der Zeit wird Rindberger stärker, bleibt aber bis zur Aufnahme des Studiums mit 17 Jahren (neben der Schule) im Mozarteum Salzburg Schüler seines Vaters. Die Qualität des Unterrichts schätzt der Sohn – sogar während der Pubertät! – als hoch ein.

Rindberger und ein neuer Ansatz: das Ende vom Lied

Als nach zwei Jahren Studium eine Stagnation erreicht war, bat er seinen Professor um einen neuen Impuls. Beide, Lehrer und Student, sahen damals den Grund für die Begrenztheit im Ansatz des Nachwuchstrompeters: Roman Rindberger spielte von Natur aus nicht gerade nach vorn, sondern seitlich. Was heute als Eigenheit akzeptiert werden würde, galt damals und dort als Makel. Man war sich also einig, dass der Ansatz umgestellt werden müsse.

Die erhoffte Verbesserung – nach einer erwarteten temporären Erstverschlechterung – ließ auf sich warten. Rindberger hatte zu der Zeit eine Vertretungstelle als Trompetenlehrer im Salzburger Musikschulwerk, die ihm neben einem Stipendium das Leben gut finanzierte. Sein trompeterischer Zustand war jedoch so schlecht, dass er seinen Schülern überhaupt nicht mehr vorspielen konnte. Trotz des Angebots einer Verlängerung trat er die Position ab, weil er sich eingestehen musste, dass er noch keine Ahnung vom Unterrichten hatte.

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Roman Rindberger und eines der beiden Rindbergerchen während des Erzählens über das eigene Trompeterleben.

Der junge Student fragte über Monate jeden, den er traf, um Rat, und zermarterte sich den Kopf. Schließlich sah er sich mitten in einer Lebenskrise als Trompeter, der nicht mehr spielen konnte. Mit aller Härte schlug ihm diese Tatsache während der Beratschlagung mit einem Kollegen im Mozarteum ins Gesicht. Rindberger vertraute sich ihm an, sagte, er könne nicht mehr spielen und brauche dringend Hilfe. Dessen Rat: „Geh zu Malte Burba.“

Malte Burba: der Retter in der Not

Burba versprach, ihn zu betreuen. Bis zur Aufnahmeprüfung war noch ein halbes Jahr Zeit, in dem Rindberger jede Woche für eine Unterrichtsstunde (!) von Salzburg nach Mainz pendelte. Da er die Anweisungen seines neuen Mentors willig, jedoch nicht zu 100% befolgte, schickte Burba ihn bei den ersten Besuchen nach jeweils fünf Minuten wieder nach Hause. Von da an wurde alles ganz genau so gemacht, wie der Meister es wollte. Erste Anweisung: „Du spielst wieder wie vor der Ansatzumstellung.“

Nächster Tiefschlag: Wieder von vorn

Nachdem es dank des ursprünglichen Ansatzes und der Hilfe Burbas mit der Aufnahme am Konservatorium in Mainz geklappt hatte, wurde ihm gleich die nächste  Mammut-Aufgabe gestellt: Sein Lehrer verlangte eine erneute 180 Grad-Wende von ihm, indem er ihm offenbarte, dass „wir jetzt den Ansatz umstellen, aber richtig“. Zwar war Roman Rindberger da erst 19 Jahre alt, hatte aber bereits eine Durststrecke zurückgelegt, die andere den Traum des Berufstrompeters schon lange hätten begraben lassen. Der Österreicher wollte aber nicht klein beigeben und zog nach Mainz, wo er ganze drei Jahre den Lehrplan Burbas befolgte.

Langsame Erholung, die Rückkehr nach Österreich und Hans Gansch

Die drei Jahre bei Malte Burba brauchte Rindberger ohne Zweifel, das Erlernen des neuen Ansatzes ging nur schleppend voran. Doch irgendwann fühlte er sich bei alter spielerischer Stärke angekommen, jedoch mit dem Unterschied, dass alles verlässlicher funktionierte. War er bis zu seiner Krise heftigen Formschwankungen ausgesetzt, die sich durch sein Üben eher noch vergrößerten, gab es nun viel mehr Stabilität.

Wie auch Till Brönner ist Roman Rindberger Malte Burba deshalb unendlich dankbar und sagt wie der berühmte Jazztrompeter auch, dass er ohne diesen Mentor heute sicher nicht mehr spielen würde.

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Mit Roman Rindberger ist gut reden, zumindest, wenn es um Musik und die Trompete geht. Er kennt sich auch in der Instrumentenkunde gut aus und weiht einen gerne – wie hier im Studiokeller – in sein Wissen ein.

Mittlerweile lehrte Hans Gansch in Salzburg und brachte dem Heimkehrer wieder mehr das Musikalische näher, nachdem die Jahre zuvor doch sehr die Technik im Fokus stand. Nach zwei Jahren schloss Roman Rindberger dann den ersten Teil seines Studiums ab. Er nahm aber weiterhin Unterricht, so auch privat bei Klaus Schuhwerk, bei dem er einige Jahre später sein Masterstudium in Basel absolvierte.

Im Orchestergraben

Mit 24 erhielt Roman Rindberger ein Stipendium an der Oper Zürich. Kurz darauf gewann er jedoch auch ein Stipendium bei den Berliner Philharmonikern, womit für ihn ein Traum in Erfüllung ging: Spielen in einem Sinfonieorchester, noch dazu in einem der Besten der Welt. Die Zeit dort genoss der Österreicher sehr. Ebenso erfreut wie über die Zusage aus Berlin war er danach über das gewonnene Probespiel in der Bayerischen Staatsoper in München.

Zurück nach Berlin und dann nach Wiesbaden

Für die Stelle in München war er sicherlich noch zu unerfahren, und so kündigte er aus verschiedenen Gründen schweren Herzens nach einigen Monaten. Glücklicherweise konnte er aber nach Berlin zurückkehren – es wurde extra für ihn ein zusätzliches Stipendium geschaffen. Nur ein paar Monate später gewann Rindberger 2000 die Stelle des Solo-Trompeters an der Oper in Wiesbaden.

Der Anruf: Thomas Gansch am Apparat

In Wiesbaden hatte Roman Rindberger eine tolle Zeit. Dennoch wollte er sich nach einigen Jahren dennoch verändern. Zum absolut richtigen Zeitpunkt, die Fühler wurden gerade in Richtung anderer Orchester ausgestreckt, ereilte den Österreicher wie aus heiterem Himmel ein Anruf aus seiner Heimat. Thomas Gansch fragte an, ob er nicht bei Mnozil Brass einsteigen wolle. Rindberger ließ sich auf das Wagnis ein – vielleicht weil ihn das Abenteuer reizt – und ist nun seit 2004 Mitglied des wohl spektakulärsten Brass-Ensembles der Welt.

Roman Rindberger: bei Mnozil Solist, in Wien Lehrer

Das Engagement bei Mnozil Brass stellte natürlich das Leben auf den Kopf. Statt Notenpapier Gedächtnis, statt Orchestergraben „on stage“. Statt Orchesterdienste Reisen, Hotels und viele neue Eindrücke. Besondere Herausforderung für den Orchestermusiker: Solonummern wie z.B. Billy Mays “The Green Hornet Theme” und Harry James’ ”Concerto for Trumpet“.

Dieses neue Kapitel bedingte auch den Umzug nach Wien, was ohnehin schon lange auf der persönlichen Wunschliste stand. Das Leben als selbstständiger Musiker setzte außerdem eine ungeahnte Kreativität frei, was sich in einem sehr positiven Lebensgefühl bis heute äußert. Rindberger genießt den Freiraum, den er durch seine Arbeit mit Mnozil Brass hat. Einerseits erlaubt dieser sportliche Aktivitäten wie z.B. Mountainbiken, Windsurfen und seit einiger Zeit auch Boxen, bei dem er in seiner Trainings- und Kampfhaltung ungemeine Ähnlichkeiten zum Trompetespielen sieht.

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Einiges durchgemacht, aber nie resigniert: Der Wille zum Meistern eines Problems zeichnet Roman Rindberger aus. Dass er lange Täler durchwandert hat, macht ihn zu einem glaubwürdigen Lehrer mit echter Expertise.

Andererseits ermöglicht der Freiraum das Unterrichten – heute Rindbergers größte Passion neben der Familie. Anders als früher hat er mittlerweile die besten Voraussetzungen dafür. Schließlich haben jene Lehrer das größte Potential, einem aus einer Krise zu helfen, die selbst bewusst eine gemeistert und überwunden haben. So begreift der gebürtige Oberösterreicher das Scheitern auch als Chance und seinen Umweg als nötig, um heute die Mechanismen des Trompetespielens zu verstehen: sowohl die physischen, die neurologischen, die psychologischen – als auch die sozialen, die in diesem Beruf eine tragende Rolle spielen.

Rindberger empfindet die Erfahrung, bei Lehrern mit extrem gegensätzlichen Zugängen zur Thematik studiert zu haben, als große Bereicherung. Außerdem pflegt er den Kontakt zu großen Solisten wie Gábor Tarkövi, Sergei Nakarjakow und Hakan Hardenberger, die er alle schon zu Meisterklassen an die MUK Privatuniversität eingeladen hat, wo er seit 2012 unterrichtet.

Roman Rindberger als Trompetenkonzipient

Bei Mnozil Brass fällt auf, dass Rindberger der einzige Trompeter mit Perinetventil-Instrument ist. Zwar benutzt er für den Unterrichtseinsatz Drehventiltrompeten von Schagerl, für die Blechsalven in dieser besonderen Besetzung bevorzugt er aber Pumpventile. Jahrelang hat er an seinem aktuellen Arbeitsgerät in Kooperation mit Schagerl gefeilt, nun ist die Roman Empire so gut wie fertig und zeichnet sich durch viel Widerstand bei extrem hohen Output aus. Der TrumpetScout hat ein Vorserienmodell bereits testen dürfen und kann sowohl als Hörer wie auch als Spieler bestätigen: Sie ist laut und kernig und sowohl für den klassischen Bereich als auch sehr gut für die Big Band geeignet.

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Roman Empire – so der klingende Namen des Schagerl-Perinetmodells, an dem Rindberger seit Jahren getüftelt und nun zur Serienreife gebracht hat.

Als Mundstück kommt sein Modell Roman Empire von Breslmair zum Einsatz, das den Rand eines G2 (viel Bite-Gefühl) mitbringt, bei Kessel und Stengel aber eine eigene Form aufweist. Damit kann er die gesamte Range abdecken und überall gut klingen.

Roman Rindberger: ein netter Kerl mit großem Wissen

Der TrumpetScout war erstaunt über die Geschichte des „Feschen von Mnozil“, da man gerne und automatisch bei erfolgreichen Menschen davon ausgeht, dass sie sich schon immer leicht taten mit dem, das sie jetzt so gut machen. Die Geschichte von Roman Rindberger darf all denen Mut machen, die straucheln, ihr Ziel aber nicht aufgeben wollen. Und sie soll all die mahnen, denen der Erfolg ein bisschen zu Kopf gestiegen ist. Denn Rindberger ist „in echt“ ganz anders als die ihm aufgeschriebenen Bühnenrollen: ein sehr netter Kerl mit äußerst großem Wissen rund um die Trompete.

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