Liebe auf den ersten Ton: die Kühnl & Hoyer Spirit

Kühnl & Hoyer ist ein fränkischer Hersteller von vornehmlich Trompeten und Posaunen – mit einer etwas in die Jahre gekommenen Webseite, doch einem wirkungsvollen Verkaufsargument: Qualität zu vernünftigem Preis und zu 100% made in Germany. Der TrumpetScout hat dem Fast-Topmodell Spirit auf den Zahn gefühlt und sich beinahe eine handfeste Liaison eingehandelt.

Kein besonderer Auftritt: Lackierter Korpus und Neusilber-Außenzüge. Lediglich das massige Dreieck im Stimmzug fällt auf.
Kein besonderer Auftritt: Lackierter Korpus und Neusilber-Außenzüge. Lediglich das massige Dreieck im Stimmzug fällt auf.

Ein 90er Jahre-Webauftritt, keine Facebook-Seite, wo gibt’s denn noch sowas? In Markt Erlbach, zwischen Nürnberg und Würzburg, wo Kühnl & Hoyer seit Firmengründung 1948 verortet ist. Marketing: Fehlanzeige. Der Erfindergeist dagegen ist riesig. Das sagt zumindest ein Insider, der mit Dieter Kühnl, dem Geschäftsführer, schon Jahrzehnte eine Geschäftsbeziehung unterhält und selbst Trompeten baut, also weiß, wovon er spricht. Bei fast jedem Telefongespräch sei von neuen Ideen und Prototypen die Rede. Das Thema Nachhaltigkeit, vor allem sozio-ökonomisch, ist aber vielleicht das größte bei diesem deutschen Unternehmen: Denn alle Instrumente werden komplett in heimischer Produktion gefertigt. Das schadet sicher nicht der Qualität und sichert Arbeitsplätze. Das Beste für den Kunden: Dennoch sind die Instrumente von Kühnl & Hoyer leistbar, eigentlich sogar geradezu okkasionell günstig. Für den heutigen Test begibt sich der TrumpetScout fast bis ans obere Ende der K&H-Preisliste und landet doch nur bei einem Straßenpreis von 2049 Euro – und dem Modell Spirit in der Goldmessing-Ausführung.

Kühnl & Hoyer Spirit: Zweiteiliges Schallstück, einhellige Begeisterung

Eingangs war die Rede von einem Fast-Topmodell. Das liegt an der zweigleisig geführten Trompetenpalette von Kühnl & Hoyer: Es gibt die individuell getauften Typen von Sella bis eben Spirit und es gibt eine Serie von Instrumenten, die den Namen des wichtigsten Trompeten-Endorsers der Marke, des deutschen Ansatzpapstes Malte Burba, zumindest als Beinamen tragen. Die Premium der Malte Burba-Reihe rangiert – zumindest preislich – eben über der Spirit.

Eindeutig zweiteilig: Der Becher der Kühnl & Hoyer Spirit.
Eindeutig zweiteilig: Der Becher der Kühnl & Hoyer Spirit.

Das Testmodell (Spirit G S1) wurde in der Ausführung mit dem normalgewichtigen Goldmessing-Schallstück (ganz eindeutig zweigeteilt) und lackiert zur Verfügung gestellt. Den Zugstopper am ersten Zug konnte – entgegen der Beschreibung auf der Herstellerseite – nicht gefunden werden, wurde aber auch nicht vermisst. Ein Koffer wäre prinzipiell schön, aber besser, er bleibt eine Option als dass der Startpreis obligatorisch höher liegt und man ein Case finanzieren muss, obwohl man es eventuell gar nicht braucht (die meisten Trompeten dürfen erst wieder in Ihren Koffer, wenn sie entweder eingemottet oder verkauft werden, ansonsten übernachten sie in Gigbags). Weiter fallen recht massive untere Ventildeckel mit Gummiringen auf und eine Grundarchitektur, die stark an eine Bach Stradivarius erinnert: Ein Schallstückdurchmesser von 123 Millimetern, ML-Bohrung eine Gesamtmasse oberhalb der Mittelgewichtsliga, Neusilber-Garnitur und konventionelle Stimmzugkonzeption. Das verspricht Kern, aber keine gute Ansprache.

Liebe auf den ersten Ton: Die Kühnl & Hoyer Spirit G spielt wie ein Kornett.

Große Verwunderung vielleicht gerade deshalb beim ersten Anblasen: Das Instrument spricht butterweich an, zündet nicht wie ein Knallfrosch, sondern berührt mit lyrischer Wärme. Was zugegeben extrem schmalzig und fast schon nach schreiberischem Weichzeichner klingt, ist aber – man verzeihe dieses Oxymoron – gefühlte Tatsache. Sofort will man die Klassikliteratur herausholen, üben und von nun an nur noch in den Fußstapfen großer Bravour-Trompeter wandeln. Mit dem bewährten Bach 3C (im Test kommt ausnahmsweise nur dieses Mundstück zum Einsatz) klingt die Spirit schon ein bisschen wie ein Kornett, mit einem noch tieferen Mundstück fast schon wie ein Flügelhorn. Dennoch rastet sie extrem diszipliniert und gibt nicht diffus Töne frei. Im Gegenteil: Den Tester derart in Sicherheit gewogen haben bis nur wenige (oder auch gar keine?) andere Trompeten. Diese Trompete vollbringt den Spagat zwischen offener Ansprache und superbem Slotting, dass man es kaum glauben mag. Außerdem ist sie durch die gesamte Range vom kleinen G bis zum G3 sehr ausgeglichen – obwohl ohne die von Kühnl & Hoyer angepriesenen und gegen Aufpreis erhältlichen MAW-Ventile ausgeliefert. Bindungen verlieren an Furchtpotenzial, der Zitterfaktor beim süßen Solo-Spiel scheint deutlich reduziert. Irgendetwas an der Konstruktion der Spirit senkt die Anblashürde ohne dass das auf Kosten des benötigten Widerstands für das obere Register geht.



Auch mit einem flacheren Mundstück lässt sich die Spirit formidabel blasen, sie spricht auch jenseits des G3 verhältnismäßig gut an. Für den Einsatz in der Big Band oder der Latin-Brass-Section sollte man aber doch zur Version mit Gelbmessing oder zu einem anderen Horn aus dem Unternehmensregal greifen. Der Ton ist zwar groß und die Trompete vermag auch zu projizieren, das rötliche Material lässt aber an Giftigkeit und Biss vermissen. Die Spirit G ist einfach ein Instrument, das die klassische Kornett-Literatur zum Erklingen bringen möchte. Diesem Wunsch will man als Spieler gerne nachkommen.

Kühnl & Hoyer Spirit G: Eher spiritus sanctus als Spirit of America

Auch wenn die Spirit von Kühnl & Hoyer abgesehen von den Amado-Wasserklappen doch sehr an eine prototypische Bach erinnert (und in der lackierten Version alles andere als aufregend aussieht), so klingt und spielt sie sich doch erfreulicherweise ganz anders. Die Trompete spricht gut an, erzeugt aber keinen besonders spritzigen Ton im Sinne von hell oder gar giftig. Statt dem Spirit of America einer Stradivarius, der bei Trompetern in der ganzen Welt gut ankommt, versprüht die deutsche Trompete trotz Stahlventilen (auch eine ur-deutsche Erfindung mit dem Charme der Unendlichkeit) eher den Geist von Bach (also dem Komponisten) und damit den spiritus sanctus in Form eines fast übermenschlich zärtlichen Tones (die Begeisterung bringt einen als Test-Protokollant dazu, immer wieder in den Schmalztopf zu greifen) und ungewöhnlich viel Sicherheit bei unangenehmen Intervall-Hürden.

Wohl maßgeblich für den warmen Klang des Testinstruments verantwortlich, aber sicher nicht für die extrem gute Spielbarkeit der Spirit: Das Schallstück aus Goldmessing.
Wohl maßgeblich für den warmen Klang des Testinstruments verantwortlich, aber sicher nicht für die extrem gute Spielbarkeit der Spirit: Das Schallstück aus Goldmessing.

Die Kühnl & Hoyer Spirit ist gewichtsmäßig beinahe auf Stradivarius-Niveau, ist aber kein schwerer und unflexibler Brummer, sondern im Gegenteil eine leichtfüßige Hybrid-Trompete, die auch Kornett sein kann und sowohl Anfängern als auch Profis große Freude bereiten wird. Die Intonation ist gut, wer sie mit einem größeren bzw. tieferen Mundstück spielt – was besser zu ihr passt -, wird aber naturgemäß mehr justieren müssen als mit einem kleinen Kessel. Ihr größter Pluspunkt ist in der Goldmessing-Ausführung der warme Klang, bei dem man eigentlich schwach werden muss und, wahrscheinlich auch mit Gelbmessing- bzw. dünnwandigem Becher, die Nonchalance, die sie dem Spieler beim Thema Bindungen verleiht. Außerdem: Für eine Bach mit Kupferanteil muss man aktuell fast 70% mehr bezahlen. Warum dann nicht lieber „Made in Frankonia“?

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What is she offering?,“Sweet sound, superb response, smooth steel valves “

Your new girl friend?,“Wenn Bindungsangst kein Thema mehr sein soll.“ 9/10

Preis?,2.050 Euro. Nicht viel für 100% Made in Germany.
Dauerbeziehung?,“Es spricht nichts dagegen! Mehrfach nachhaltig!
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Das Testinstrument wurde TrumpetScout freundlicherweise zur Verfügung gestellt von FMB Fachmarkt Blasinstrumente GmbH aus Gütersloh.