Von Frank Sintra bis Robbie Williams: Simon Gardner hat alle begleitet

Trompeter, die mit Buddy Rich, Frank Sinatra und Ella Fitzgerald gespielt haben und heute noch voll im Geschäft sind, gibt es nicht wie Sand am Meer. Europäer sind darunter noch seltener zu finden. Einen davon hat der TrumpetScout ausfindig gemacht und zum Interview gebeten: den bescheidenen Briten Simon Gardner. Wie sich herausstellte, gerade zum richtigen Zeitpunkt…

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Simon Gardner in Action. Foto: Simon Gardner Privatarchiv

TrumpetScout: Zuerst die Equipmentfragen: Welches Mundstücken benutzen Sie für die tägliche Arbeit? Können Sie es ein wenig beschreiben?

Simon Gardner: Ich spiele auf einem modifizierten Mundstück von Gary Radtke, einem für mich angepassten GR63ES. Mir fällt es schwer, zwischen verschiedenen Mundstücken zu wechseln, darum muss ich mit dem einen allen unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden, die meine Arbeit mit sich bringt. Leider kann ich nichts zu den Maßen und zur Bohrung sagen. Ich spiele drauf und es passt für mich!

TrumpetScout: Wechseln Sie dafür bei den Trompeten? Was spielen im Moment, gab es interessante Hörner in der Vergangenheit?

Simon Gardner: Ich bin Bach-Endorser und spiele die neue LR190 43B. Es handelt sich dabei um eine Trompete mit ML-Bohrung, reversed leadpipe und einem Schallbecher aus Bronze. Ich liebe dieses Instrument! Die Trompete passt für jede spielerische Lebenslage und ihr Ton ist klasse. Früher habe ich auch auf einer Yamaha Bobby Shew gespielt, einer Large Bore Bach und einer herrlichen Olds Recording.

„Mein Bruder ist auf Punk Rock gestanden, ich dagegen auf Glenn Miller.“

TrumpetScout: Darf ich fragen, wie alt Sie sind? Es ist immer interessant, in welcher Zeit und als Folge mit welcher Musik man aufgewachsen ist.

Simon Gardner: Ich werde in diesem Jahr 55, wurde also 1960 geborgen. Mein Bruder ist auf Punk Rock gestanden, ich dagegen auf Glenn Miller… Ich habe schon immer sogenannte altmodische Musik geliebt, für mich war sie immer so hip wie zu der Zeit, als sie aufgenommen wurde. Ich werde wohl immer ein Faible für die klassische Big Band-Ära haben, aber meine wahre Liebe gehört Frank Sinatra und dem Jazz.

TrumpetScout: Sie sind bekannt als das, was man gemeinhin als ‚commercial player‘ bezeichnet. Können Sie uns etwas zu Ihrer Ausbildung sagen? Kamen Sie von der Klassik, haben Sie in Brassbands gespielt oder gar mit einem anderen Instrument begonnen?

Simon Gardner: Wie ich bereits sagte, war Glenn Miller meine erste Liebe. Ich habe zu seinen Aufnahmen gespielt, das war meine Ausbildung. Im Moment arbeite ich an einem Buch über das Trompete-Spielen und auch das Lernen, möchte deshalb nicht zu viel zu diesem Thema verraten. „Trumpet Masterclass“ wird der Titel lauten und bald auf meiner Webseite zu erwerben sein.

TrumpetScout: Sie haben in Ihrer Karriere mit vielen Größen des Pop und Show Business zusammengearbeitet. Wer das „Swing when you’re winning“-Konzert in der Royal Albert Hall gesehen hat, weiß, dass auf jeden Robbie Williams dazu gehört. Wer sind die anderen?

Simon Gardner: Ich habe mit Dutzenden großer Namen gespielt: Einige davon sind z.B. Frank Sinatra, Buddy Rich, Ella Fitzgerald, Sammy Davis Jr., Barbra Streisand, Tom Jones, Elton John, Paul McCartney, The Who oder Stevie Wonder.

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Zwei große Trompeter auf einer Bühne: Simon Gardner neben dem vielleicht meistaufgenommen Trompeter der Welt, dem Studio-Löwen aus Los Angeles, Chuck Findley. Gespielt wurde zum Gedenken des vielleicht besten Trompeters Europas, Derek Watkins. Foto: Simon Gardner Privatarchiv

 

TrumpetScout: Wie stößt man in so einen illustren Kreis von Musikern vor, die dazu erkoren sind, mit diesen Leuten zu spielen?

Simon Gardner: Es hängt alles mit einem guten Ruf zusammen – den man sich natürlich hart erarbeiten muss. Man fängt unten an und kämpft sich allmählich nach oben. Kontakte knüpfen ist dabei unerlässlich. Meine erste große Band war das Nation Youth Jazz Orchestra (NYJO). Es ist eine Big Band, deshalb lernte ich dort natürlich gleich viele Leute kennen. Allen aus dieser Band erging es in der Folge gut, alle wurden Profimusiker. Es war schon ein talentierter Haufen!

„Die großen Konzerte mit Robbie oder The Who waren manchmal surreal.“

TrumpetScout: Wie fühlt es sich an, in einem Stadion zu spielen? Wie war die bereits erwähnte atemberaubende Show mit Robbie Williams in der Royal Albert Hall? Als Jazzmusiker sind solche Erfahrungen doch eher unüblich.

Simon Gardner: Die Ausmaße eines Stadions oder einer großen Halle nimmt man gar nicht wahr. Du bist zu sehr mit der eigenen Performance beschäftigt. Die großen Konzerte mit Robbie oder The Who schienen aber manchmal gar nicht real zu sein. Unten ist zwar ein Meer von Gesichtern, aber ganz ehrlich: Keiner ist gekommen, um mich zu sehen! In der Royal Albert Hall zu spielen ist immer wieder besonders. Sie ist wunderschön und hat auch noch so viel Geschichte. Das Robbie Williams-Konzert war insofern besonders toll, da wir unsere absolute Lieblingsmusik spielen durften, sehr gut bezahlt wurden und auch noch die Anerkennung eines hippen, jungen Publikums bekamen.

TrumpetScout: Sie haben auch oft mit einer der Trompetenlegenden schlechthin gespielt, Derek Watkins. Nachdem dieser Ausnahmetrompeter 2013 verstarb, haben Sie außerdem das Tribute-Konzert 2014 zu seinen Ehren mitorganisiert. Wie kam es dazu?

Simon Gardner: Dieses Konzert zu organisieren war eine Herzensangelegenheit. Ich habe mit Derek fast 30 Jahre zusammengearbeitet und er lehrte mich nahezu alles, was ich über das Trompetenspiel und Musik im Allgemeinen weiß. Er war ein Held und ein sehr guter Freund, der uns immer fehlen wird. Das Konzert war ein großer Erfolg. Ergebnis ist u.a. eine CD und eine DVD. Beides ist auf Dereks Webseite zu bestellen.

TrumpetScout: Können Sie Derek Watkins kurz beschreiben, als Musiker und als Menschen?

Derek war der Mittelpunkt jeder Feier – und er hat jeden gefeiert! Natürlich ist er in erster Linie für seine High Notes bekannt, aber meiner Meinung nach ist er einer der gefühlvollsten Flügelhornisten, die es je gab. Er hat es geliebt, Blödsinn zu machen und sein Lachen war unverwechselbar, aber wenn er angefangen hat zu spielen, war er extrem ernst bei der Sache. Er war ein absoluter Perfektionist und ein ernsthafter Künstler.

TrumpetScout: Zurück zu Ihnen. Welche Projekte stehen im Augenblick an?

Simon Gardner: Ich bin gerade dabei, die Arbeit an meinem Buch zu beenden, um es auch bald veröffentlichen zu können. Im Februar beginnt ein neues Musical mit Namen „Beatutiful“, in dem es um das Leben von Carol King geht. Daneben stehen die üblichen Studiojobs an und ich werde versuchen, für die Super C-Big Band [Anm. die Derek Watkins-Tributeband] Gigs zu organisieren.

„Ich hatte nie eine reguläre Ausbildung, sondern habe nur in meinem Zimmer zur Musik gespielt.“

TrumpetScout: Worum geht es genau in Ihrem Buch? Was verspricht es anderes als das, was man bei Bobby Shew oder Roger Ingram nachlesen kann?

Simon Gardner: Ich glaube, dass mein Buch recht einzigartig ist. Es mag vielleicht nicht viel geben, was ich den Ausführungen des großen Bobby Shew zum Trompetenspiel an sich hinzufügen kann. Auf was ich aber eingehe, ist meine Art des Lernens und meine eigene Methode des Übens. Ich hatte nie eine reguläre Ausbildung, sondern habe nur in meinem Zimmer zur Musik gespielt. Wer mehr wissen möchte, der muss mein Buch kaufen, wenn es draußen ist! Es beschäftigt sich aber mit allen Aspekten des Spiels: Klang, Time, Ansatz, Üben, Mundstücken, Instrumenten und einer Vielzahl von verwandten Themen.

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Einer der meistbeschäftigten Studiotrompeter Englands vor einem der berühmtesten Studios der ganzen Welt: Simon Gardner vor dem Eingang zu den heiligen Hallen der Abbey Road Studios. Foto: Simon Gardner Privatarchiv