Olds Ambassador: Wie gut ist die Discount-Vintage-Trompete?

Roy Hargrove hat sie gespielt und trotzdem bekommt man so eine Trompete für einen Apfel und ein Ei bei Ebay und ähnlichen Online-Börsen. Was ist dran am Mythos des ewig unterbewerteten amerikanischen Vintage-Horns? Was kann sie und was ist sie wert – die Olds Ambassador?

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Eine Trompete mit Minimalausstattung – die Olds Ambassador.

Olds war ein großer und populärer amerikanischer Instrumentenhersteller, dessen Hochzeit zwischen Ende des Zweiten Weltkrieges und den späten 60er Jahren lag. Bei den Trompeten waren Modelle wie die Special, Super, Studio oder Recording sehr beliebt unter namhaften Profis (und sind auch heute noch heiß begehrt). Absolute Aushängeschilder wie Rafael Mendez oder Clark Terry bekamen gar eigene Instrumente auf den Leib geschneidert. Am meisten verkauft wurde aber das Einsteigermodell, die Ambassador.

High School-Horn aus dem „one tolerance shop“

Ende der 40er Jahre wollte man damit den riesigen High School-Markt bedienen, schließlich lernt man in den USA ein Instrument traditionell direkt in der Schule. Um den eigenen guten Ruf nicht zu gefährden, entschlossen sich die Inhaber dazu, beim Schülermodell zwar zu sparen, jedoch nur bei der Ausstattung und nicht bei der Fertigungsqualität. Hier sei gerne noch einmal auf den Wikipedia-Artikel verwiesen, der den frühen Entwicklungsleiter R. Dale Olsen zitiert. Dieser soll von Olds als einem „one tolerance shop“ gesprochen haben, also einer Werkstatt, die bei den Fertigunstungstoleranzen keinen Unterschied zwischen den teuren und günstigen Instrumenten macht. Hierin liegt sicher ein Grund dafür, dass die Ambassador zum ständigen Budget-Geheimtipp avanciert ist.

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Keine Stützen im oder beim Stimmzug und ein variabler Fingerring sind auch heute noch Indikatoren für ein Schülerinstrument.

Wenige Jahre nach Einführung der Ambassador-Trompete im Jahre 1948 zog die Produktion von Downtown Los Angeles nach Fullerton um. Das ist insofern wichtig, als dass die ersten Exemplare mit LA-Gravur bei Sammlern begehrter sind und ergo teurer. Ob sie besser funktionieren, sei dahingestellt. 1960 übernahm die erst im letzten Jahr verstorbene Blechinstrumentenbau-Ikone Zigmant Kanstul die technische Kontrolle bei Olds (was prinzipiell der Qualität keinen Abbruch tat) bis er in den 70ern zu Benge wechselte. Olds war zu diesem Zeitpunkt aber bereits ein echter Massenproduzent und hatte als zweiter Instrumentenhersteller die Millionenmarke (wohlgemerkt als „Vollsortimenter“) übersprungen. Dennoch schloss die Firma 1979 nach einer Übernahme, in deren Folge die Qualität sank und die Marke an Zugkraft verlor, ihre Tore. Das Inventar wurde verkauft, Olds macht seinem Namen alle Ehre und war nicht mehr Teil der Gegenwart, sondern Geschichte.

Wo wurde bei der Olds Ambassador gespart?

Nach diesem kleinen historischen Exkurs schauen wir nun aber, was von dieser Geschichte an konkreten blechernen Artefakten übrig blieb und nehmen den Bestseller unter die Lupe. Zunächst fällt bei der Ambassador die Position des Maschinenstocks auf. Der wurde ca. 2 cm weiter in Richtung Becher versetzt und ist damit zentraler, wenngleich bei Weitem noch nicht mittig (Überstand ungefähr 16 bzw. 25 cm statt 14 bzw. 27 cm bei einer konventionellen Trompete). Das verbessert die Balance des gesamten Instruments. (Dieses Konzept ist bekannt, z.B. von Louis Armstrongs Selmer-Trompete, bei der es allerdings rücksichtslos umgesetzt wurde.) Weiter fällt die spärliche Ausstattung mit Fingerhaken und Stützen ins Auge. Der erste Zug hat weder Fingerring noch Daumensattel (das hatten andere Olds aber auch nicht, dafür aber teilweise einen Trigger), eine Stütze bei oder im Stimmzug ist nicht vorhanden und der dritte Zug muss ohne Führung bzw. Stoppmechanismus auskommen, ist aber mit einem verstellbaren Fingerring versehen. Alle Züge sind beidseitig zu stecken, d.h. auch Zug 1 und 3 wechseln nicht zwischen männlicher und weiblicher Gestaltung. Das sticht dem Trompetenkenner gerne als Merkmal einer günstigen Trompete ins Auge und ist heutzutage kaum mehr anzutreffen. Bei Olds jedoch muss man das richtig einordnen; Sogar die teuersten Modelle Mendez, Opera und Recording waren so konstruiert.

Es wurde also bei den Stützen gespart, es gab kaum Neusilberteile, keinen Triggermechanismus und das Schallstück dürfte aus vergleichsweise dickem Material gefertigt worden sein (was leichter zu verarbeiten ist und damit weniger Aufwand verursacht). NICHT gespart wurde hingegen bei der Maschine, (wenn man der Aussage oben Glauben schenken darf) bei der Fertigungstoleranz und bei der grundsätzlichen Konstruktion  die Zug- und Gesamtarchitektur betreffend.

Maße, Bohrung und Gewicht der Olds Ambassador

Die Ambassador, die dem TrumpetScout für diesen Zweck vorliegt, stammt aus den 70er Jahren, also den für Sammlern uninteressantesten Jahrgängen. Ein vor wenigen Jahren besessenes 60er Modell sah aber genauso aus und spielte sich nicht deutlich anders. Es ist davon auszugehen, dass sich formal über die Jahre nichts änderte. Das eine besser ist als die andere, ist mit üblichen Verfahren sowieso nicht auf Feinstunterschiede bei den Maßen zurückzuführen. Es wird im Folgenden also von einer auf alle geschlossen: Die Bohrung beträgt 11,66 mm (ML), das Schallstück hat einen Durchmesser von 123 mm (und erinnert den Verlauf betreffend an ein Bach 37) und das Gewicht beträgt 1.104 Gramm. Damit ist das als Schülerinstrument konzipierte Horn nach Zahlen sehr unauffällig. Das täuscht jedoch. Das mittlere Gewicht verteilt sich nämlich ungewöhnlich. Da die Anbauteile (wie wir gesehen haben) auf das Nötigste begrenzt sind, muss sich das Gewicht irgendwo verstecken. In Frage kommt der Receiver, der nicht gerade filigran gefertigt ist, und die schwere Glocke. Beiden Teilen merkt man ihre Solidität an. Es handelt sich also um einen „Brocken“ am Anfang und einen „betonierten Schacht“ am Ende. Andere Trompeten verfolgen die gegenläufige Strategie und platzieren Gewicht in der Mitte beim Maschinenstock, erleichtern dafür aber Becher und Mundrohr. Welche Folge hat nun aber die eigenwillige Ambassador-Umsetzung?

Ansprache, Klang und Projektion: Wie diplomatisch ist „die Botschafterin“?

Allgemein wird die Ambassador sehr für ihre Ansprache gelobt. Vielerorts liest man, sie blase sich wie eine sehr große Trompete, gar wie eine Schilke X3. Das würde der TrumpetScout für seine Erste zweifelsfrei unterschreiben, etwas weniger für die aktuelle, obwohl bei einer Big Band-Probe kurz nach Anschaffung nach anderthalb Stunden bereits total „die Luft raus war“. Es lässt sich aber sicher konstatieren, dass die Trompete eher in der Hemisphäre der offenen anzusiedeln ist. Dafür kann eigentlich nur das Mundrohr verantwortlich sein. Das ist aber ähnlich schwer in seinem verlauf zu erfassen wie der (enge) Teil des Schallstücks.

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Äußerst dickwandig ist das Schallstück der Ambassador und damit wohl dominierendes Bauteil.

Gute Ansprache bedeutet aber auch, dass nur wenig Energie ausreicht, um einen Ton erklingen zu lassen. „Leicht leise spielen können“ heißt das übersetzt. Das können manche Trompeten aber sicher noch besser. Grund dürfte das bereits mehrfach erwähnte starke Blech des Trichters sein. Das lässt sich auch nicht ohne Beschädigung messen, dafür aber mit Erfahrung erfühlen. „Built as a tank“, also gebaut wie ein Panzer (wie in manchen Foren zu lesen ist) – schließlich wird auf Schülerinstrumente selten gut aufgepasst -, wird an diesem Bauteil greifbar. Vorteil dieser Massivität ist eine gute Projektion (manche Hersteller bieten deshalb Heavy-Bells als Option an) und ein „unausbrechlicher“ Ton. Kein Zweifel, beides hat die Ambassador. Sie strahlt im Forte, klingt offen und klar, überhaupt nicht nasal und ist nicht zu überblasen.



Der TrumpetScout tat sich schwer damit, herauszufinden, wie der Becher konstruiert ist. Es ist keine Längs- und auch keine Quernaht zu erkennen. Weder durch den Goldlack noch auf der Innenseite. Handelt es sich also um ein elektrolytisch hergestelltes Schallstück? Mitnichten. Es ist zweigeteilt, der dicke Lack dürfte das aber verheimlichen. Diese Bauart unterstreicht noch einmal den Anspruch als guter Projektor. Sonic Caster wäre daher ein besserer Name als Ambassador. Diese Trompete ist weniger ein diplomatischer Botschafter als ein kerniger Brüller. (Aber heutzutage interpretiert man konsularische Etikette und vornehme Zurückhaltung, gerade als US-Amerikaner, sowieso anders.) Dennoch ist ihr eine gewisse Wandlungsfähigkeit nicht abzusprechen. Mit einem tieferen Mundstück ist sie eine dunkle Klassiktrompete, mit einem flachen in der Höhe ein knallhartes, aber breites Strahltriebwerk und mit Chet Baker-Ambition klingt sie – so das spontane Urteil der geschulten TrumpetScout-Testhörerin – „wie früher, so wie ein Grammophon“.

Ventile und Stimmung

Der Ventilstock der Ambassador sieht beim 40 Jahre alten und lange in einer Tanzband genutzten Instrument noch aus wie neu, die Kolben bewegen sich flink und ohne Hänger und dichten noch sehr gut ab. Das erste Exemplar hat der TrumpetScout alsbald wieder hergegeben, wegen Problemen mit der Stimmung, was jedoch auch mit der Kombination mit dem Mundstück zutun gehabt haben könnte. Eine andere Erklärung dürfte bei der Feineinstellung der Ventile zu finden sein. Oft liest man im Netz nämlich, dass ein „Valve Alignment“ das beste für Ansprache und Stimmung sei, was man einer Ambassador antun könne. Alte oder zu dicke Filze haben anscheinend besonders großen Einfluss auf Intonation und Spielgefühl. in der Tat: Auch bei der aktuellen Olds muss man die Ventile sehr stark drücken, um die kantenlose Verbindung zwischen den Rohren herzustellen. Probleme mit der Stimmung gibt es aber keine echten (mit größerem Mundstück wird der Spielraum einfach noch größer) und auch durch die gesamte Range spricht das Instrument gut und gleichmäßig an. Zwischen kleinem Fis und G3 fehlt kein Ton oder benötigt Hilfsgriffe.

Olds Ambassador: Backup oder mehr? Kaufen oder nicht?

Weil so unsäglich viele Ambassadors produziert wurden (vielleicht ist die die meistgebaute US-Trompete überhaupt?) und diese aufgrund ihre Solidität auch nicht kaputtgehen (trotz Vollmessing gibt es kaum Zinkfraß), gibt es gerade jenseits des Atlantiks noch sehr viele. Amerikaner zahlen bei Ebay oft nur 100 bis 200 US-Dollar. Bei uns liegen die Preise oft schon jenseits der 300 Euro und damit schon 50% über denen von vor ein paar Jahren. Viel Geld ist das aber immer noch nicht. Das Alter und der Zustand spielt natürlich eine große Rolle. Vor einem Eigenimport kann man den nur über Bilder kontrollieren und Anblasen ist sowieso nicht möglich. Richtig daneben liegen kann man aber bei einer unverbastelten (weil so billig, wird hier oft mit Mundrohren und veränderten Stützen experimentiert) Ambassador nicht. Als Ersatz- oder Outdoorhorn ist also immer eine Empfehlung auszusprechen. (Finanziell) schaden wird diese Investition sicher nicht.

Als Anfängergerät ist ein anderes Kaliber (also eine – durchaus auch das Halten betreffend – leichtere und engere Trompete) geeigneter. Als Hauptinstrument – eingangs wurde Roy Hargrove erwähnt, der ein paar Jahre dieses Modell blies  – bietet sich die Olds Ambassador aber eher für jene an, die oft laut spielen (müssen) und eine große Trompete bevorzugen. Wer keine „Ochsenzähigkeit“ mitbringt, wird bei kurzen Gigs seine große Freude mit dieser besten Vintage-Trompete fürs kleine Geld haben. Wer effizient und ausdauernd spielen will, sollte zu einer anderen (Olds) greifen.

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What is she offering?,“Unzerstörbarkeit und gute Projektion“

Your new girl friend?,“Your new old lady with eternal youth“ 

Preis?,350 Euro. Mehr Horn fürs Geld geht nicht!
Dauerbeziehung?,“Ohne Zweifel! Begleitet dich bis zum Schluss
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