Das Trompeten-Mundstück und seine Auswirkung auf Klang, Ausdauer und Range

Es ist ein offenes Geheimnis: Das Mundstück ist der wichtigste Teile des Equipments. Es hat viel größeren Einfluss auf den trompeterischen Output als die Trompete selbst. Aber warum ist das so? Der TrumpetScout erklärt die Zusammenhänge zwischen Körper, Kessel und Klang.

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Klein oder groß, tief oder flach, schwer oder leicht, kantig oder rund. Ein Mundstück kann so viel sein und kaum eines gleicht dem anderen – selbst wenn die gleiche Modellbezeichnung eingraviert ist. Zwar erzeugen wir mit unseren Lippen die Schwingungen, die wir dann als Ton wahrnehmen, aber die Aufteilung in Erzeuger (Lippen) und Verstärker (Instrument) ist doch nicht ganz so klar wie es zunächst scheint. Der Teil des Instruments, den wir ansetzen, ermöglicht es den Lippen nämlich erst, so zu schwingen, wie wir es brauchen.

„Erst das Mundstück ermöglicht die Schwingung, die wir brauchen.“

Ein einfaches Experiment: Was passiert, wenn man z.B. ein mittleres G auf der Trompete spielt (es ist aber egal, welchen Ton man wählt) und dann einfach das Instrument samt Mundstück wegzieht? Der Ton reißt ab, man hört nur noch ausströmende Luft – nicht einmal Buzz-Geräusch (das insektenartige Brummeln). Führt man die Kombination wieder an den Mund, kommt der Ton zurück. Wie kommt das? Buzzing ist eine spezielle Art der Tonerzeugung ohne Mundstück mit besonderer Anspannung der Muskulatur im Gesicht. So spielt man aber nicht mit Mundstück – auch wenn vielfach genau das behauptet wird. Deswegen können manche Trompeter auch nicht buzzen, wenngleich hervorragend spielen. Und manche buzzen wie die Weltmeister, spielen aber nicht weltmeisterlich. (Der Vollständigkeit halber: Manche können auch beides sehr gut!)

Das Mundstück unterstützt also die Lippen beim Schwingen. Welche Aufgaben ihm dabei zukommen, wird im Folgenden in drei Kapiteln erklärt.

1. Der Rand des Mundstücks: den Schwingungsbereich abgrenzen

Wenn ohne Mundstück gebuzzt wird, muss mithilfe der Muskulatur ein Teil der Lippen fixiert werden, ein Teil (dort, wo üblicherweise das Mundstück sitzt) aber schwingen können. Diese beiden Bestrebungen können einander im Weg stehen. Setzt man nun den Rand des Mundstücks auf die Lippen, wird eine Trennung zwischen dem statischen und dem schwingenden Teil der Lippen installiert. Das spart Kraft. Auch wenn der ausgeschlossene Teil der Lippen auch bei Mundstückeinsatz eine gewisse Spannung aufweist – freies Buzzen ist viel anstrengender.

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Dank Visualizer sieht man gut, dass der Rand nicht nur der Auflage dient, sondern auch eine trennende Wirkung hat. Das minimiert den Aufwand.

Wenn man einen Schritt weitergeht, kommt man im Kontext der Randfunktion auch auf die Größe des Mundstücks, also seinen Durchmesser zu sprechen. Lassen wir die Randkontur außer Acht (das würde den Rahmen sprengen) und betrachten rein metrisch den diametralen Abstand zwischen den Innenkanten (= Mundstückinnendurchmesser), so muss man eigentlich zum Schluss kommen, dass ein größeres Mundstück besser für die Tiefe geeignet ist und ein kleines besser für die Höhe. Wenn bei einem Bach 1 1/2C den Lippen 17 Millimeter fürs Schwingen zur Verfügung stehen und bei einem 7C nur 16,2 Millimeter, so ist das zwar nur ein feiner Unterschied, der aber doch Wirkung zeigt – ähnlich (wenn auch nicht gleich!) wie bei einer Gitarrensaite, die man ein bisschen verlängert. Töne mit niedriger Frequenz (also in der Tiefe) werden begünstigt, die mit hoher Frequenz erschwert, da der Spieler mit Zungenstellung etc. gegen die geringere Vorspannung der Lippen im Mundstück arbeiten muss. Das geht alles, kostet aber in vielen Fällen unnötig Kraft. Manche Spieler brauchen aufgrund ihrer Physiognomie (Lippen, Zahnstellung etc.) oder Mundstückpositionierung zwar ein großes Mundstück, aber sicher nicht alle, die ein solches momentan benutzen. Deshalb rät auch Jens Lindemann, sich vom Dogma des großen, vermeintlich orchestralen Mundstücks abzuwenden und lieber mit kleinerem Durchmesser an seinem Ton zu arbeiten.

2. Das Kesselvolumen: den Gegendruck nutzen

An dieser Stelle soll nicht auf die verschiedenen Kesselformen eingegangen werden, auch das ist wieder eine Wissenschaft für sich. Vielmehr geht es hier um den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Kesselvolumen und Tonqualität, Ansprechverhalten und Höheneigenschaften.



Dazu muss man sich vergegenwärtigen, wie die Tonerzeugung bei der Trompete funktioniert. Als Bläser drückt man Luft zwischen den aufeinander liegenden Lippen vorbei. Sie öffnen sich, aber nur solange, bis der Druck in der Mundhöhle wieder klein genug ist, dass die Lippen, die im Mundstück eingespannt sind, wieder in ihre Ausgangsposition zurückfallen können. Dann ist der Mund wieder geschlossen, der Druck steigt wieder und das Spiel beginnt von vorne (dieser Wechsel von Auf und Zu spielt sich aber natürlich rasend schnell ab – hunderte Male in der Sekunde). Die Lippen fungieren also wie ein Druckventil, das ab einem gewissen Wert öffnet und unter einem gewissen Wert wieder schließt. Natürlich sind diese Werte aber steuerbar (z.B. über Lippenspannung oder Luftführung) – ansonsten könnten wir (ohne Instrument) nur einen Ton spielen.

Wenn ohne Mundstück gebuzzt wird, ist die Lippenspannung wichtig, um die Lippen schnell schwingen zu lassen. Luft drückt nur aus dem Spieler nach außen, der Widerstand dagegen muss von den Lippen produziert werden. Mit Mundstück sieht die Welt anders aus. Die ausgeblasene Luft wird nicht ins Freie entlassen, sondern in einen kleinen Kessel mit nur einem Ausgang (der Kehle), der wie eine Düse verengt ist. Was passiert also mit der Luft? Sie staut sich und wird verdichtet. Damit bietet sie auf der Außenseite der Lippen einen Gegendruck zur Luft, die aus der Mundhöhle kommt. Diese Situation begünstigt das Zurückschwingen der Lippen, sie haben in der gestauten Luft einen Verbündeten. Somit lassen sich hohe Frequenzen mit einem Mundstück leichter realisieren als ohne. Das ist der Grund, warum die meisten nur tiefe Töne wirklich frei buzzen können.

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Die grünen Doppelpfeile veranschaulichen die minimalen Flatterbewegungen der Lippen. Sie kommen leichter zustande, wenn auf der Außenseite eine Gegendruck herrscht.

Nun kann man weiter differenzieren zwischen verschiedenen Kesselvolumen. Ist die „Schüssel“ kleiner, baut sich ein Gegendruck zum einen schneller auf und ist zum anderen auch größer. Theoretisch werden also mit einem geringeren Volumen – praktisch heißt das bei festem Durchmesser immer ein seichterer Kessel – hohe Frequenzen (= höhe Töne) weiter vereinfacht.  Das lässt sich wegen des Faktors Mensch nicht verallgemeinern und auch nicht ins Unendliche ausreizen. Man kann aber generell attestieren, dass flachere Mundstücke folgende Effekte haben:

  • Der Ton wird schärfer und penetranter.
  • Die Lautstärke und Durchdringung vor allem im oberen Register nimmt deutlich zu.
  • Das Ansprechverhalten bei Attacks wird besser.
  • Die Ausdauer verbessert sich.
  • Insgesamt stimmt die Trompete leicht höher.

(Sieht man von der Lautstärke ab, hat der Einsatz eines gut dichtenden Dämpfers den gleichen Effekt: Die Stimmung geht nach oben sowie Ansprache und Höhe verbessern sich. Nachzulesen im Artikel zum Thema Widerstand!)

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Der kleinere Kessel ist viel schneller gefüllt und bietet mehr Gegendruck. Das Resultat ist ein knallenderer Ton und ein effizienteres Spiel.

Das heißt nun nicht, dass ein flaches Mundstück per se das bessere ist. Es kommt auf die Literatur und die Klangvorstellung an. Der TrumpetScout benutzt selbstverständlich in der Big Band sein seichtes Warburton 7ESV, weil es dort angemessen ist, aber in der Kirche ein tieferes, weil er darauf viel weicher klingt und und dieser Kessel (eben durch die geringere Verdichtung) viel zarter anspricht.

3. Die Backbore: nicht nur ein ausgehöhlter Stengel

Als Spieler eines modularen Mundstücks kann der TrumpetScout auf einige Testerfahrung mit unterschiedlichen Stengeln zurückgreifen. Auch hier gibt es verschiedene Verlaufsbilder, auf die en detail ebenfalls nicht eingegangen werden kann. Der Einfachheit halber stellen wir Groß und Klein einander gegenüber. Eine große bzw. weite Backbore bietet wenig, eine kleine bzw. enge Backbore viel Widerstand. Wie immer beim Thema Widerstand bei der Trompete kann erhöhter Gegendruck bis zu einem bestimmten Maß zu sparsamem Umgang mit Energie führen. Allerdings geht das „hinten beim Mundstück“ leider auf Kosten des Tones. Eine weitere Backbore sorgt für einen volleren Sound, kostet aber mehr Kraft, eine engere ist tendenziell effizienter, dünnt den Klang aber aus. Hier muss man einen Kompromiss finden. Wer immer nur eine halbe Stunde auf der Bühne steht: Go for the big pipe! Wer ausdauernd spielen muss, sollte hier ein kleineres Maß wählen. Die Backbore ist als auch ein wichtiger Hebel für Klang und Ausdauer.

Fazit zum Thema Trompeten-Mundstück

In dieser Zusammenfassung wurde auf den Rand nicht eingegangen, genauso wenig wie auf die Masse. Der Rand hat Einfluss auf die Ermüdung der Lippen und die Flexibilität, jedoch keinen echten Effekt auf Ton, Lautstärke oder Spielbarkeit in der Höhe. Hier geht es sehr viel um Geschmack. Ein höheres Gewicht dämpft Schwingungen im Mundstück, was dem Ton mehr Kern, Lautstärke und eine bessere Projektion beschert, dafür die Ansprache erschwert und die klangliche Flexibilität einschränkt. Hier muss abgewogen werden, für welchen Zweck, man das Mundstück.

TrumpetScout_Mundstückfrage
Die Wahl des Mundstücks bleibt eine individuelle. Verständnis der Mechanismen schadet aber nicht.

Bei Kesseldurchmesser, -tiefe und Backbore mag es auf den ersten Blick auch nur um Geschmack und persönliche Vorlieben gehen. Nach Meinung vieler Top-Trompeter jedoch benutzen viele Kollegen, auch im Amateurbereich, schlicht zu großes Equipment. Gerade in der Klassik halten sich dogmatische Ansätze in Bezug auf Durchmesser und Kesseltiefe hartnäckig. Natürlich gibt es auch das Gegenteil, also Trompeter die auf größeren Mundstücken besser klängen. Sie sind aber natürlicherweise in der Minderheit: Denn ist der Durchmesser zu klein, bekommt man ganz schnell gar keinen Ton heraus. Und wenn das Mundstück zu seicht ist, berühren die Lippen die Innenseite des Kessels. Spielen ist dann gar nicht mehr möglich.

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Mit Equipment-Empfehlungen tut sich der TrumpetScout schwer. Deshalb nur so viel: Der Spruch „So groß wie nötig und so klein wie möglich“ lässt sich nur durch Geduld und Probieren befolgen. An kleinere Mundstücke muss man sich gewöhnen und das braucht Zeit.