Connys kleine Schwester: High Note-Horn Conn 36B

Die Conn Connstellation ist den meisten Trompetern ein Begriff. Sie meinen damit das vernickelte Ungetüm mit einem Schallbecher im Kloschüsselformat und der Solidität eines russischen Panzers: die 38B. Doch es gibt noch eine andere, um zwei Nummern kleinere Connstellation: die 36B. Der TrumpetScout gibt einen Geheimtipp… 

TrumpetScout Conn 36B Lightweight Connstellation_1
Wide wrap but small bell! Das sieht ein bisschen unproportioniert aus und ist genau das Hauptmerkmal der kleinen Conny alias Conn 36B.

Fällt der Name ‚Connstellation‘, gehen die Reaktionen weit auseinander. Trompetenbauer bekreuzigen sich oder fluchen. So manchem Spieler dagegen schlägt das Herz zwar auch höher, aber nicht aus Zorn, sondern aus Verliebtheit. Diese Kontroverse lässt sich mit einem kleinen Ausflug in die Geschichte des amerikanischen Herstellers Conn erklären. Von je her (die Marke geht bis ins 19. Jahrhundert zurück) wurde bei Conn viel experimentiert: konzeptionell, mit Werkstoffen, bei Fertigungstechniken. Obwohl man schon davor sehr erfolgreich war, kam mit der Connstellation ein Instrument aus den Fabrikhallen in Elkhart, das komplett anders war als alles andere auf dem Markt und wohl gerade deshalb die (Jazz-)Trompetenwelt innerhalb kürzester Zeit eroberte. Praktisch jeder hat die 38B gespielt, ob Solist oder Leadplayer. Die wohl bekanntesten unter ihnen: Maynard Ferguson und Cat Anderson.

Die Architektur der Connstellation: Out of the Box ein großer (Ent)Wurf

Der ganz eigene Klang und das Spielgefühl rührte von einem bisher nie dagewesenen Konstruktionsentwurf: Heavy Duty auf der Materialseite (dickes Blech mit beinahe noch dickerer Vernickelung) und eine innovative Verbindung von kleinster Bohrung mit riesigem Schallbecher (nach der Maschine macht der Rohrverlauf einen richtigen Sprung). Für manche ist das hohe Ingenieurskunst, andere sehen es als waghalsig an, wieder andere (besonders unter den europäischen Trompetenbauern) unterstellen einen zufälligen Glücksgriff. So oder so, es hat funktioniert. Die Connstellation hat trotz einer bei Trompeten quasi ausgestorbenen Bohrung von 11 Milimetern (definitiv eine Small Bore) einen warmen vollen Ton, der dem dunklen Glanz der Vernickelung voll und ganz auditiv entspricht. Dabei fühlt sie sich auch nicht wie eine enge Trompete an, wofür sich wahrscheinlich die bereits erwähnte Stufe nach dem Maschinenblock verantwortlich zeichnet, womöglich aber auch die großen Bogenradien und ein besonders langes Mundrohr.

Conn 36B: ein unechtes Leichtgewicht

Nachteil von so viel Gewicht ist eine erschwerte Ansprache und wenig Sound-Flexibilität. Die Connstellation ist eine der wenigen Trompeten, bei der der Spieler nicht sehr viel Mitspracherecht hat. Das hat aber offensichtlich kaum jemanden gestört, das Kraftpaket war seinerzeit einfach en vogue. Dabei hatte Conn doch mit der zwischen 1961 und 1979 gebauten 36B eine sogenannte Lightweight Connstellation als Alternative im Programm. Schaut man sich die 36B nun genauer an, merkt man, dass das Label Leichtgewicht nur in Teilen zutrifft. Und zwar in Anbauteilen: Lediglich die Stützen zwischen Mundrohr und Becher und die Stütze im Stimmbogen sind minimal filigraner gestaltet und lassen so ein wenig mehr Schwingung zu. Die ganz frühen Modelle verfügten außerdem über keinen Trigger.

Weit über den Becherbogen ragendes Mundrohr, Trigger am esrten Ventilzug und eine verschwenderische Vernickelung. Das zeichnet eine Connstellation aus. Das B auf dem Receiver steht für Trompete, bei Kornetten war ein A graviert.
Weit über den Becherbogen ragendes Mundrohr, Trigger am ersten Ventilzug und eine verschwenderische Vernickelung. Das zeichnet eine Connstellation aus. Das B auf dem Receiver steht für Trompete, bei Kornetten war ein A graviert.

Dennoch gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen den Schwestermodellen, und das ist der Becher. Ist bei der 38B eine Glocke wie ein Grammophontrichter (eigentlich in jedem Baujahr – Conn schwankte hier erheblich – waren es mehr als 13cm) angelötet, verfügt die 36B geradezu nur über ein Becherchen. Das hat zwar Normalgröße, wie man sie von den  Trompeten wie einer Bach bis heute gewohnt ist, wirkt aber angesichts des Connstellation-typischen Wide Wraps geradezu mickrig. Geprägt durch die Optik einer viel öfter gebauten 38B meint man, hier habe jemand ein falsches Ersatzteil eingesetzt. Dieses kleinere Schallstück macht die Trompete kaum leichter, fokussiert aber den Ton besser. Darin könnte ein Grund liegen, warum gerade heute einige Lead-Größen auf dieses Modell zurückgreifen.

Die Conn 36B wird umso besser, je höher es hinauf geht.

Des TrumpetScouts alter Lehrer war auf Connstellations versessen, wohlgemerkt mit der Bezeichung 38B. Jeder Schüler musste eine solche spielen. Der Jahrgang war egal (die Connstellation wurde von den späten 50ern bis in die 90er Jahre gebaut, die Firma aber währenddessen mehrmals verkauft, die Qualität hat sehr geschwankt), Hauptsache eine 38B. Als bekannter High Noter glaubte man ihm, wenn er mit den Fingern in die Luft eine Pyramide zeichnete und sagte: „Jede Trompete geht nach oben hin zu, nur die Conn, die geht auf.“ Als junger Mann im knapp zweistelligen Alter verlässt man sich auf so ein Urteil, auch wenn das Oben schon ganz weit unten beginnt. Im Laufe der Jahre kamen und gingen einige 38Bs, keine war wirklich so wie einst beschrieben, auch wenn mittlerweile spielerisch mehr möglich war. Erst jüngst wurde das Thema wieder interessant, als ein Kollege sich gleich zwei Connstellations, allerdings 36B, bestellte. Vielleicht auch, weil der bärenstarke Leadtrompeter der Airmen of Note (der Big Band der US Airforce), Brian Macdonald, auf einer solchen ganz besonders klingt. Mehrtägige Tests (keine Liebe auf den ersten Blick!) auf einem Exemplar aus dem Jahre 1969 bestätigten nun den alten Spruch: „Je höher, desto besser.“



Das Gewicht ist wie schon gesagt auch bei der 36B enorm groß, die Ansprache demnach nicht wie bei einem gern abschätzig als Papiertrompete bezeichneten Horn vom Schlage einer Benge. Gibt man aber Gas, dann entsteht ein gewaltiger Ton, der aber nie schreiend und kreischend wird oder ausbricht. Auch das Slotting ist hervorragend. Ein variables Soloinstrument, wenn man Chet Baker-Sounds (der übrigens auch ganz kurz eine 38B spielte!) im Sinn hat, ist die Lightweight Connstellation aber auch nicht. Sie kann nur voll und warm, wenig verletzlich und gebrochen. Diese dürftige Klangvariabilität lässt sich auch durch spezielle Mundstücke nur beschränkt erweitern. Ein tieferer Kessel limitiert eher den Spieler, der Ton zeigt sich von derlei Eingriffen vergleichsweise unbeeindruckt. Auch wenn die 36B in allen Lagen gut anspricht, so ist sie doch prädestiniert für High Notes: Erst jenseits eines G2 erwacht das Instrument und klingt im lead-relevanten Bereich zwischen C3 und G3 sehr schön, nimmt auch Shakes gut an. Sogar das A3 scheint, zumindest auf der Testtrompete, abgespeichert. Das im Vergleich mit anderen Trompeten deutlich längere Mundrohr könnte Grund dafür sein. Maynard Ferguson hat beim Design seiner späteren Holton mit diesem Faktor experimentiert.

Conn 36B: Die Projektion einer Mittelstreckenrakete?

Das hohe Gewicht der Connstellations allgemein verspricht ein großes Durchsetzungsvermögen. Der engere Becher der 36B müsste die Projektionseigenschaften weiter verbessern. Er sollte den Ton kompakter halten können und mehr im Raum vor dem Spieler ankommen lassen. Auf dem Papier sollte die Lightweight Connstellation also bedrohlich abstrahlen wie eine Mittelstreckenrakete. Sie tut es aber nicht. Im Projektionstest stellte das erweiterte TrumpetScout-Testpersonal der kleinen Conny zwei moderne Trompeten, die obendrein echte Leichtgewichte sind, gegenüber und war verwundert. Wirkte die Conn für den Spieler mit Abstand am lautesten, war sie auf einen Abstand von 20 Metern weit abgeschlagen. Das an sich verwundert nicht, klingen doch in der Regel alle Trompeten in der Ferne mager, wenn sie den Spieler in eine satte Soundwolke hüllen; schließlich scheint es wie ein Naturgesetz: Entweder eine Trompete schleudert weit oder klingt zuvorderst an Ort und Stelle. Verblüfft hat aber, dass gerade die schwere Conn mit dem engen Schallstück das macht. Wer viel mit Mikrofonierung spielt wird sich daran nicht stoßen, solange die Trompete ein gut zugängliches oberes Register offeriert.

 Horn mit Leck-mich-am-Arsch-Attitüde: unempfindlich gegen alles

Immun wie der Klang zeigt sich die Trompete selbst – nämlich gegen den Verfall. Zumindest an der Oberfläche. Die Vernickelung wirkt wie eine kugelsichere Weste. Der Klarlack darüber kann zwar über die Jahrzehnte leiden, die galvanisch aufgetragene (für manche: Allergen-)Panzerung lächelt aber nur Müde beim Thema Handschweiß. Nur wo kein Nickel wacht, da kann es gefährlich werden. Ein Problem können die ebenfalls vernickelten Ventile sein, wenn hier doch einmal zu viel abgeschmirgelt ist. In der Regel sind aber auch sie nicht anfällig. Sie laufen nie sehr gut, aber dafür eigentlich immer. Man hat alsbald das Gefühl, diese Trompete steht für eine Weltanschauung, ist eine Persönlichkeit mit viel Eigensinn: Mit der stoischen Ruhe eines Granitsteins harrt das Instrument der Zeiten, die noch kommen mögen und schert sich wenig um Pflege.

TrumpetScout Conn 36B Lightweight Connstellation_9
Trotz Spuren eines langen und bewegten Lebens: Connstellations sehen in ihrem Nickel-Overall aus wie Bruce Willis – abgekämpft, aber absolut vorzeigbar.

Die 36B ist eine Trompete nicht nur für Spezialisten, auch wenn sie im oberen Register am meisten Laune macht. Ihr Design, bei dem Schönheit sicher nicht die oberste Prämisse war, sondern Zweckmäßigkeit, scheint den anderen, konventionellen Trompeten geradezu schweigend sagen zu wollen: „Ich mache alles anders und ich pfeif‘ auf euch.“ Das kann man aufgrund der leichten Höhe ruhig wörtlich nehmen. Das ihr Klang unbeeinflussbar ist, ist ihr genauso schnuppe wie einer schweren Limousine mit viel PS, dass es sie im Slalom aufschaukelt. Insofern ist die „kleine“ Connstellation kein Universalgenie, aber eine strahlende Persönlichkeit mit dem ausgeprägtem Selbstbewusstsein, manches außergewöhnlich gut zu können.

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