Die große Liebe: Large Bore-Trompete Flip Oakes Celebration

Der TrumpetScout machte noch nie einen Hehl aus seiner Vorliebe für Trompeten mit hohem Widerstand. Manchmal findet aber auch der notorische Fleischesser großen Gefallen am Seebarsch – er muss halt gut zubereitet sein. Die Geschichte einer Liebe auf den zweiten Blick.

Es war vor ein paar Jahren, als der TrumpetScout zum ersten Mal in ein Instrument des amerikanischen Trompetenbauers Flip Oakes blies.

Flip Oakes. Das klingt nicht einmal wie ein gewöhnlicher Name. Eher wie die Aufforderung, Bäume zu wenden. Nun, bekannt war die Marke trotzdem, und zwar durch das Modell Wild Thing, zu dem auch Arturo Sandoval hin und wieder greift. Praktisch sind die Hörner aus dem Ein-Mann-Unternehmen aber hierzulande nicht greifbar. Händler oder dezidierte Importeure gibt es nicht. Das besagte Instrument entstammte aus einem Direktkauf aus den USA – und aus zweiter Hand. Der Käufer? Ein Freund, der nach einem dunklen Ton, offenem Blasgefühl und guter Ansprache begehrte.

Hier ein bisschen Bach, da ein bisschen Getzen und dort ein wenig Calicchio. Die Celebration von Flip Oakes wirkt wie ein Konglomerat aus verschiedenen Teilen. Von der Wild Thing ist sie – abgesehen von der Gravur – äußerlich nicht zu unterscheiden.

Weil jener Trompeter aber doch nicht fand, was er suchte, wurde die Celebration für den TrumpetScout zu einem Übeinstrument während eines Heimaturlaubs. Ihre Ansprache war formidabel, das Slotting dafür aber unterhalb von gehtso anzusiedeln und der Widerstand einfach zu gering, um in der Höhe sicheren Halt zu finden oder kräfteschonend spielen zu können. Ein leichtes Large Bore-Gerät wie aus dem Lehrbuch, aber auch mit allen Tücken dieser Bauart.

Die Celebration führte zu einer wahren Trompeten-Fiesta

Nachdem in der Folge die mittlerweile an einen TS-Leser verkaufte Connstellation mit Tuning Bell zur Urlaubstrompete geworden war, erhielt die Celebration aber im Frühjahr 2019 noch einmal eine Chance. Und dieses mal war irgendetwas anders. Plötzlich gefiel der Sound ganz außerordentlich. Plötzlich zeigte sich die Trompete sehr variabel. Plötzlich konnte die Leichtigkeit in der Tonproduktion auch im höheren Register genutzt werden. Und – vielleicht weniger plötzlich – war auch das Thema Ausdauer keine Argument mehr gegen diese Trompete. Nach ein paar Urlaubstagen entschloss sich der TrumpetScout auf jeden Fall, die Celebration einzupacken, um sie ausgiebiger testen zu können. Daraus wurden einige Monate voller Trompetenglück, mit Einsätzen in allen Genres und an allen Stimmen. Monate, die leider irgendwann im August ganz ohne Abschiedsfeierlichkeiten zu Ende gingen. Das rare Exemplar ging bei einem neuerlichen Heimatbesuch zurück an seinen Eigentümer.

Large bore – what else? Das macht die Celebration aus!

Damit es gleich abgehakt ist: Ja, die Bohrung hat – wie fast alle Modelle von Flip Oakes – das Maß 0,47 Zoll, was 11,94 mm entspricht. Und ja, das ist groß. Bei allem, was daneben die Celebration definiert und vor allem sie von der Wild Thing unterscheidet, wird es spekulativ, da es der Entwickler und Markeninhaber offensichtlich vermeidet, die interessanten Details preiszugeben. Was aber gesagt wird: Alle Züge der Wild Thing können mit denen der Celebration getauscht werden. Prinzipiell aber soll die Celebration etwas weniger offen gestaltet sein als die Wild Thing. Das könnte einfach über das Mundrohr gelöst worden sein. Beim ‚wilden Ding‘ setzte man zunächst auf ein Design à la Bach 25-O und wechselte dann auf ein vermeintlich engeres ähnlich dem Bach-Typ 43. (Laut Bach ist das 43er aber weiter als das 25-O…) Vielleicht kommt bei der Celebration einfach eines der gängigen 25er Form zum Einsatz? Flip Oakes persönlich erklärte dem TrumpetScout nach postalischem Hin und Her, dass tatsächlich auch ein 43er verbaut wurde. Wo also unterscheiden sich die (eineiigen) Zwillinge? Es bleibt ein Geheimnis, auch wenn ein kurz vor Fertigstellung dieses Testberichts verfasster Artikel mit Insiderinformationen aufwartet. Schließlich widersprechen einige Angaben denen, die direkt von Flip Oakes stammen.

Die Ventildeckel ohne sichtbaren Gummi oder Filz erinnern an Calicchio, sind aber ein Charakteristikum von Hersteller Kanstul. Außerdem kommen Messingführungen zum Einsatz.

Was feststeht: Das Mundrohr ist aus Gelbmessing gefertigt und dürfte damit der schnellen Ansprache Vorschub leisten. Das obere und untere Rohr, die gemeinsam den Stimmzug aufnehmen, glänzen neusilbern, genauso wie die Außenzüge der Maschine. Soweit ist das bekannt von eher schweren Trompeten nach Art einer klassischen Stradivarius. Die Mundstückaufnahme im Sechskant-Design verführt ebenfalls zur Annahme, das es sich um ein Modell der Marke mit vier Buchstaben und Reibelaut handelt.

Beim Stimmzug ist eine eindeutige Angabe von vornherein schwierig. Von der Stange liefert Flip Oakes immer zwei Varianten, das Modell #1 und #2, wobei zwischen diesen Welten liegen, auch wenn sie numerische Nachbarn sind. (Hier die Seite mit allen erhältlichen Stimmzügen.) Im Falle der getesteten Trompete waren aber zwei andere Modelle steckbar: Einmal die #3 mit ML-Oberzug, ML-Bogen, L-Unterzug sowie eingelöteter Stütze und einmal #J4 mit ML-Oberzug, aber L-Bogen und L-Unterzug sowie ohne Stütze. Statt Wasserklappen setzt der Wahlkalifornier bei seinen Instrumenten auf Auslässe mit Schiebezylindern.

Alle Stimmzüge sind rund gestaltet. Die J-Varianten verfügen über keine Stütze.

An dieser Stelle passt ein Blick auf die Waage sehr gut. Mit dem 3er-Stimmzug bringt es die Flip Oakes Celebration auf 1.025 Gramm, mit der J-Ausführung gar nur auf 1.008 Gramm. Damit ist diese Trompete definitiv im Bereich der leichten angesiedelt. Und das trotz Neusilberaußenzügen, trotz Stoppermechanik am ersten und am dritten Ventilzug und trotz Kreuzelführung aus Metall. Irgendwo wird also auch Material gespart. Gemäß dem bereits verlinkten Forumseintrag geschieht genau dies bei den Innenzügen. Diese entstammen nämlich ursprünglich der Kanstul-Standardmaschine mit 0,46 Zoll und wurden quasi auf 0,47 Zoll Innendurchmesser aufgebohrt. Das entspricht einem Viertelmillimeter und ist eine ganze Menge. Die dünnen Röhrchen sind wohl ein – wie so oft in der Trompetenentwicklung – zufällig entdecktes Rezept für eine bessere Ansprache.

Von außen unscheinbar. Aber die Innenzüge sind dünner als gewöhnlich.

Der Schallbecher – open wide

Ein Charakteristikum der Wild Thing ist der weite Becher. Bei der Celebration sind die Angaben wiederum weniger klar. Angeblich ist hier die Bell enger. Doch man sieht mit bloßem Auge (der TrumpetScout wurde von Kollegen sogar darauf angesprochen!), dass die Glocke auch hier extrem früh aufmacht. ‚Weit‘ ist nämlich nicht zu verwechseln mit ‚groß‘, was sich gemeinhin auf den Durchmesser am Schallstückende bezieht. Der TrumpetScout maß hier nämlich lediglich 124 mm (wenngleich auch schon von 5 Zoll, also 127 mm zu lesen war). Dieses frühe Öffnen führt zu einem tendenziell dunkleren und breiteren Klang. In der Bach-Welt würde man diese Eigenschaften am ehesten einem 72er Becher zuschreiben. Besonderheit hier: Der Ausgang des Maschinenstocks gibt bereits ein offenes Maß, eben die sehr große Bohrung, vor.

Der Schallbecher ist einteilig und aus Gelbmessing gefertigt, das nicht allzu dick gewalzt worden sein dürfte.

Flip Oakes Celebration: Spielgefühl und Klang

Um die Spiel- und Klangeigenschaften der Celebration zu beschreiben, soll ein Statement der Flip Oakes-Webseite als Ausgangspunkt dienen:

The Celebration trumpet provides ease of flexibility and movement with reliable strong slotting, ensuring fast response, superb intonation and expansive carrying power.

Flexibilität? Oh ja! Das hat sie wie kaum ein anderes Horn. Und hier vermischen sich die Perspektive des Spielers und des Zuhörers. Die Celebration ist für beißende Latin-Einwürfe gut, aber auch für das Orchester oder für ein samtiges Solo im Piano und mit Pianobegleitung. Sie fühlt sich aber auch in allen diesen Bereichen gut an.

Gutes Einrastverhalten? Naja. Derart offene und großgebohrte Trompeten haben hier nie ihre Kernkompetenz. Der TrumpetScout hat sich aber schnell an die Eigenheiten gewöhnt und ist bald nicht mehr über Intonationsprobleme gestolpert.

Schnelle Ansprache? Definitiv eine der besten Trompeten in dieser Kategorie – und das Erste, was dem TrumpetScout bereits beim ersten Anblasen vor Jahren auffiel. Das macht ungemein Freude und gibt Sicherheit – beim leisen Spiel und im tiefen Register.

Herausragende Intonation? Eigentlich schon besprochen. Gut, aber durch die Offenheit immer ein wenig kompromittiert. Man muss (hier noch mehr) den Ton einfach bereits gut im Ohr haben.

Weitreichende Projektion? Für die Weite des Schallstücks sicher sehr gut, aber wahrscheinlich nicht unter den allerbesten. Das soll aber kein Nachteil sein. Das Frequenzband der Trompete verschafft ihr sicher ausreichend Gehör.

Die Wahl des TrumpetScout fiel zumeist auf den Stimmzug mit Stütze. Am unteren Fuß ist zudem die Ziffer 3 für das gleichnamige Modell eingestanzt.

Für den TrumpetScout ein mittleres Wunder war, dass er mit diesem Horn auch bei längeren Einsätzen sehr gut zurechtkam. Es war, als würde er irgendwann den Dreh raushaben und mit dem geringeren Widerstand sehr gut zurechtkommen. Zugegebenermaßen war der Stimmzug mit Stütze der präferierte, und der erzeugte deutlich mehr Gegendruck als der ungleiche Bruder.

Der Sound selbst war trotz des vielen Messings nicht zu scharf und hell, was wahrscheinlich auf die Rohrverläufe zurückzuführen ist. Das Paket hat hier einfach gestimmt. Die Celebration ist ein unglaublich guter Allrounder.

Einzige Downside: Die Ventile sind okay, aber einfach nicht so spitzenmäßig wie der Rest des Instruments.

Die Flip Oakes Celebration: ein Vintage-Modell?

Wie bereits eingangs erwähnt: Flip Oakes-Trompeten sind in Europa selten anzutreffen und Celebration-Modelle wahrscheinlich an zwei Händen abzuzählen. Hinzu kommt, dass Produzent Kanstul vor einiger Zeit seine Tore (leider) für immer geschlossen hat. Neue Trompetenmodelle werden „abroad“ (übersetzt: in Asien) hergestellt, die alten sind erst einmal nicht mehr verfügbar, auch wenn sie noch auf der Webseite gelistet sind. Im Grunde sind Flip Oakes vom alten Schlag also vergriffen und nur noch über den Gebrauchtmarkt zu ergattern. Der TrumpetScout sieht das mit zwei weinenden Augen.

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Eine Einschätzung bezüglich des Wertes würde bei den wenigen sich im Umlauf befindlichen Instrumenten auf nichts fußen. Flip Oakes verlangt(e) für eine neue Celebration knapp 3.200 US-Dollar, womit man mit Einfuhrumsatzsteuer plus Frachtkosten und Zoll bei runden 3.500 Euro gewesen wäre. Ob da die knappe Hälfte, die der aktuelle Eigentümer des Testmodells für sein Exemplar mit einigen Lackfehlern haben möchte, angemessen erscheinen, bleibt jedem selbst überlassen. Wer das Instrument einmal anspielen kann, wird aber sicher in Feier- und eventuell auch Spendierlaune geraten.

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