Vincent Bach und günstig, das passt nicht wirklich zusammen. Vincent Bach und deutsche Herstellung auch nicht. Jetzt gibt es aber eine Trompete mit dem Namen des amerikanischen Traditionsproduzenten auf dem Becher, die „Made in Germany“ sein soll und sehr günstig ist. Der TrumpetScout ist dieser unglaublichen Sache nachgegangen.
Die klassischen Bach-Trompeten kosten viel. Diskussion Ende. Das hat verschiedene Gründe. Zuerst und ohne Umschweife: Sie genießen ein globale Bekanntheit und ein Renommée durch alle Genres hindurch. Das darf man sich bezahlen lassen. Außerdem ist die Preisstabilität ähnlich wie bei einem Porsche – bei keinem vergleichbaren Serienprodukt verliert man prozentual weniger an Wert. Darüber hinaus ist die Herstellung bei Vincent Bach nicht hochgradig automatisiert, vielmehr überhaupt nicht. Und Handarbeit kostet Geld. Wenn auch in den USA vielleicht nicht ganz so viel wie in Westeuropa, dann dennoch mehr als in den meisten Teilen der Welt, in denen Musikinstrumente gebaut werden. Dazu kommen augenblicklich ein starker Dollar, Einfuhrzoll und angeblich auch sehr hohe Frachtkosten für den Transport über den Atlantik.
Vincent Bachs Portfolio-Erweiterung
Um dennoch nicht zu einer Marke nur für Profis und Besserverdienende zu werden, erweiterte man die Preisliste bereits vor langer Zeit nach unten mit der Ex-Patriot-Trompete VBS 1. Sie wird in den USA gebaut, aber dort nicht verkauft und ist im Grunde eine „Strad Light“: Es wird ein bisschen an Anbauteilen und am Schallstück gespart, welches zweiteiligt gefertigt ist. Dennoch kostet dieses Modell augenblicklich knapp 1.600 Euro. Das sind zwar grob 50% einer vollwertigen Bach Stradivarius, aber für viele Kunden ist das immer noch zu viel – die Preise für ernsthaft spielbare Instrumente sind in den letzten zwei Dekaden eben massiv gesunken. Andersherum: Die Produkte aus Fernost haben enorm an Qualität gewonnen.
Bach reagierte auf diese Veränderung und verkauft unter seinem Namen seit einigen Jahren auch sogenannte Anfängertrompeten. Die Modellbezeichnungen sind bisweilen verwirrend, wenngleich sie alle dem Muster „TR + dreistellige Zahl“ folgen. Laut der Webseite von Vincent Bach wird zumindest eines dieser Schülermodelle in den USA hergestellt (als Teil von Instrumentenriese Conn-Selmer dürfte das kein Problem darstellen), keines davon ist aber in Deutschland erhältlich. Hier gibt es andere Modellcodes (jedoch nach gleicher Systematik), z.B. die TR-650. U.a. Edelstahlventile weisen auf die Herkunft aus Fernost hin (das ist nur ein Indiz – auch einige deutsche Hersteller setzen auf dieses Material) und abgesehen davon wird daraus auch kein Hehl gemacht. Eine Trompete um 400 Euro kann nicht mit westlichen Gehältern produziert werden. Wie gesagt: Der Qualiltät muss das kein Abbruch tun.
Vincent Bach TR450: eine globale Trompete
Mit der neuesten Günstigen, der TR450 (ja, ohne Bindestrich!), betritt man nun schon wieder Neuland. Die Teile kommen von einem chinesischen Zulieferer, der nach den Vorgaben von Conn-Selmer bzw. dem europäischen Vertriebsunternehmen GEWA fertigt. Die Komponenten werden dann bei Müller in Bayern, falls nötig, angepasst, zusammengesetzt und die fertige Trompete dann poliert und lackiert. Die TR450 ist also ein amerikanisch-asiatisch-europäisches, schöner: ein transkontinentales Mischprodukt. Vorgabe in Bezug auf die Eigenschaften war ganz klar: Nicht einfach (noch) eine günstige Trompete nur mit Bach-Label soll entstehen, sondern einen Bach-typisch kernigen Klang muss das neue Ding haben. Ob das geglückt ist? Dazu später mehr.
Hervorstechendstes Merkmal der Bach TR450
Ein Auffälligkeit, die diese günstige Trompete (zur Einführung unter 800 Euro UVP und damit doppelt so teuer wie die ‚höherzahlige‘ TR-650) mit zweien der exquisitesten Bach-Modelle (19037 und 19043) und auch mit den begehrten Vintage-Instrumenten gemein hat, ist die Zweiteiligkeit der Ventilkolben. Sie bestehen oben aus Neusilber und unten aus Messing. Bach stellte diese Produktionsweise ein, als es möglich wurde, das Metall in der vollen Kolbenlänge zu durchbohren. Die ursprünglich notdürftige Verbindungslösung hat jedoch eine (für den TrumpetScout positive) Auswirkung auf den Klang und das Ansprechverhalten. Die Trompete schwingt stärker. Dadurch verliert man möglicherweise Energie, aber… es fühlte sich zumindest im Vergleich zwischen Standard 37er und der 50th Anniversary Edition sehr gut an. Außerdem setzt Yamaha bei seinen Xeno-Modellen auch auf diese Bauart – sicher nicht ohne Grund.
Weitere optische und technische Eigenheiten der Bach TR450
Ebenfalls ins Auge springt die Leadpipe aus Goldmessing, das wohl einen höheren Kupferanteil hat, so rot wie es aussieht. Obwohl traditionell gebaut (mit normalem Stimmbogen zum Stecken), gibt es – wie bei der VBS 1 – nur eine Stütze beim Stimmbogen. Strads ohne reversed leadpipe haben immer zwei davon. Der Stimmzug selbst ist in traditioneller D-Form gehalten und aus Messing.
Weder Hersteller noch Händler bezahlen für diesen Artikel. Das macht sein Urteil noch wertvoller, da unabhängig! Hilf mit einer Spende dabei, dass das so bleibt: paypal.me/trumpetscout
Der Fingerring auf dem dritten Ventilzug ist – das ist als klares Statement zu werten: „Es handelt sich um keine Schülertrompete!“ – fest verlötet und eben jener Zug hat noch einen ‚Meta-Zug‘, über den man das Wasser entfernen kann. Das kennt man von den ‚großen‘ Bachs, die hier allesamt auf eine Wasserklappe verzichten.
Die Züge sind außen aus Neusilber, die Ventile der ML-Maschine (11,66 mm) aus Stahl. Das Messing-Schallstück ist zweigeteilt und an seinem Ausgang von besonders kleinem Durchmesser. Lediglich 120 mm misst man diametral von Rand zu Rand. GEWA spricht von einer neuen Form – es dürfte kein allzu großer Becher auch in Bezug auf den Verlauf sein. Was den Bogen der Glocke angeht, wird Kennern deutlich werden, dass hier eindeutig andere Biegematrizen als bei den Strads verwendet werden. Er ist schlicht runder.
Ansonsten warten optische Bach-Elemente wie eine Mundstückaufnahme und eine Wasserklappe im Hexagon-Design. Auch die Ventildeckel und der Daumensattel sind den bekannten Stradivarius-Teilen nachempfunden.
Spieleigenschaften der Bach TR450
Bach-Trompeten sind meistens keine ‚Selbstläufer‘. Das liegt am Gewicht (oft) deutlich jenseits der 1.100-Gramm-Marke, den vielen Stützen, dem scharfen D-Stimmzug, dem engen 25er Standard-Mundrohr und den engen Schallstücken, wenn man nicht gerade zum 72er Becher greift. Prinzipiell leistet eine durchschnittliche Stradivarius also ausreichend Widerstand. Die TR450 ist ein wenig leichter (1.069 Gramm), hat nur eine Stütze beim Stimmzug – ist aber dennoch kein offeneres Horn. Auf der TrumpetScout-internen Widerstandsskala wurde ein M für Medium eingetragen. Zum Verlauf des Mundrohres kann nichts gesagt werden, ebenso wenig wie zum unbezifferten Schallbecher. Tendenziell hat man sich aber wohl kompakt orientiert. Eine klare Komfortzone in der tiefen, mittleren oder hohen Lage gibt es nicht. Die Trompete ‚geht so‘ überall, aber nirgendwo herausragend.
Nicht ganz auf Top-Niveau schien im Test die Intonation, aber eben auch nicht auffällig schlecht. Hier muss jedoch – wie eigentlich auch zur Optik – gesagt werden, dass es sich bei dem Testinstrument um einen Prototypen bzw. ein Vorserienmodell handelte. Möglicherweise funktionieren also auch die im Laden erhältlichen Trompeten dieses Typs in puncto Stimmung besser.
Die Ventile machten dagegen überhaupt keinen Kummer und liefen für Stahlventile äußerst zufriedenstellend. Ganz so fein wie die Monelpumpen der Stradivarius lassen sie aber naturgemäß nicht bewegen.
Der Sound der Bach TR450: kernig wie eine spitze Nuss
Wechseln wir vom Test-Präteritum ins Präsens zurück, denn die Aussagen in Bezug auf den Klang der ‚deutschen Bach‚ haben sicher allgemeine Gültigkeit. Ziel war, dem typischen fokussierten Sound einer Standard Stradivarius nahe zu kommen. Ist das geglückt? Auf jeden Fall! Der Ton wirkt zwar nicht so massiv wie bei einer guten 180er oder 190er (man würde sich auch ins eigene Fleisch schneiden, wenn dem so wäre), aber das kernige Amerikanische, eben das ‚Bachige‘, das ist definitiv vorhanden. Mit dem tiefen Mundstück wirkt der Klang sehr reif.
Insgesamt ist der Ton aber eher als hell, vor allem in Verbindung mit einem flachen Mundstück, einzustufen, wenn auch nicht unflexibel und dünn. Aber die (nennen wir es so:) spitzen Komponenten provozieren das Scharfe und das nicht besonders hohe Gewicht trägt ebenfalls seinen Teil zum Klang bei.
Nur in lackierter Ausführung erhältlich
So, das Geheimnis um die hybride Herkunft der Bach TR450 ist also gelüftet. Der Straßenpreis liegt teilweise bei nur 700 Euro mit Koffer. Das ist nicht viel, vor allem wenn man bedenkt, das doch kein unerheblicher Teil der Wertschöpfung (Montage und Lackierung) in Deutschland stattfindet. Pluspunkte für die Preisnote gibt das allemal. Und viel an Wert verlieren kann man ohnehin nicht. Fazit: Von den ‚billigen Bachs‚ ist die TR450 ganz sicher die, bei denen die Bach-Gene am dominantesten aufscheinen – optisch wie klanglich, auch wenn die Trompete Elkhart nicht einmal von der Weite sah. Das könnte sich auch positiv auf den Werterhalt auswirken.
Was dem Glück des (Anfänger- oder fortgeschrittenen) Bläsers noch fehlt, wäre (neben einem cooleren Namen!) eine versilberte Version. Dann sähe man das rötliche Mundrohr nicht (aber leider auch nicht die zweiteiligen Ventilzylinder) und man hätte noch ein wenig mehr Gewicht sowie wahrscheinlich einen gemäßigteren Klang.
[table caption=“TrumpetScout dares an educated guess“ width=“900″ colwidth=“400|900″ colalign=“left|left|center|left|right“]
What is she offering?,“Big name, two-piece valve casing, low price“
Your new girl friend?,“Wenn man die drei Farben mag“
Preis?,700 Euro
Dauerbeziehung?,“Kommt auf die eigene Entwicklung an“
[/table]