What is what der Trompete: Bohrung, Teil 1 – Definition

Keine Kennzahl wird so gern zur Charakterisierung einer Trompete herangezogen wie die Bohrung. Dabei hat kaum ein Faktor alleine so einen geringen Einfluss auf Spielgefühl und Klang wie dieses Maß. Doch ganz auf Anfang: Was ist mit Bohrung überhaupt gemeint? Der TrumpetScout klärt auf.

„Ich spiele eine Large Bore.“ Keine seltene Antwort, wenn man einen Trompeter bittet, sein Instrument zu charakterisieren. Doch sagt das wirklich etwas aus? Und falls ja, was? Mit keinem anderen technischen Spezifikum des Instruments geht so viel Konnotation einher wie mit der Ventilbohrung (wie man korrekterweise sagen müsste) – Vorstellungen, die sowohl den Klang als auch das Spielgefühl betreffen. Kann die Dimensionierung eines einzelnen Bauteils im komplexen System der Trompete eine so bedeutende Rolle spielen? Unwahrscheinlich.

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Keine Design-Trompete, sondern eine Darstellung des Teils der Trompete mit üblicherweise konstantem Rohrdurchmesser. Das Maß wird gerne als Bohrung bezeichnet.

Vielmehr ist es so, dass ein heller, spitzer, zuweilen auch dünner Klang einer engen Bohrung und ein dunkler, großer Sound einer weiten Bohrung zugeschrieben wird und gemeinhein geringer Widerstand und leichte Ansprache mit einer Big Bore assoziiert werden. In dieser Generalisierung und Absolutheit ist das sicher nicht richtig. Der Zusammenhang zwischen Bohrung und Spieleffekt soll deshalb in diesem Doppelartikel untersucht werden. Teil 1 behandelt die theoretischen Grundlagen.

Die Bohrung bei der Trompete: Was bedeutet das überhaupt?

Als Bohrung bezeichnet man den Innendurchmesser des in aller Regel zylindrisch verlaufenden Rohrstücks zwischen Eingang und Ausgang des Maschinenstocks. Auf dieser Länge befinden sich also die Züge, die Bögen und Durchgänge im Ventil selbst und die Verbindungsrohre zwischen den Ventilen. Gemessen wird die Bohrung am besten an einem Ventilzug, bevorzugt dem zweiten.

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Wer die Bohrung seiner Trompete ermitteln möchte, tut das (in aller Regel) am einfachsten durch das Messen des Rohrinnenweite des zweiten Zuges.

Das Maß bewegt sich bei der populären B-Trompete mit Pumpventilen (auch Perinetventile genannt) in der Regel zwischen 11 und 12 Millimetern, also in einem für das bloße Auge sehr schmalen Bereich. Im Laufe der vergleichsweise jungen Geschichte dieses Instruments hat sich die Bohrung durchschnittlich vergrößert. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren nach heutigen Maßstäben kleinste Abmessungen die Norm, heutige Standards die absolute Ausnahme. Diese Entwicklung mag ein Grund dafür sein, warum die heute mit Abstand am weitesten verbreitete Mensur nicht mit ‚Medium‘ bezeichnet wird, sondern mit ‚Medium Large‘, wenngleich sie die „neue Mitte“ bildet. Hier sind die Bohrungsbereiche mit der zugehörigen englischen Bezeichnung – natürlich kann es zu Überschneidungen aufgrund von Ermessensspielräumen der Hersteller kommen:

11,0 – 11,3 mm – Small (S)

11,3 – 11,5 mm – Medium (M)

11,5 – 11,7 mm – Medium Large (ML)

11,7 – 11,8 mm – Large (L)

11,8 – 12,0 mm – Extra Lage (XL)

>12,0 mm – Extra Extra Large (XXL)

Die Kürzel in Klammern finden sich oft eingestanzt auf den Außenseiten der Ventilbüchsen oder manchmal auch eingraviert auf den Ventilen selbst. Die Mensuren bei Drehventil-Trompeten sind in der Regel kleiner. Ein Hinweis darauf, dass die Rohrweite doch einen Einfluss auf den Klang hat?

Überschätzt? Die Bohrung ist eine Komponente im Uhrwerk Trompete

Um die Bedeutung der Bohrung zu relativieren, sei ein renommierter Instrumentenbauer, Matthias Beck, auf einer seiner Webseiten zitiert: „Ich warne immer wieder vor vorschnellen Urteilen und Meinungen. Es ist nicht gesagt, dass eine ML-Bohrung immer einen kleineren, engeren, helleren Sound produziert und die großen Bohrungen einen dunklen, satten, voluminösen Klang erreichen. Was passiert zum Beispiel, wenn ich vor eine große Maschine ein enges Mundrohr löte, oder umgekehrt, wenn eine ML-Trompete mit einem offenen, großen Mundrohr ausgestattet wird? Deshalb ist es unbedingt wichtig, das Gesamtpaket zu testen. Das beste Beispiel für mich ist immer noch das MF-Horn (Maynard Ferguson Lead-Trompete) von Holton. Mit einer XXL-Bohrung von über 12 mm, aber mit einem sehr engen Mundrohr ausgestattet, bietet die Trompete einen bissigen, hellen Sound mit enorm viel Blaswiderstand!“

Das L steht für die große Bohrung.
Hier meint man bloßen Auges erkennen zu können, wie sich das Rohr zum Eingang in den Maschinenstock weitet. Aber nicht jede Large Bore-Trompete fühlt sich auch so groß an wie diese Endres 6L.

Das Beispiel Maynard Ferguson ist ein gutes. Viele kennen das Ur-MF Horn von Holton, die ST302. Sie hat in der Tat eine XL-Bore. Zu Anfang seiner Karriere spielte Ferguson aber lange auf einer Conn Connstellation – die war mit einer Small Bore ausgestattet. Haben sich also Maynards Spielweise und Vorliebe um 180 Grad gedreht? Nein. Weder fühlt sich eine Conn 38B sehr eng an, noch die besagte Holton wie ein Plumpsklo. Es sind die restlichen Komponenten, die den Widerstand erzeugen und damit die Spieleigenschaften in Kombination hervorbringen. Glich bei Fergusons späterer Trompete wie zitiert das Mundrohr die große Bohrung aus, war bei der früheren ein Sprung in der Mensur nach der Maschine und ein großes Schallstück dafür verantwortlich, einen gewaltigen Ton trotz Mikro-Bohrung erzeugen zu können. Noch ein Beispiel gefällig? Die bereits öfter erwähnte Benge Claude Gordon: ebenfalls XL-Bohrung, aber ein extremer Widerstand dank des Chokes beim Übergang in den Becher.

Step Bore, Multi Bore: Exoten, die aus der Reihe tanzen

Wer den Test des Miyashiro-Modells von Yamaha gelesen hat, ist dort über den Begriff ‚Multi Bore‘ gestolpert. Der Hersteller bricht damit mit der Konvention, den Durchmesser des zusammengestückelten Rohres durch die Maschine beizubehalten. Die direkten Durchgänge – kein Ventil wird dabei gedrückt – stellen in diesem Fall der Luft einen Kanal mit 11,3 mm zur Verfügung. Muss sie aber den Umweg durch einen dazugeschalteten Ventilzug nehmen, stehen dort 11,73 mm Rohrdurchmesser bereit. Die komprimierte Luft hat schlagartig mehr Platz, wird auf dem Rückweg in die Maschine wieder eingeengt. Das gleiche ist auch in die andere Richtung denkbar: leer large, bei gedrücktem Ventil z.B. small. Auch eine kontinuierliche oder zumindest schrittweise Verengung oder Verbreiterung von Eingang des Ventilstocks bis zum Ausgang sind möglich. Der Ingenieurs- und Handwerkskunst sind keine Grenzen gesetzt. Die entscheidende Frage bleibt, welchen Effekt eine solche Maßnahme generiert.

Widerstand und Sound – zwei Paar Stiefel? Wann eine weitere Bohrung Sinn macht

Kommen wir damit zurück zum Ausgangspunkt: Was verbirgt sich hinter dem Mysterium Bohrung? Gibt es einen direkten Konnex zwischen Lautstärke, Projektion, Sound, Slotting, Ansprache und dem Innendurchmesser einer eingeschlossenen Rohrsektion inmitten der 134 Zentimeter (B-)Trompete? Warum setzt man auf eine sehr große oder aber sehr kleine Bohrung, wenn man deren typische Wirkung nur wieder mit anderen Bauteilen zu minimieren sucht? Bringt eine Big Bore-Maschine wirklich den Big Sound, auch wenn auf sie ein enges Schallstück folgt? Das ist schwer zu glauben. Wahrscheinlicher ist doch, dass es einfach viele Wege gibt, die an ein bestimmtes Ziel führen, einen Klang, einen bestimmten Widerstand. Die persönliche Präferenz in Bezug besonders auf den Ort des Widerstands ist wohl maßgeblich ursächlich für die vielen unterschiedlichen Kombinationen mit einer großen Bohrung. Der eine sucht ihn weiter hinten mit einem kleineren Becher (z.B. Bach 25 L), der eine vorne mit einem schärferen Mundrohr (siehe MF Horn).

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No Multi Bore. Die Vielfalt bei den Bohrungen ist nicht besonders groß: ML dominiert den Markt, gefolgt von Medium bzw. Large Bore. Größer ist sehr selten, kleinere Bohrungen sind bei modernen B-Jazz-Trompeten de facto ausgestorben.

Die meisten Trompeten verfügen jedoch über eine kontinuierliche Ventilbohrung von 11,65 bzw. 11,68 mm. Ist deshalb das Spektrum in puncto Spielgefühl bei diesen Instrumenten ein eingeschränktes? Wieder ein klares Nein. Eine der gefühlt offensten Trompeten ist die Yamaha YTR 8335LA. Bohrung: ML. Gegenentwurf ist des TrumpetScouts eigenes Horn, extrem eng bis „zu“. Bohrung: auch ML.

Die Wirkung im Labortest: Medium Large vs. Large Bore – Xeno vs. Xeno

Um nun herauszufinden, welchen Einfluss die Bohrung wirklich hat, muss man sie isoliert betrachten. Der TrumpetScout hat sich deshalb die beiden baugleichen Trompeten der Xeno-Reihe von Yamaha zum Mund genommen und verglichen: Sie unterscheiden sich einzig bei der Ventilbohrung. Die YTR 8335 wartet mit 11,65 mm und die YTR 8345 mit 11,73 mm auf. Den direkten Vergleich gibt es im zweiten Teil zum Thema Bohrung.