Auferstehung der Calicchio? Die Allround-Trompete Adams A10

Als der TrumpetScout beim holländischen Hersteller Adams nach Testinstrumenten fragte, gab es keinen konkreten Modellwunsch. Es sollten just die beiden Trompeten-Topseller sein. Bei der üppigen A4 verwunderte dieses Attribut nicht, bei der im Vergleich schlanken A10 jedoch schon. Was ist deren Geheimnis?

Im Laufe der Jahre bekommt man ein Gefühl für die Abstammung einer Trompete, einen Blick für das Genmaterial eines neuen Modells. So manches wiederholt sich, wenn auch nur in Teilen, und das ist gar nicht schlecht. Neuerung ist keine notwendige Bedingung für ein gutes Produkt im Low Tech-Bereich, die Fertigungsqualität und Details sind eher entscheidend. Falls sich nun die Gemüter über die Formulierung „Low Tech“ erhitzen: Ja, es gibt neue Entwicklungen, neue Materialien und neue Fertigungstechniken, aber theoretisch kann eine 50 Jahre alte Trompete noch immer so gut sein wie eine neue. Im Automobilbereich oder gar bei der Elektronik ist das undenkbar. Es gibt heute eine größere Erkenntnis über das Warum eines guten Instruments und auch das Wie, weshalb heute die Qualität in der Masse so hoch ist wie nie zuvor. Rückgriffe auf alte Konstruktionen sind dennoch erlaubt – und sogar erwünscht.

Die Form der Adams A10 erinnert stark an eine Calicchio alter Schule

Nach diesem einführenden Exkurs kommen wir nun aber zu Adams. Die Holländer orientieren sich wie vielleicht nur die Kalifornier von Kanstul an der Geschichte der modernen Trompete, also der des 20. Jahrhunderts. Die Modelle A8 und A4 kommen nach dem historisch wohl jüngsten Konzept, nämlich der Heavyweight-Trompete von Monette. Die A9 gleicht der ikonischen Martin Committee (nach deren Vorbild Schilke-Trompeten und deren Derivate von Yamaha gebaut sind) und die A6 ist die Reinkarnation der sehr speziellen Idee der äußerst populären, aber schon lange ausgestorbenen Conn Connstellation.  Der Rest des Portfolios, also auch die A10, ist – aus TrumpetScout-Sicht – genealogisch ohne große Umwege auf die Mutter der meisten modernen Trompeten zurückzuführen, die French Besson. Diese wiederum wurde seinerzeit von Elden Benge kopiert und ist mit seinem Namen versehen bis heute oft in Benutzung, inspirierte aber auch Vincent Bach (zum wohl bekanntesten Trompetenmodell der Welt, der Stradivarius) und auch Domenick Calicchio.

Hier ist nicht nur die Stoppermechanik am ersten Ventilzug zu erkennen, sondern auch der gekröpfte Anschlag der Ventilzüge, die vor allem am zweiten Ventilzug sehr selten ist.

Gleich beim Auspacken fällt die rein optische Ähnlichkeit zu den Instrumenten aus der Manufaktur des berühmten italienischen Emigranten ein, der selbst nicht einmal Trompete spielte, dennoch für die Größen der Branche in Los Angeles das Arbeitsgerät herstellte. Sie wird markiert durch: die Stoppschraube am ersten Ventilzug, die stark gekröpften Ventilzüge im Allgemeinen, ein starker Versatz der Maschine in Richtung Mundstück (13,6 zu 29,3 cm davor und danach), einen D-förmigen Stimmzug mit zwei Stützen (die von Calicchio selbst hergestellten Exemplare hatten in den populären Modellen zwei Stützen, später dann nur noch eine), ein nicht doppelt geführtes Rohrstück zwischen Stimmbogen und Maschine, einen vergleichsweise eckigen Schallbecherbogen und einen sehr kleinen Becherabschluss (bei der Adams A10 lediglich 120 mm). Zur vollständigen Zwillingsexistenz fehlen die Calicchio-typischen Ventildeckel, die Mundstückaufnahme (hier ähnelt sie stark der einer Benge) und der doch etwas offenere Becherverlauf gegen Ende hin, den außer Calicchio wohl kein andere Hersteller je so weit formte (im letzten Viertel wirkt es, als wollte der Calilcchio-Becher nun erst richtig aufgehen und wurde dabei beschnitten).

Bohrung & Materialstärke: die Innereien der Adams A10

Mit knapp über 1,1 kg in der versilberten Version – 8 Gramm zeigte die Waage mehr an – ist die A10 ein prototypisches Mittelgewicht. Der Unterschied zu einer Bach Stradivarius (circa 1.200 Gramm) mit ähnlichem Aussehen dürfte im Fehlen der dicken Neusilberaußenzüge zu suchen sein. Das wird in der versilberten Version erst Recht nicht deutlich, aber auch in der lackierten nicht. Die Materialstärke des Bechers indes ist nichts, wo Gewicht gespart wurde: 0,5 Millimeter sind nicht extradick, aber definitiv kein Indikator für leichtes Blech, eher oberer Standard. Stützstreben und Anbauteile wie den Stopper für den ersten Zug gibt es zuhauf, hier fuhr man also auch keinen Verschlankungskurs.

Okay, bei einer alten Calicchio dürfte man wohl auch Ventilführungen aus Messing vorgefunden haben.

Die Bohrung der Ventile ist mit 11,7 mm angegeben und wurde auch so gemessen. Für die einen ist das schon Large, für Adams noch ML, für die, die es besser wissen, ist es egal, da bekanntlich das Zusammenwirken aller Komponenten die Trompete bzw. ihren spezifischen Widerstand (aus)macht. Nicht unterschlagen sei hingegen die Güte der Ventile: Sie liefen in den weidlich genutzten Testwochen perfekt.


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Alle Rohrteile und der Becher sind aus Gelbmessing gefertigt, was die Grundlage für einen hellen, lebendigen Ton legt, aber bei schlechter Pflege auch den Zinkfraßbefall befördern dürfte. Aber ein Instrument dieser Preisklasse wird in der Regel sowieso gut gewartet.

Adams A10: Ansprache und Klang

Die Kombination aus traditioneller Stimmzugkonstruktion, vielen Stützen und dem „winkeligen“ Becherbogen macht per se einen größeren Widerstand wahrscheinlich, wenngleich in dieser Kalkulation natürlich das Mundrohr nicht erfasst ist, dessen Eigenschaften man von außen nur schwer beurteilen kann. Doch die Vorüberlegungen täuschen einen nicht. Der TrumpetScout würde die A10 in puncto Widerstand knapp hinter der Grenze zur Hemisphäre der engeren Instrumente verorten – diese Einordnung basiert aber auf persönlicher Erfahrung und wurde nicht in einem Testlabor mit 50 anderen Trompeten verifziert. Aber: Dieser Eindruck harmoniert mit der Einordnung, die Adams für dieses Modell auf der eigenen Webseite vornimmt: „[…] popular with symphonic musicians […] The perfect choice for classical and all-around players.“ Ein wenig wirkt das Ding vom Blasgefühl wie eine Drehventiltrompete. Und für den Allround-Einsatz fährt man mit einem Instrument mit leicht erhöhtem Gegendruck sowieso besser.



Wie immer bei den engeren Instrumenten braucht es aber ein paar Töne und vielleicht mehrere Griffe zu den betreffenden Trompeten, bis man sich an ihnen auch emotional entzündet. Der TrumpetScout, bekannt für seine Vorliebe für effizientere Hörner, griff jedoch alsbald zu nichts anderem mehr. Mit einem tieferen Mundstück und im Piano gespielt, erklang die A10 zurückhaltend und lieblich, konnte sich aber bei Signalen oder einem Forte durchsetzen und zugleich an sich halten. Sie plärrte nie oder wurde „ausfällig“. Für Subtones war sie aber auch geeignet, sprach gut an und so stellte sich das Gefühl ein, die Trompete habe eine eingebaute Sensorik und wisse, was sie wann dürfe oder solle. Und manchmal musste sie auch: Zum Beispiel in der Big Band. Der TrumpetScout erinnert sich eine Probe, in der die A10 zum Einsatz an der Lead-Stimme kam. Dabei wurde sie nicht nur nicht sperrig jenseits des C3, sondern entwickelte auch das, was man gemeinhein Sizzle nennt, und zwar in einer Art und Weise, wie man es sich von einer hohen Trompete eben nur Wünschen kann – der Sound war nicht schreiend oder fransig, sondern (synästhetisch gesprochen) farbig. Das kann wohl nur ein gutes Studio-Equipment richtig einfangen, doch die Begeisterung des TrumpetScout sei den Lesern versichert!

Die holländische Wiedergeburt einer Calicchio 1s/2?

Das Zurückschicken dieser Trompete geschah mit ein wenig feuchten Augen, was selbstverständlich nicht heißt, dass die anderen Testinstrumente weniger gut sind. Wie immer bei Trompeten (oder Klamotten oder Autos oder Haustieren) ist es eine sehr persönliche Bewertung, und für den TrumpetScout passte die Kombination aus den eigenen Spielanlagen und dem Equipment bei der Adams A10 sehr gut. Der Widerstand passte für alle Register, der Klang für alle musikalischen Richtungen und die Stimmung für ein Spielen, bei dem man sich höchstens über sich selbst ärgern muss und nicht über seine Tröte. Genau hier liegt übrigens ein großer Vorteil gegenüber „echten“ Calicchio-Trompeten. Auch sie haben – vor allem in der 1s/2-Variante mit der „Special Bell“, die Adams auch in seine Produktbeschreibung als „unique bell“ übernahm – das Universelle und den erhabenen Ton mit den ganz besonderen Frequenzen. (Nicht umsonst spielten sie viele Studio-Trompeter über Jahrzehnte.) Allerdings müssen oft Hilfsgriffe zum Einsatz kommen, weil manche Töne einfach nicht stimmen.

Insofern sollten sich Fans der alten Calicchios freuen, dass diese in Holland wiedergeboren wurden – und zwar ohne Stimmungsschwankungen. Aber auch wer sonst nach eine traditionell gebauten Trompete sucht, die nicht so schwer wie eine Standard-Strad ist, sollte die Adams A10 in Betracht ziehen – ganz egal, ob im Orchestergraben, in einer Combo oder auf der Lead-Stimme.

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What is she offering?,“Sizzle and efficiency“

Your new girl friend?,“Anständig ist sie!“ 

Preis?,2.900 Euro. Weniger als eine Bach!
Dauerbeziehung?,“So lange das Messing hält! Take good care!
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