Seit ungefähr zwei Jahren beschäftigt sich der TrumpetScout aktiv mit traditioneller Blasmusik. Zwar ist Zuhören die beste Schule, aber gerade zu Beginn wäre doch ein Nachschlagewerk, das einen mit den Basics vertraut macht, nicht verkehrt. So eines hat er jetzt zufälligerweise in die Finger gekommen. Der Titel: „Böhmisch mit Herz“.
Polkas und Märsche – das hat der TrumpetScout in seinen Jugendjahren in der Musikkapelle gehasst. Hier gibt es nichts schön zu reden. Aber früher hat er auch keine Tomaten gegessen. Zum Glück bleibt nicht alles, wie es war – heute darf gerne eine Polka auf dem Notenpult liegen. Die ist natürlich dann am schönsten, wenn sie richtig gespielt wird. Nur, was heißt das, abgesehen davon, dass man die richtigen Töne trifft, gut intoniert und technisch sauber bläst?
Wer die Gelegenheit hat, in guten Kapellen zu spielen und auskunftsfreudige Kollegen hat, die einen an ihrer Erfahrung teilhaben lassen, dem wird das Phrasing zumeist – um mit einem Liedtitel zu sprechen – Von Freund zu Freund vermittelt. Wer sich zumeist eher im Kreise uninteressierter oder ahnungsloser Musiker durch den traditionellen Teil der Notenmappe wühlt (so war es beim TrumpetScout vor 25 Jahren!), dem bleibt in der Regel nur der Weg übers genaue Hören von sehr guten Aufnahmen. Oft bleibt da aber nur das Staunen und wenig Erkenntnis, denn das Extrahieren von Regeln ist gar nicht so leicht. „Die klingen einfach gut!“ Hinzu kommt, dass die einen Könner so spielen und die anderen es eben anders machen.
Polka, Marsch und Co. – wie spielt man das jetzt eigentlich?
Der TrumpetScout hat mit seinen Fragen während der Proben oft auch Fragezeichen in den Gesichtern der Mitmusiker gesehen. Manches wurde einfach so gespielt, wie man es von Kindesbeinen an hörte, manchmal gewann aber doch der Schlendrian Oberhand und an der im Prinzip gleichen Stelle war jede Regel perdu. Kurz: Selten wurde ein Leitfaden so herbeigesehnt! Den bekam der TrumpetScout nun aber ganz unerwartet in die Hände, nachdem ein Kollege auf ein Büchlein hinwies, das sich eben genau diesem Thema in ‚How to‘-Manier widmet: „Böhmisch mit Herz“ heißt das Werk und gibt dem interessierten Musiker oder Dirigenten alles an die Hand, was man für Polkas, Märsche und Walzer wissen muss. Den Verfassern, Holger Mück und Alexander Pfluger, darf man ruhig vertrauen – sie sind in diesem Genre definitiv zuhause.
Von der Besetzung übers Phrasing bis zu unterschiedlichen Stilen
Das Buch wendet sich natürlich nicht nur an Trompeter und Flügelhornisten, sondern an alle Instrumentalisten, die Dirigenten wie auch an die Sänger und möchte alle Aspekte der traditionellen (mitteleuropäischen) Blasmusik behandeln. Deshalb widmen sich die ersten Seiten den verschiedenen Besetzungsformen und führt hier auch schon die Unterscheidung zwischen ‚böhmisch‘ und ‚mährisch‘ ein.
Weiter geht es um die Rollen der einzelnen Instrumente in gesamten Klangkörper und deren Spielweise. Gerade den klassischen Melodieinstrumente Flügelhorn und Tenorhorn bzw. Bariton kommt eine prominente Aufgabe zu, die das Umsetzen einer bestimmten Phrasierung erfordert – das ist nicht anders als in der Swing-Musik. Und genau hier wird es für den TrumpetScout interessant. Mück und Pfluger schreiben nicht nur von einem Spannungsauf- und -abbau in einer Phrase, sondern erklären anschaulich und machen ganz unmissverständlich klar, wie lang die wichtigen Notenwerte Achtel und Viertel – im Gegensatz zur Klassik – wirklich zu spielen sind und wie sie zu klingen haben. Schließlich wird, wie eben auch im Jazz, oft auf Phrasierungszeichen verzichtet, da es unter den Spezialisten einen Konsens darüber gibt, wie etwas zu spielen ist.
Genauso wird auch auf rhythmische Eigenheiten eingegangen wie der verspätete Nachschlag oder das – nennen wir es einmal so – ‚laid back-Signal‘.
Natürlich wird auch die Aufgabe der Obligattrompete, quasi des einsamen Signalbläsers, besprochen – und davor gewarnt, die Rolle zu wichtig zu nehmen und sich auf Kosten der Melodie zu sehr ins Rampenlicht zu drängen: „Die Oblilgatstimme sollte sich immer der 1. und 2. Flügelhornstimme unterordnen.“ und „Der Trompeter sollte während eines Konzertprogramms mit hohen Abschlusssignalen und -tönen gezielt und sparsam Akzente setzen!“
Zum Schluss geht das kleine Einführungs- und Nachschlagewerk auf unterschiedliche Stile und Kompositionstypen ein: Was macht die böhmische Polka aus, was die mährische und was die Egerländer Polka? Wie ist ein Marsch zu spielen und wie ein Walzer?
Für wen lohnt sich „Böhmisch mit Herz“?
Wer keine Ahnung hat, wie man Polka und Marsch richtig zu spielen hat, der ist mit diesem Buch bestens bedient. Aber auch wer sich schon mit der Musik auseinander gesetzt hat und – wie der TrumpetScout – trotzdem keinen verlässlichen Plan hat, findet hier die Basics und damit Sicherheit, gerade bei der Phrasierung. Doch selbst langjährige Blasmusiker, die gerne hinterfragen, ob das alles so richtig ist, wie man’s eben schon immer gemacht hat, können sich Absolution besorgen oder ihre Zweifel bestätigen. Und zu guter Letzt: Dirigenten und Lehrern, deren Kernkompetenz nicht der Egerländer-Sound und das böhmisch-mährische Repertoire ist, verschafft „Böhmisch mit Herz“ das nötige Rüstzeug, um der Grundstein für adäquates Musizieren zu legen.
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Wer sich die Theorie in diesem übersichtlichen Band anliest, wird sicher künftig auch anders wahrnehmen, was die Granden des Genres von Mosch bis Mück und Hutter eingespielt haben. Die Lektüre ist daher eine extrem sinnvolle Ergänzung zum Hören – ohne das geht’s aber sicher nicht.
Negative Kritik: Dem TrumpetScout sind die Zeichnungen etwas zu verspielt. Das ist aber Geschmacksache. Positive Kritik: Hier finden sich die Basics derart komprimiert, dass man sehr schnell das Gefühl hat, zu wissen, worauf es ankommt. Der Umsetzung steht dann nichts mehr im Wege!
Erhältlich ist „Böhmisch mit Herz“ im Webshop von Holger Mück und an vielen anderen Online-Verkaufstellen.