Is it fantastic to play on plastic? Allgemeines zu Kunststoffmundstücken

Blechblasinstrumenten und Kunststoff sind – das ist klar! – kein Glamour Couple. Dennoch gibt es seit Jahrzehnten (Trompeten-)Mundstücke, die nicht aus Metall, sondern aus Plastik gemacht sind. Führen sie aus guten Gründen eine Nischenexistenz als „Frostschutz“ bei winterlichen Außeneinsätzen oder können sie eigentlich mehr?

Vor allem Trompeter in Blaskapellen werden das Problem kennen: Der Sommer ist vorüber und es steht die Jahreszeit an, in der es zwar keine Bier- oder Weinfeste mehr gibt, aber immer noch Spielverpflichtungen unter freiem Himmel. Zwischen Krippenbläserei, Trauermusik auf dem Friedhof und Karnevalsumzügen gibt es jede Menge zu tun. Blöd nur, dass die Lippen bei einstelligen Plus- oder gar Minusgraden nicht mehr so flexibel sind wie bei Zimmertemperatur. Und dann müssen sie beim Musizieren noch ein metallenes Mundstück küssen, das die letzte verbliebene Wärme aus der Haut zieht. Brrrr…

Doch der Zwang hat seine Grenzen: Mit einem Mundstück aus Kunststoff kann man die thermische Belastung zumindest reduzieren. Denn egal ob man sich wetterbedingt vorkommt wie in einem Historienfilm über die Belagerung von Stalingrad – ein Rand aus Plastik fühlt sich in sekundenschnelle warm an.

Kältekomfort auf Kosten des Klangs? Was bewirkt Plastik beim Trompetenmundstück?

Ein Mundstück, das der Form und Größe nach einem konventionellen aus Messing gleicht, aber aus Kunststoff gemacht ist, muss leichter sein. Wie viel leichter? Satte 88 % waren es in der Testmessung zwischen einem pTrumpet 3C und einem no name 3C-Mundstück. Anders formuliert: Der Messing-Pott ist mehr als acht mal so schwer. Die Auswirkung dieser Diät müsste brachial ausfallen, wo doch bekannt ist, dass jedes Gramm an der Trompete folgenschwer ist. Natürlich spielt die Steifigkeit des Materials auch eine Rolle (siehe Karbontrompete), allerdings ist Kunststoff in Röhrenform nicht gerade für seine Torsionsfestigkeit bekannt, sondern eher für seine dämpfenden Eigenschaften. Kann das also ohne Verluste ausgehen?

Trompetenlegende Bobby Shew auf einem Kunststoffmundstück. Foto: Kelly Mouthpieces

Jein. Und es hängt davon ab. Im Grunde nicht, aber… Um diese Frage zu klären, muss man Verlust und Gewinn definieren. Es gibt Trompeter wie Bobby Shew und Rüdiger Baldauf, die in gewissen Situationen zum Plastikmundstück greifen, weil es eine positive Veränderung bringt. Die besteht darin, dass der Ton weniger hart klingt als auf einem gleichen Messingmundstück. Das Material ist zwar spröder, der Sound aber weicher. Das geringere Gewicht verschlechtert die Penetranz (und wahrscheinlich auch die Projektionseigenschaften), wirkt also wie ein Negativ-Booster (also ein „Loseter“?). Ein Messing-Top mit nur elf Gramm wäre wahrscheinlich papierdünn, nur sehr aufwendig zu fertigen und sehr giftig im Klang. Das Plastikpendant ist dagegen – das lässt sich mit absoluter Sicherheit sagen – absolut spiel- und hörbar. Dennoch: Für brachiale Einsätze und durchsetzungsstärksten Klang führt am Metall kein Weg vorbei.

Hybridvarianten: mit Kunststoffrand oder Metallmanschette

Wer also den Vorzug von Behaglichkeit mit der Durchsetzungsfähigkeit von höherem Gewicht kombinieren will, muss auch Werkstoffe kombinieren. Zum einen bieten Hersteller von mehrteiligen Mundstücken teilweise einen Schraubrand aus Plastik oder gar hartem Gummi an. Zum anderen gibt es mit Brand auch einen Produzenten, der auf einen Kunststoffkorpus setzt, den man mit einem passenden Metall-Booster beschweren kann. Wie gut das funktioniert, also einen Unterschied bewirkt, bleibt dem Hörer überlassen (siehe bzw. höre Video). Als Bläser bemerkt man die leicht erhöhte Tonerzeugungshürde.

Kleine Korrektur: Im Video wird fälschlicherweise behauptet, dass Brand keine Mundstücke in Bach-Größen herstellt. Das stimmt nicht!

Der TrumpetScout bekam aus der Schweiz zwei Testexemplare zugesandt, die nach diesem Prinzip ihr Einsatzspektrum vergrößern können sollen. Das nackte Kunststoffmundstück wiegt dabei 13 Gramm (also nur unwesentlich mehr als das Modell von pTrumpet), mit Booster-Gewand kommt es auf 59 Gramm, was immerhin schon 64 % der Messingvariante entspricht. Eine Lücke ist dabei immer noch vorhanden (und auch zu spüren), möglicherweise legt man hier aber noch nach. Das TrumpetScout-Lead-Mundstück mit „eingebautem“ Booster wiegt männliche 106 Gramm. Diese zeigen Wirkung – besseres Slotting, bessere Projektion, mehr Kern, aber auch eine schlechtere Ansprache.

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Der haptische Nachteil einiger Kunststoffmundstücken

Die klanglichen und spielerischen Eigenheiten von Kunststoffmundstücken haben wir abgearbeitet: vergleichsweise weicher und intimer Klang, theoretisch eine verbesserte Ansprache bei zugleich weniger Projektionsfähigkeit. Kommen wir aber noch einmal zum für viele ausschlaggebenden Kaufargument zurück, nämlich der Haptik auf den Lippen. Es gibt unbestreitbar den Vorteil gegenüber Metall bei niedrigen Temperaturen. Bei normalen Bedingungen ist das Material, spezieller: die Oberfläche aber mit Vorsicht zu genießen. Sie ist bei den meisten (und wahrscheinlich eher günstigen Plastikmodellen) ganz einfach sehr glatt und fühlt sich amorph, fast schmierig an, ganz so, als würde das Material weich werden wie Butter im Wohnzimmer. Wer das Bite-Gefühl auf der (Ober-)Lippe (wie der TrumpetScout) ganz dringend braucht, bekommt damit auf Dauer Probleme.

Brand ist diesen Makel angegangen und hat den Randbereich über einen angesetzen Ring mit einer feinen Struktur versehen, sodass er sich nicht rutschig anfühlt:

Kunststoffmundstück kaufen oder nicht?

Sollte man das Wagnis Kunststoffmundstück eingehen? Naja, ein Wagnis ist es nicht gerade, denn Mundstücke aus Plastik sind alles andere als Luxusobjekte. Das pTrumpet kostet um die 10 Euro und kann somit auch bedenkenlos nur für gelegentliche Kälteexkursionen mit instrumentaler Begleitung in die Mundstücktasche wandern. Die Brand-Modelle liegen zwischen 50 und 70 Euro, sind also immer noch günstiger als die meisten Messing-Mundstücke auf dem Markt, bieten aber eine sehr große Auswahl an verschiedenen Kesseln, Rändern und Bohrungen. Teuer wird es dort erst mit Booster, der ähnlich viel kostet wie das Mundstück selbst.

Beiden gemein ist übrigens die Wahl von auffallenden Farben (wenngleich ein Plastikmundstück immer auffällt). Aber da wären wir wieder beim Karneval – und in Schwarz auf dem Friedhof. Kunststoff kann aber tatsächlich mehr als nur vor Kälte schützen – nämlich auch warm klingen.