Wolkenkratzer: Gibt es Trompeten für eine leichte Höhe?

Es ist ein altes Lied: Wenn du höher, lauter und schneller spielen oder einfach besser klingen willst – übe mehr oder zumindest klüger. Doch der Ruf nach optimiertem Equipment hat dennoch seine Berechtigung. Der TrumpetScout widmet sich der trompeterischen Arche-Frage: Mit welchem Horn kann ich höher spielen?

Um allen alleine durch diese Frage erhitzten Gemütern schnell Abkühlung zu verschaffen: Keine Trompete kann Können ersetzen. Doch unser Instrument unterscheidet sich im Wesen nicht von einem Sportgerät. Mit einem schweren Fahrrad kommt man bei gleicher Übersetzung den Berg mühsamer hinauf als mit einem ultraleichten Carbon-Esel. Ein Ski in schlechtem Zustand gleitet schlechter als in gut präparierter. Ein alter Tennisschläger mit kleinem Kopf ist weniger fehlerverzeihend als ein modern, großer, leichter…

So gibt es für bestimmte Effekte (Sound, Lautstärke, Ansprache etc.), aber auch für bestimmte Spielertypen unterschiedliche ‚Geräte‘, also passende Mundstücke und Trompeten. Wäre dem nicht so und würden Faktoren wie Optik oder Prestige einer Marke keine Rolle spielen, hätten wir wahrscheinlich alle das gleiche (günstige) Instrument. Da den TrumpetScout zuletzt einige Anfragen erreicht haben, die um Empfehlungen von Trompetenmodellen für eine möglichst leichte Höhe baten, und weil eine der zuletzt getesteten Trompeten das eigene Axiom in Bezug auf diese ‚Höhenkatalysatoren‘ ins Wanken brachte, soll dieser Artikel die verschiedenen Gedanken zu diesem Thema bündeln.

Diese Test-Trompeten haben dem TrumpetScout besonders gut gefallen

Bis heute gingen 55 Trompeten ganz offiziell durch das TrumpetScout-Testlabor. In der Kategorie ‚Höhe‘ wurden davon 17 mit der Note 1 ausgezeichnet. Ehrlicherweise muss man sagen, dass weder diese 17 und schon gar nicht alle 55 Instrumente zeitgleich verfügbar waren. Der direkte Vergleich untereinander war also nie gegeben. Hinzu kommt, dass in der Praxis höchstwahrscheinlich auch eine Feinabstufung unter diesen nominell gleich bewerteten Trompeten vorgenommen werden könnte. Aus diesem Grund sollen die 17 Trompeten noch einmal durch einen subjektiven Filter reduziert werden. Konkret heißt das: Welche Trompeten blieben also besondere Wolkenkratzer im Gedächtnis hängen?

Seit jeher erfasst die TrumpetScout-Bewertungstabelle die Höheneigenschaften einer Trompete.

The Conn Family

Was dem TrumpetScout sofort einfiel (und sich auf durch die Zahlen der Tabelle stützen ließ): Die Conn-Familie. Was der alte Lehrer immer schon behauptet hatte, bewahrheite sich mit den Jahren des selbstständigen Testens: Conn-Trompeten „gehen auf“, je weiter es nach oben geht. Nun vielleicht nicht alle in gleichem Maße, aber die Conn 8B Grand Gustat aus den 30ern erstaunte so manchen Kollegen, der darauf blies, die Connstellation 36B ist sowieso als profitables Lead-Instrument bekannt, aber auch die klassische 38B funktioniert in der Altissimo-Range bravourös – sonst hätten Typen wie Cat Anderson und Maynard Ferguson nicht darauf gepfiffen. Interessant dabei ist, dass es hier kaum Aussetzer gibt. Manche Connies funktionieren in der unteren Lage nicht so gut wie manch modernes Horn, aber ‚obenrum‘ ist zumeist Verlass auf die Elkhart-Hörner. So viel zu den Vintage-Instrumenten von Conn. Doch Staunen machte einige Kollegen auch die Vintage One (oder auch 1B) von Conn, also eine zeitgenössische Trompete. Das ist zwar auch leider nicht mehr ganz richtig, denn mittlerweile wurde die Traditionsmarke komplett begraben. Das getestete Modell machte es einem aber wirklich leicht, sich jenseits des C3 zu bewegen – und schenkte dem ein oder anderen sicher ein paar Töne am oberen Ende.

Leider nicht mehr neu zu bekommen, wenn auch noch nicht wirklich alt: die Conn Vintage One.

Unscheinbar aber gut: Kühnl & Hoyer

Eine deutsche Familie hat ebenfalls einige Modelle im Programm, die einem das Leben in der Höhenluft leicht machen. Und Familie ist hier buchstäblich zu verstehen. Die Kühnls aus Franken bieten mit der Sella G eine sehr günstige Trompete an, die einen oben kaum begrenzt, und mit der Premium Malte Burba eine wahres Lustinstrument, das zu ständigen Höhenflügen verführt. Dieses kostet allerdings (für K&H-Verhältnisse) ordentlich.

Zwischen Brassego und Bach

Ein Exot, aber zugleich typischer Vertreter für Trompeten mit speziellem Höhentalent ist die Brassego Tiger-Tail, die der TrumpetScout in ’normaler‘ Form über längere Zeit selbst spielte. Sie bot sehr viel Widerstand und stopfte in Verbindung mit einem engen und flachen Mundstück geradezu in der unteren oder Mittellage. In der Kombination ist sicher nicht von einem Allroundinstrument zu sprechen. Das Horn ermöglichte oben aber eine gute Projektion, eine schmerzende Lautstärke und sicheres Einrasten.  Ähnlich erlebte es der TrumpetScout auch bei der (ähnlich konstruierten, wenn auch schweren) XO 1600i Roger Ingram.

Ein Vertreter der Gattung ‚Spezialhorn‘ ist die Tiger-Tail von Brassego: Unten lau, oben wow.

Anders dagegen die Bach 190S37. Sie funktionierte in jeder Lebenslage beeindruckend gut, nicht nur beim Testmodell. Das Gewicht ist bei diesem Modell niedriger als bei der klassischen 180er, der Kern dennoch ausreichend. sie fühlt sich einfach agiler an – und eben auch leichter im oberen Register.

Der Typ Light: Von günstig bis Signature

Leicht ist das Stichwort für die letzten Instrumente in dieser Auflistung: Eine Fides Symphony wiegt fast nichts, getestet wurde aber die deutlich schwere Fides Symphony Classic BBG. Und auch die hat extrem überzeugt. Wie gut könnte dann die leichte ‚gehen‘? Der TrumpetScout sollte das unbedingt ausprobieren. Probiert hat er aber die Fides Pioneer, ein extrem günstige Trompete (aktuell bei 750 Euro) aus dem Beck-Portfolio. Auch sie katapultiert den Spieler mühelos weit über das Notensystem. Ebenfalls sehr gut, wenn auch in der Tabelle nicht ganz so makellos prämiert, ist die Yamaha YTR-3335. Die Note 1,5 kann tatsächlich vom nicht ganz so glänzenden Testtinstrument herrühren. Der TrumpetScout besaß auf jeden Fall schon zwei Trompeten dieses Typs und beide spielten sich sehr leicht in der Höhe und hatten sogar das schwierige A3 eingeschrieben.

Der Gegenentwurf zur engen Trompete, die in der Höhe gute Dienste tut, ist die Schagerl James Morrison. Sie bläst sich durch alle Lagen sehr frei und legt ganz oben sogar noch einen drauf.

Zuletzt sorgte die Schagerl James Morrison für Verzückung. Hierbei handelt es sich um ein extremes Leichtgewicht, das sich sehr frei bläst, aber dennoch im oberen Register perfekt funktioniert, dass es eine Freude ist. So etwas ist dem TrumpetScout noch nie an die Lippe gekommen. Oft büßen solch offene Hörner nämlich dann an Leistungsfähigkeit ein, wenn es um Kompression und Gegendruck geht – in der höchsten Lage. Doch dazu mehr nun in den Überlegungen zum Aufbau einer Trompete für die leichte Höhe.

Wann funktioniert eine Trompete gut in der Höhe?

Wie lässt sich Leichtgängigkeit per se definieren? Klare Antwort: Das Verhältnis von Input zu Output von gut sein. Wenn sich eine Trompete leicht spielen lässt, muss fürs gleiche Resultat weniger Aufwand betrieben werden oder bei gleichem Aufwand ist mehr Sound vorhanden. Im Spezialfall Trompete kann das aber auch heißen, dass manche Töne überhaupt erst ansprechen, wenn die Trompete das zulässt. Um hier gleich wieder den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Während vieler TrumpetScout-Interviews haben hervorragende Lead-Trompeter wie Andy Haderer oder universelle Trompeten-Weltstars wie Allen Vizzutti zugegeben, dass manche Töne im oberen Register mit manchen Trompeten schlicht nicht oder nur sehr schwer zu spielen waren. Abgesehen davon, dass der TrumpetScout das aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann – es gibt auch Trompeten, auf denen andere Töne quasi ‚fehlen‘ oder nur sehr schlecht ansprechen. Im Normalbereich würde da nur keiner auf das Unvermögen des Spielers verweisen.

Nur die Trompete macht aus einem keinen Thorsten Benkenstein. Aber das richtige Modell kann einem das Leben erleichtern.

Aber zurück zur eigentlichen Aussage: Es gibt Trompeter, deren Range mit dem gewohnten Setup beispielsweise bei einem C3 endet. Mit einem geeigneteren Instrument (gemeint ist die Kombination aus Mundstück und Trompete) kann stante pede das Es3 das Ende der Fahnenstange sein. Doch selbst die Optimierung nur bei der Stellschraube Trompete kann einen solchen Sprung bewirken. Wir sind wieder beim Rad, bei den Ski oder beim Tennisschläger. Weniger Verlust heißt besseres Ergebnis.

Auch wenn hier einige Hersteller und Modelle positiv in Erscheinung treten – TrumpetScout erhält von keiner Firma Zuwendungen und berichtet völlig neutral. Die einzige Unterstützung kommt von dir, dem Leser! Schon eine kleine Spende hilft viel: paypal.me/trumpetscout.

Ja und dann gibt es noch den Spezialfall. Ist das Ende der regulären Trompeten-Range erreicht (G3/Gis3), geht es mit manchen Trompeten noch ein bisschen weiter, mit anderen jedoch überhaupt nicht. Sind letztere dann die schlechteren ‚Wolkenkratzer‘? Aus TrumpetScout-Perspektive nicht: Funktioniert eine Trompete hervorragend bis zum Gis3, dann sind damit in der Praxis kaum Grenzen gesetzt. Ein Horn, auf dem dagegen das A3 einrastet, aber alles darunter schwerer geht, kostet insgesamt definitiv mehr Mühe.

Was macht ein High Note-Horn aus?

Kommen wir nun zu konstruktiven Eigenschaften, die der Eignung für das obere Register zugute kommen.
Als Warnung vorneweg: Hier macht sich der TrumpetScout öffentlich Gedanken! Falls ein Leser plausible physikalische und akustische Erklärungsmodelle beisteuern kann oder gar über fundierte Ergebnisse der Forschung verfügt, möge er sie zuspielen.

  • Bohrung und Widerstand: Alle oben genannten Trompeten haben eine kleine (S oder M) bis mittelgroße (ML) Maschinenbohrung. Die Bohrung kann den Widerstand einer Trompete beeinflussen. Und im Widerstand sieht der TrumpetScout einen wichtigen Baustein zur Höheneignung. Er darf nicht zu groß sein, aber mit zu geringem Widerstand fehlt der Gegendruck, den z.B. auch ein flacheres Mundstück erzeugt und der das Spiel in der Höhe tendenziell begünstigt. Definitiv fällt die Schagerl James Morrison hier durch das Raster. Sie spielt sich sehr offen, funktioniert aber dennoch unglaublich gut bis in die Altissimo-Lage.
  • Platzierung des Widerstands: Beim Widerstand gibt es nicht nur die Dimension des ‚Wie viel‘, sondern auch des ‚Wo‘. Trompeten mit kleinem Becher und großer Bohrung und/oder weitem Mundrohr haben ihn weit ‚hinten‘, Instrumente mit großem Becher und kleinerer Bohrung oder engem Mundrohrverlauf oft weit ‚vorne‘ (also beim Mund). Diese Unterschiede sind vermutlich schwer zu messen, aber deutlich zu fühlen. Der TrumpetScout erklärt sich das (wenn auch nur annäherungsweise) so: Ist die ‚Engstelle‘ nahe beim Mund, lässt sich die Luft bis dahin weniger komprimieren als wenn die Engstelle 20 cm weiter entfernt sitzt und so mehr ‚Polstervolumen‘ entsteht. Verantwortliche Komponenten sind das Mundrohr, der Stimmzug, verschiedene Innenkanten, die Maschine und das Schallstück – also im Grunde alle. Hier ist ganz sicher die persönliche Vorliebe entscheidend. Der eine mag das Brett vor dem Mund, der andere gegen Ende des Schlauchs.
  • Gewicht: Ist das Gewicht gering, muss weniger Masse in Schwingung versetzt werden. Leichte Trompeten haben deshalb eine bessere Ansprache. Das gilt generell auch in der Höhe. Nicht jede leichte Trompete ist deshalb aber automatisch prädestiniert für das Upper Register und jedes schwere Eisen ein Betonschuh beim Aufstieg. Die genannten Trompeten decken ein breites Spektrum von ultraleicht (Schagerl James Morrison) über mittelschwer (Bach 19037 oder XO Roger Ingram) bis heavy (Connstellation 38B) ab. Ein Extrembeispiel: Der TrumpetScout besaß vor einigen Jahren eine wirklich schwere Sonare 800. Die war zwar verhältnismäßig unflexibel, spielte sich aber ‚obenrum‘ wie geschmiert.
  • Resonanz/Reflektion: Hier knüpft der TrumpetScout an eine Erklärung von Eric Miyashiro an: Spielt man beispielsweise mit Dämpfer oder in einem Raum, der gut reflektiert, fällt es leichter, hoch und ausdauernd zu spielen als bläst man beispielsweise in einem Park oder gegen eine schallabsorbierende Wand. Das liege, so Miyashiro, an Reflektionen, die sich mit den von den Lippen ausgehenden Schallwellen überlagern. Ja, hier wäre dringend eine profunde Erklärung vonseiten der Akustik nötig. Aber: So ließe sich erklären, warum teilweise offene wie auch enge Instrumente, schwere und leichte sowie Trompeten mit ‚vordergründigem‘ als auch ‚hintergründigem‘ Widerstand in der Höhe gut funktionieren – oder eben nicht. Die inneren Reflektionen hervorgerufen durch bauliche Eigenheiten, die nicht einfach zu erfassen sind, dürften mit ausschlaggebend sein, ob eine Trompete das Zeug zum Wolkenkratzer hat.

Ähnlich, aber niemals gleich

Die Faktoren Bohrung, Gewicht und Rohrverlauf der Komponenten dürften in der modernen Fertigung gut steuerbar sein. D.h., sie sollten keine Variablen in der Gleichung der guten Höhentrompete sein. Wenn also ein Modell gut funktioniert, dann gilt wahrscheinlich auch für alle Exemplare dieser Modellreihe. Feine, aber bisweilen doch auch gröbere Unterschiede gibt es dennoch auch zwischen Modellgeschwistern. Deshalb wird beim Kauf nach Möglichkeit aus mehreren gleichen Modellen das eine Exemplar ausgewählt. Es kann – wenn auch seltener – doch auch Ausreißer in die andere Richtung geben: Wenn eine Trompeten ohne Höhenruf sich im Einzelfall sehr gut anstellt. Grund für beide Phänomene dürften nicht immer ganz gleiche Ausgangsmaterialien sein und vor allem eine nie ganz konstante Fertigung. Der Instrumentenbau ist eben ein Handwerk – und der Trompeter ein empfindliches Wesen.