Trompeten-Tuning Teil 1: Entlacken – Was es kostet und bringt

Die Oberfläche einer Trompete scheidet die Geister. So manch einer hat vielleicht erst wegen des Schimmerns einer silbernen Trompete zu diesem Instrument gegriffen. Anderen ist der schöne Schein total egal. Dritte wollen gerade die ungeschminkte Optik blanken Metalls. Gehen wir einmal vom Gewöhnlichen aus, dem lackierten Blech. Was passiert, wenn man das durchsichtige Kleid auszieht?

 

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Wenn der Lack ab ist… dann sind die Berührungspunkte zwischen Mensch und Maschine und Rohren gut zu erkennen. Manche Stellen glänzen auch nach drei Monaten noch, andere sind schon stumpf.

„Vom Lacke befreit sind Zug und Becher“, so der auf unser Thema umgemünzte erste Goethe-Vers aus Fausts Osterspaziergang. Das passt jahreszeitlich gut, wenngleich der TrumpetScout seine Versuchstrompete bereits im Dezember zum Entlacken gab. Dieser zeitliche Abstand hat etwas Gutes: Jetzt sind nämlich die Spuren der Entledigung des transparenten Schutzmantels bereits deutlich zu sehen. Doch zunächst zur Frage, warum man entlacken sollte oder warum es zumindest keine blöde Idee ist.

Die Trompete entlacken – warum?

Nun, zunächst einmal ist der Lack eine Schutzschicht, die Korrosion verringert. Luft, Handschweiß und Wassertröpfchen (in der Regel Spucke, aber auch Regen benetzt manchmal das Instrument) dringen nicht zum Blech vor, was eine Reaktion der Außenseite mit Mineralien aber vor allem Sauerstoff verhindert. Das eingeschlossene Material wird also konserviert. Jede Schutzschicht, sei es nur ein dünner Lack oder aber eine Lage aus anderen Metallen, verändert das Schwingungsverhalten der Trompete (und natürlich bei jedem anderen vergleichbaren Instrument). Um genau zu sein, sie verschlechtert das Vibrationsverhalten, da Schwingungen gedämpft werden. Ein schlechteres Schwingungsverhalten heißt aber nicht, dass auch der Ton schlechter wird (genauso wie ein steiferer Tennis- oder Golfschläger keine schlechteren Schläge produziert), sondern er nur eine andere Qualität erlangt. Wer aber das freieste Schwingen seiner Trompete erreichen möchte, ohne andere Faktoren wie Stützen oder Gewicht anzugehen, der muss auf eine versiegelungsfreie Oberfläche setzen. Nacktes Messing, Goldmessing, Kupfer oder Sterlingsilber – ohne zweite Haut.

Wie wird die Trompete entlackt? Profi vs. do-it-yourself

Es gibt nicht den einen Lack, der auf alle Instrumente gleichermaßen aufgetragen wird, es gibt nicht einmal die eine Technik, die zur Anwendung kommt. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen luftgetrocknetem Lack und eingebranntem. Man kann sich denken, welcher der widerstandsfähigere ist und sich gegen ein Lösen vom Untergrund vehementer wehrt: der eingebrannte. Während viele Besitzer von Bach-Trompeten sich über früh lösenden Lack echauffieren, ärgern sich andere über ihr 60 Jahre altes Instrument, das sich noch immer vor einem Striptease scheut. Doch auch dazwischen gibt es ein weites Spektrum. Manche Kollegen berichten von abblätternder Klarschicht nach einem kurzen Bad in kochendem Wasser (hier ist Vorsicht geboten, da ein Temperaturschock zu Schäden führen kann – also besser die Blechsuppe ansetzen und aufkochen), andere hatten mit einer warmen Lauge, also erhitztem Seifenwasser, Erfolg, wieder andere schrubbten mit Aceton und anderen giftigen Chemikalien erfolglos am Lack ihrer Kannen.

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Die Bilder zeigen zwar nur einen Becher, aber der Vorgang ist natürlich der gleiche: Das lackierte Blech wird ins Säurebad getaucht und danach klargespült. Die Trompete häutet sich dabei wie eine Messingschlange.

Wer sich sicher ist, dass der Lack bald ab sein soll, der kann natürlich mit der mechanischen Keule (irgendein Schrubber) oder der sanften chemischen (wie dem genannten Seifenbad) der Oberfläche an einer kleinen Stelle zuleibe rücken und schauen, was passiert. Führt das zu keinem Erfolg, sollte auf jeden Fall der Fachmann aufgesucht werden. Werkstätten mit eigener Lackierung haben immer die Möglichkeit zum Entlacken, Spezialbetriebe zur industriellen Oberflächenbehandlung sowieso. Dort wird das Instrument in ein spezielles Lösungsmittel getaucht, worauf sich die Trompete anschließend einfach häuten lässt. Zurecht wurden aber die Bestimmungen für die Verwendung aggressiver Chemikalien so verschärft, dass sich nicht mehr jeder einfach ein Säurefass in eine Ecke stellen kann. Die Entsorgung ist sehr aufwendig, die Dämpfe sind für Mensch und Umwelt gleichermaßen gefährlich.

Wie wirkt sich die Entlackung aus? Ein Vorher-Nachher-Vergleich

Nach der Entlackung wirkt die Trompete spritziger, frischer, heller. Das ‚wirkt‘ soll hier explizit herausgestrichen werden. Man muss ehrlich anerkennen, dass keine Verwandlung von dunkel zu hell zu erkennen ist, gerade so als würde man das Licht anschalten. Aber das ist ja oft so bei den kleinen Tuning-Maßnahmen, vor allem beim Klang: Wir Spieler bemerken Unterschiede, im Publikum fällt so etwas nicht auf.

Natürlich hängt die Schwere des Effekts auch von der Ausgangssituation ab. War vorher ein Lack besonders dick aufgetragen, dürfte die Wirkung der Entlackung auch größer sein als bei einer dünnen Schutzschicht. Im konkreten Fall der zweiten Lack-Scheidung in der TrumpetScout-Vita ( beim ersten Mal entwand sich eine 37er Bach dem Hauch aus Nichts) war die Veränderung deutlich spürbar. Die Trompete wurde greller, der Ton lebendiger und auch die Ansprache schien sich ein wenig verbessert zu haben. An dieser Stelle ein Hinweis: Nicht jedem Instrument (und schon gar nicht jeder Musikrichtung) steht diese Mehr an Frequenz-Spitzen.

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Eine bereits lange lacklose Trompete zeichnet sich durch eine gleichmäßige Patina aus, die eine „weiche“ Optik erzeugt, da sie das Licht nur diffus reflektiert. Je nach Material ist die Haut heller oder dunkler.

Was sich mit dem verschwundenen Lack noch ändert, ist die Optik, wenn auch nicht schlagartig, sondern schleichend. Nach der Prozedur ist kein Unterschied zu erkennen. Doch schon nach kurzer Zeit verdunkeln sich die Stellen, die mit der Handfläche und den den Fingern in Berührung kommen. Auch bleiben alle Wasserflecken sichtbar. Das ist gerade zu Anfang nicht schön, die Trompete wirkt zunächst einfach ungepflegt. Mit fortschreitender Dauer „an der Luft“ stellt sich aber eine homogene Patina ein, deretwegen nicht selten die Entlackung überhaupt erst vorgenommen wird. Für manche Spieler gerade im Jazzbereich ist eine gleichmäßig oxidierte Oberfläche so etwas wie ein Erkennungszeichen. In der Tat, ein solcher Look ist auf eigene Weise reizvoll und symbolisiert unter einem gewissen Blickwinkel tatsächlich einen Gegenentwurf zu den Hochglanzinstrumenten, die in der Klassik fast ausschließlich verwendet werden. Aber auch hier sei offen gesagt: Die Metamorphose vom ordentlichen glänzenden zum ordentlich stumpfen Instrument kann einige Jahre dauern – und macht alleine aus einem Mahler-Interpret keinen Miles Davis.

Aufwand und Kosten für die professionelle Entlackung der Trompete

Es hört sich einfacher an als es ist. Trompete 20 Minuten auf Tauchstation im Säurebad, rausholen, Haut abziehen, fertig. Nein, das ist trotz Lösungsmittel leider nur der am wenigsten ätzende Teil. Vorher müssen natürlich Ventile und Anbauteile wie die mit Kork besetzten Wasserklappen weg (auch das ist noch überschaubar) und nachher ist ein Maschinen-Service samt mühsamem Einschleifen der Züge vonnöten. Sowohl Pumpen als auch die Züge sind zunächst nicht gangbar. Diese Arbeit und die den geltenden Bestimmungen entsprechende Bereitstellung der Chemikalie bestimmen den Preis. Zwar gibt es Anbieter, die für das Entlacken lediglich 50 Euro verrechnen, es dürfte sich hierbei aber um die Kosten für die reine Tauchfahrt handeln, Aus und Einbau bleibt einem dann selbst überlassen. Überlässt man die komplette Arbeit dem Fachbetrieb, sollte man mit 150 Euro rechnen. Hierbei wird es sicher regionale Unterschiede geben, doch auf einen Wert zwischen 100 und 200 Euro darf sich der Preis für die Prozedur schon belaufen. Mit Entlackung ist aber wirklich nur das Entfernen eine Klarlacks gemeint. Das Entfernen einer Versilberung oder gar Vernickelung ist wegen des Wertverlusts wirtschaftlich wenig sinnvoll und im Falle der Vernickelung technisch fast nicht möglich.

Trompete entlacken: ja oder nein? Ein Fazit

Das Entlacken ist also eine Tuning-Methode, die ganz günstig nur ist, wenn man sie ohne großen Materialeinsatz selbst vornehmen kann. Sie ist aber auch nicht teuer und senkt den Wert der Trompete nicht drastisch. Ebenso nur in diesem Mittelbereich bewegt sich aber der Effekt: die Trompete wird in der Regel heller und ein bisschen schreiender. Gravierender ist die Auswirkung auf die Optik. Der Schutzfilm entfällt, wodurch das Material auch auf der Außenseite mit Sauerstoff reagiert und im Grunde schneller korrodiert. Wirklich lebensverkürzend ist das aber nicht, zudem kann man einen Lederschutz beim Ventilstock benutzen, um gröbste Schweißschäden abzuwenden. Das strahlende Äußere ist aber alsbald passé. Im Grunde ist es eine Geschmackssache, sowohl klanglich als auch optisch.

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Wo früher Fingerabdrücke einfach weggewischt werden konnten, sind sie heute eingebrannt. Der Handschweiß reagiert direkt mit dem Messing des Schallstücks.