Angespielt: das MF-Horn Holton ST307

Seit einem bestimmten Large Bore-Modell hat der TrumpetScout ein gesteigertes Interesse an großen Trompeten entwickelt. Das führte seither zu Stichproben in diesem Feld. Einen Einblick in die Erkundungstätigkeit gibt dieses Testprotokoll, das sich der Nachfolgerin der berühmten MF-Trompete ST302 widmet – der Holton ST307.

Typisch für Holton: Die Maschine ist extrem weit hinten, also nahe am Mundstück, platziert.

Seit den Sommermonaten in 2019 mit der Flip Oakes Celebration hat sich die Meinung des TrumpetScout bezüglich großer Trompeten deutlich gewandelt. Auch damit kann man spielen. Selbst in der Höhe und sogar über Stunden.
Leider ging die Trompete nicht in die eigene Sammlung, sondern an einen TS-Leser und so existiert seither eine vakante Stelle im Portfolio. Zwar hat eine Olds Ambassador das Arsenal während Corona in puncto Offenheit zur Genüge bereichert (verantwortlich dafür dürfte trotz ML-Bohrung und vergleichsweise kleinem Becher ein sehr früh öffnendes Mundrohr sein) und macht aufgrund ihrer hervorragenden Spielbarkeit und des dunklen Klangs für Combo- (und theoretisch auch orchestrale) Einsätze großen Spaß. Eine sich so frei blasende und leicht ansprechende Trompete bei gleichzeitig extremem klanglichem Adaptionsvermögen von Orchester bis 1. Stimme in der Big Band wie die Celebration kam jedoch nicht mehr in die Finger. Was bleibt einem da übrig, als weiterzusuchen?

Holton ST307: Die Zeichen stehen auf groß

Eines der üblichen Gebrauchtverkaufsportale spülte dann im neuen Jahr eine Holton ST307 in die Suchergebnisse. Auch dieses Instrument trägt den klingenden Beinamen ‚MF Horn‘. Somit handelt es sich um eine Trompete, die der Zusammenarbeit von Holton mit High Note-Legende Maynard Ferguson entsprungen ist. Anders als andere MF-Modelle dürfte er diesen Typ aber auch selbst gespielt haben – zumindest zeugt dieses Bild davon. Das prototypische MF-Horn bleibt dennoch die ST302, die über Ferguson seit den 70ern bis in den Spätherbst seiner Karriere vermarktet wurde. Genaue Zahlen waren nicht zu eruieren, aber die ST302 dürfte in den (späten?) 90er Jahren von der ST307 abgelöst worden sein, ehe 2004 Holton die Trompetenherstellung einstellte.

Die Eckpunkte der ST307: eine XL-Bohrung (11,89 mm), ein überlappender Stimmzugbogen, der so rund ist wie er nur sein kann, ein langer Luftweg bis zum Maschinenstock durch eine Positionierung desselben weit hinten (also nahe am Mundstück) und ein Becher im 5-Zoll-Ausgangsformat (127 mm). Das könnte wenig Widerstand bedeuten. Doch anders als die ausführlichst getestete LT302, verfügen die ST-Modelle über Außenzüge aus Neusilber, die wohl auch etwas mehr Gewicht mit sich bringen. Das würde in Hinblick zumindest auf die Ansprache kontraproduktiv wirken.

Ein MF-Horn wie Maynard es spielte?

Der TrumpetScout war vor dem Test auf jeden Fall gespannt, ob sich der Martin-eske Ventilblock irgendwie bemerkbar macht. Die LT302 hatte die Bach-gleiche Maschine, genauso eine schon gespielte und wenig überzeugende ST306. In diesem Punkt ist die ST307 also näher am Original-MF-Horn (wenn auch eben mit reversed leadpipe). Was ist jetzt aber genau das originale MF-Horn? Laut einem Datenblatt von trumpet-history.com ist das Modell, das Maynard selbst blies, nicht die ST302, sondern die ST301:

Und die ST301 unterschied sich wohl vornehmlich durch ihren Widerstand von den anderen Modellen. Sie sei „offener“, wohingegen die populäre ST302 ein „high-resistance model“ zumindest innerhalb der MF-Hörner gewesen sei. „Mit großem Widerstand“ muss demnach zwar als relativ verstanden werden, überraschend ist das aber doch. Die wichtigste Frage jetzt: Wem schlägt die ST307 nach: Maynards Monster oder doch den engeren Varianten?

So spielt sich die Holton ST307

Um die Testbedingungen zu klären: Der Verkäufer der Trompete hat sie netterweise für ein Probieren in Ruhe zuhause überlassen. Dieses Vertrauen – es gab keinerlei Bekanntschaft – sollte aber nicht überstrapaziert werden. Die üblicherweise obligatorischen und minimalen zwei Wochen zur Adaption auf ein Horn schrumpften auf wenige Tage zusammen. Diese Einleitung verrät: Liebe auf den ersten Blick wurde nicht entfacht.

Man sieht den runden Stimmzugbogen, der wie Mundrohr und Becher aus Gelbmessing gefertigt ist. Der Zinkfraß zeigt deshalb auch schon ungezügelten Appetit.

Die Holton ST307 ist mittelschwer und auch mittelschwergängig. Weder sprach sie besonders gut an noch besonders schlecht. Der Widerstand war ebenfalls im diffusen Mittelfeld anzusiedeln. Diffus war sowieso das Gefühl, das das Horn auslöste. Schwammig. Beim Tonumfang würde der Trumpetscout eher die Normallage als Home Ground bezeichnen, doch auch hier entfaltet sich keine Sicherheit und besondere Spielfreude. In der oberen Region erst recht nicht.

Natürlich wurden verschiedene Mundstücke mit der Holton kombiniert: Vom großen Schilke 17D4 – denn manchmal funktionieren große Trompeten interessanterweise mit einem großen Mundstück besser als mit einem vermeintlich ausgleichenden kleineren – bis zum kleinen Yamaha Allen Vizzutti. Richtig Spaß hat das alles nicht gemacht. Die zum Vergleich parallel gespielte Olds Ambassador war viel offener, direkter und agiler. Die Yamaha YTR-8335RGS pointierter, spritziger, rastender. Eben – als Antonym zu ’schwammig‘ – trittsicher.

Enttäuschende Intonation, unzuverlässige Ventile

Hinzu kamen weitere Unsicherheiten der ST307. Schon bei der ersten im Leben neu gekauften Trompete, eben ein Holton MF-Horn, war schwierige Intonation ein Thema. Hier der gleiche Fall in groß: Das D2 hing massiv, viele andere Töne auch, manche waren dagegen zu hoch. Klar, Large Bore bedeutet oft auch viel Spielraum, den es zu kontrollieren gilt. Aber hier war nicht viel sehr Spielraum, dessen Mitte man bei guter Fitness und Ohren auch passabel treffen kann, sondern vielmehr schien der Weg fehlgeleitet. Nur mit Mühe war die Tonhöhe in bestimmten Fällen auf das rechte Niveau zu heben oder zu drücken. Die Komfortzone war für den TrumpetScout eindeutig zu weit zurückgelassen.

Gut erkennbar: die Neusilberaußenzüge. Die Maschine ist zwischen erstem und zweitem Instrumentendrittel. Das verschiebt den Haltepunkt nach hinten und macht die Trompete sehr kopflastig.

Das wenig überzeugende Bild komplettierten Ventile, deren Drückerstengel nicht zu 100% zentriert aus den oberen Ventildeckeln zu ragen schienen. Das muss prinzipiell nichts über den Lauf aussagen, eher viel über Fertigungstoleranzen beim Hersteller. Aber hakelig waren die Pumpen trotzdem und vermittelten insgesamt das Gegenteil von Sicherheit und Verlässlichkeit.

Der Sound der Holton ST307

Hier könnte der Riese nun punkten, schließlich ist der Klang oft völlig entkoppelt vom Spielgefühl. Die Testhörerin attestierte zunächst eine schiere Lautstärke, die mit den anderen verfügbaren Trompeten (eine ebenfalls sehr große Selmer B700 gesellte sich noch zum Reigen) durchaus mithalten konnte, im mittleren Bereich sogar leicht vorne lag. Der Klang wurde dennoch in seiner Qualität als gedämpft beschrieben – Sound ist eben subjektiv. Doch dieser Eindruck deckt sich auch mit dem Gehörten hinter dem Horn. Die ST307 ist trotz Messingmundrohr und -becher sowie Neusilberzügen nicht schneidend und auch nicht kernig. Eher warm, breit, tendenziell orchestral (mit Betonung auf „tendenziell“!). Das bestätigte dann auch ein Test mit Kollegen. Einer probierte sie statt seiner Drehventiltrompete und empfand die Holton im Vergleich damit als passabel (und so klang sie auch). Der andere klang auf der ST307, anders als auf seiner eigenen Yamaha YTR-4335G, viel braver – und beim ersten Anspielen auch unsicherer. Insgesamt formte sich das überraschende Bild einer gänzlich unamerikanischen Trompete. Einer Anti-Bach sozusagen. Das wiederum passt doch auch wieder zu Maynard Ferguson. Dessen Ton war zwar gewaltig und groß, aber auch warm und rund. Laserstrahlen hat der Boss nie abgefeuert, vielmehr Thermalwasser mit Hochdruck. Das muss man aber auch leisten können.

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Das Fazit zum letzten Holton MF-Horn ST307

Es mag das angespielte Exemplar besonders schlechte Ventile haben. Es mag die Intonation hier (vielleicht sogar in Zusammenhang mit den Ventilen) besonders schlecht ausfallen. Aber der TrumpetScout stellt sich trotzdem die Frage, ob eine halbwegs ordentlich gebaute ST307 trotzdem ein sogenannter Player ist. Und weiter: Hatte Maynard an so einem Horn Spaß? Oder war (auch) sein letztes Holton-Instrument eine getweakte Maßtrompete, die mit der Serie nichts als die Optik gemein hatte?

Wer unbedingt in puncto Equipment auf Maynard Fergusons Spuren wandeln möchte, sollte sich eher für eine LT302 entscheiden oder die vom TrumpetScout leider noch nie gespielte ST302 unter die Lupe nehmen. Vielleicht heißt „high resistance“ ja tatsächlich, das dieses Ding zumindest in der Höhe gut funktioniert. Aber bitte vor dem Kauf anspielen. Von positiven Ersteindrücken bei Holton MF-Trompeten kann der TrumpetScout bisher leider nichts berichten.