Die frischeste Französin: Antoine Courtois 307 Privilege

…zumindest unter den Alten. Die Marke Antoine Courtois kann auf eine lange Historie zurückblicken, ist aber selbst bereits Geschichte – zumindest was die Trompetensparte angebelangt, denn kleines Blech mit den Buchstaben AC wird nicht mehr gefertigt. Wir schauen uns deshalb eines der späteren Modelle an, die 307 Privilege: bis zuletzt eine Französin vom alten Schlag.

TrumpetScout_Antoine Courtois 307 Privilege (3)
Diese Französin zelebriert die Schlichtheit wie kaum eine andere: die AC 307 Privilege.

„AC“ steht ausnahmsweise einmal nicht für „Air Condition“, sondern Antoine Courtois. Das ist der Sohn des Unternehmensgründers, der aus einem Instrumentenhersteller eine Marke gemacht hat. Sein Vater begann mit der Produktion in Paris bereits 1789 (!), Antoine belieferte mit seinen Produkten das Militär und dessen Sohn, also der Enkel, wiederum konstruierte 1883 mit dem Verfasser der wohl berühmtesten Trompetenschule, Jean-Baptiste Arban, ein neuartiges Kornett. 2006, also 123 Jahre später, wurde das Unternehmen an den Buffet-Konzern verkauft. Trompeten scheint es seither nicht mehr zu geben, die entsprechenden Reiter auf der Webseite liefern zumindest keine Ergebnisse.

Mit der 307 Privilege hat der TrumpetScout eine Trompete aus den 90er Jahren in die Finger bekommen, die französischer kaum sein könnte. Was das heißt? Schwer wie ein Bordeaux, knackig wie ein Baguette? Nein. Leicht wie ein Rosé und zart wie Camembert!

Leicht und simpel

Mit 1026 Gramm ist diese Trompete ein lupenreines Leichtgewicht. Das Bechermaterial scheint dünn zu sein, die Mundstückaufnahme diätisch ausgeführt. Eine Stütze im (konventionellen) Stimmzugbogen ist nicht vorhanden, Trigger oder Justiergestänge – Fehlanzeige. Selbst die Ventildeckel sind quasi nur notdürftig existent und eine zweite Wasserklappe hat man sich auch gleich eingespart. Immerhin sind die Außenzüge aus Neusilber. Ansonsten ist Messing das Material der Wahl. Davon zeugen auch beim Testexemplar einige Zinkfraßstellen auf dem Mundrohr. Grund hierfür dürfte aber auch mangelnde Pflege sein. Nach Erhalt hat der TrumpetScout das Instrument von zunächst einigen Gramm inwändigem Dreck befreit, die Trompete also noch einmal erleichtert.

Keine Feststellschraube, kein Gestänge, sondern ein pfiffige Federlösung verhindern das Entgleiten des dritten Zugs.
Keine Feststellschraube, kein Gestänge, sondern eine pfiffige Federlösung verhindern das Entgleiten des dritten Zugs.

Was bereits auffällt ohne auch nur einen Ton gespielt zu haben: Die Ventile laufen blitzschnell, wenn auch nicht geräuschlos. Was sich später bestätigte: Sie sind außerdem extrem zuverlässig und wohl auch nicht wartungsintensiv oder ölbegierig. Ein schönes Detail findet sich im verwandten Stopper für den dritten Ventilzug. Hier ist statt einer Schraube im Gewinde eine Büchse mit einer Feder und einer Kunststoffkugel angelötet. Mit erhöhter Kraft wird diese eingedrückt und die Barriere in Form eines stärkeren Randes überwunden. Alleine herausfallen – das schafft der Zug indes nicht.

Antoine Courtois 307 Privilege: perfekte Stimmung, tolle Ansprache

Viel „Ausstattung“ bietet diese Trompete nicht, viel Gewicht genauso wenig. Liegt das an ihrer Konzeption als „Intermediate“-Modell? Die Sachlage ist unklar, wie das Instrument eingestuft wurde, und überdies ist diese Unterteilung sowieso müßig. Was das geringe Gewicht aber bringt, ist eine sehr gute Ansprache. Auch mit sehr wenig Kraft lässt sich ein Ton verhältnismäßig sicher erzeugen (das belegt das Video). Die Trompete wirkt offen, aber nicht zu groß – eben genau richtig. (Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass es sich um eine Medium-Bohrung handelt.) Demzugute kommen können die nur zart ausgeführten Stützen zwischen Becher und Mundrohr, bei denen auffällt, dass die dem Mundstück nähere Klammer sehr weit beim Spieler angebracht ist und die zweite sehr weit beim Becherausgang fixiert wurde. Die Flexibillität der Trompete ist sehr angenehm, das Einrastverhalten dafür im Gegenzug nicht ganz so herausragend, jedoch besser als bei vielen anderen Leichtgewichten.

Die Stützen zwischen Leadpipe und Schallstück liegen bei der AC 307 Privilege sehr weit voneinander entfernt.
Die Stützen zwischen Leadpipe und Schallstück sind bei der AC 307 Privilege extrem weit vom Ventilstock positioniert.

Slotting hin oder her: Die größte Stärke der 307 Privilege ist die innere Stimmung. Man bekommt den Eindruck, als falle das klangliche Zentrum (also der Punkt, an dem ein Ton am besten klingt) mit dem Stimmungszentrum (das ist der Punkt, an dem ein Ton im Verhältnis zu den anderen bezüglich seiner Frequenz zu sein hat) über den gesamten Tonumfang zusammen. Das ist bei ganz wenigen Trompeten der Fall und hilft allen Spielern, heißt aber nicht automatisch, dass man immer stimmt. Wie bereits erwähnt, spielt sich die Trompete aufgrund der Bauweise nicht immer wie auf Schienen, man kann also trotzdem daneben liegen. Es sind dann aber mehr die Ohren das Problem.

Der Klang: französisch – oder kernlos

Französische Fabrikate galten gemeinhin als Pioniere der modernen Perinettrompete. Allen voran die schon öfter zitierte French Besson, die als Matrize für die ersten Bach-, Benge- und Calicchio-Hörner herhielt. Sie weist ähnliche Spieleigenschaften auf wie diese jüngere Französin, klingt aber wie diese auch verhältnismäßig unbedeutend, lieblich und unter Gas gerne hell oder gar schrill, auf jeden Fall aber kernlos. Die durchschnittlichen Geschmäcker haben sich wohl verändert. Ein jüngeres Ideal verlangt nach mehr Substanz und eben einem klanglichen Nukleus. Antoine Courtois hat hier wohl lange die Fahnen einer möglicherweise überholten Klangkultur hochgehalten. Selmer hat sich davon mit seinen schweren Trompeten bereits früher entfernt. Kurzum: Der Klang überzeugt weder beim Spieler, aber auch nicht davor und schon gar nicht auf lange Distanz. Die Projektionseigenschaften sind leider nicht lobenswert.



Wer den satten Klang einer modernen Trompete nicht braucht (das hängt natürlich von der persönlichen Vorliebe und dem Einsatzgebiet ab), darf sich auf traumhafte Ventile, eine hervorragende Ansprache und superbe Stimmung freuen, falls er im Internet eine Antoine Courtois 307 Privilege ergattert hat und diese sich gerade auf dem Weg befindet. Für lautes Spiel, das nicht in Plärren ausarten darf, sollte man sich ein anders konzipiertes Werkzeug zulegen. In der Ausführung Silber macht die recht nackte Französin übrigens optisch ein bisschen mehr her, wenngleich dieses Reduzierte, aber eben nicht Spartanische auch einen Reiz ausübt. Und die edle Herkunft kann man sowieso nicht verhehlen – schließlich prangen die Initialen als Fingerhaken auf dem Mundrohr wie ein Siegelring am Finger eines Adligen.

[table caption=“TrumpetScout Old Love Quantifier“ width=“700″ colwidth=“300|400″ colalign=“left|left|center|left|right“]
Your new girl friend?,Sicher ein gutes Back-up-Horn.
Preis?,400 – 700 Euro Preiswert!
Dauerbeziehung?,Nur als Ersatztrompete. Amour fou!
[/table]