Conn 8B Symphony Grand Gustat von 1934 – a vintage player

Von alten Conn-Instrumenten schwärmt die halbe Big Band: Egal ob in der Sax-, Posaunen- oder Trompetensection – überall trifft man auf Liebhaber dieser Marke, wenngleich die von Innovationen geprägte Blütezeit des Unternehmens für viele bereits Geschichte zu sein scheint. Abgesehen von der 38B, der großen Connstellation, gibt es auf dem europäischen Vintagemarkt aber kaum Modelle. Eines richtigen Exoten nimmt sich der VintageScout heute an…

Die Trompete, um die es hier geht, trägt zumindest einen noch halbwegs vertrauten Namen: 8B. Die Kenner denken dabei zurecht an Freddie Hubbard, dessen Lightweight-Horn auch diese Kombination eingestanzt hatte, aber in den den 60ern gebaut wurde. Richtig. Nicht zum einzigen Mal hat Conn Modellnamen doppelt vergeben. Die erste 8B trägt den Zusatz Symphony Grand und wurde u. a. mit Joseph Gustat, dem ersten Trompeter des Sinfonieorchesters von St. Louis, entwickelt. Sein Name macht Verwechslungen mit dem 30 Jahre jüngeren Modell von Freddie Hubbard.

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Keine wide wrap-Architektur, wie sie die populären Modelle von Conn aus den 50ern und 60ern auszeichnet.

Wer sich nun  nach der Gustat auf der sehr informativen Conn Loyalist-Seite sucht, wird die Bilder hier skeptisch beäugen. Die unberührte 8B dort hat einen Trigger am ersten Ventilzug und – das auffälligste Zeichen – einen verkehrten dritten Zug: Der Fingerring ist auf der Unterseite angebracht, die Zugführung dagegen ist oben. Diese Neuerung war wohl nur „theoretisch praktisch“ und konnte sich nicht halten. Einem späteren Besitzer hat wohl die Trompete an sich gefallen, nur der dritte Zug gestört. So kam es wohl zu einer nachträglichen Anpassung. Den Trigger gab es auf Wunsch, hier muss also kein Eingriff vorliegen.

Eine Mischung aus 8B und 22B – also eine CONNversion?

Die Ventildeckel wurden wohl ebenfalls getauscht, am einflussreichsten dürfte aber der Tausch der Mundstückaufnahme sein. Sie stammt sicher nicht von der Gustat, aber vielleicht von der ähnlich aussehenden 22B? Oder handelt es sich gar um eine 22B? Dagegen spricht der erste Zug in reversed-Bauweise, über den die 22B nicht verfügte und das Alter. Die nur noch schwach erkennbare Seriennummer verweist nämlich in das Jahr 1934. Ohne originale Mundstückzwinge fehlt eben die Modellprägung, es bleiben nur Indizien. Das Instrument präsentiert sich also als ein Rätsel, wenn man sich nicht auf die Historie des Sammlers stützen, von dem sie stammt. Wenden wir uns aber den Spieleigenschaften zu…

Conn ist der Citroen der Blasinstrumente – hochinnovativ, progressiv, missverstanden

Geht man von den Spezifikationen der 8B aus, wird zunächst deutlich, dass Conn hier vielen anders gemacht und echte Innovationen in der Serie eingesetzt hat. Die Bohrung von 11,63 mm ist nahe am heutigen Standard – Medium Large. Damals war das, gerade für Conn, eine riesiges Rohr, waren doch Pea Shooter mit Bohrungen von 11 mm das Maß. Es sollte aber auch eine Klassiktrompete für den sinfonischen Einsatz werden. Der erste Zug wich hier sogar nach oben ab und zeigt eine Weite von 12,19 mm. Sensationell! Dieser Kniff wird bei einigen modernen Trompeten wieder angewandt. Hinzu kommt eine Stütze an eben diesem ersten Zug, wie sie ähnlich die Yamaha 9335 Chicago aufgelötet hat. Der Schallbecher besteht aus einem Stück (Conn hat später bevorzugt auf die zweiteiligen Becher gesetzt) und einem ganz speziellen Metall, das Conn nur „C-17“ nannte. Weitere Neuerungen, für die die Trompetenwelt noch nicht empfänglich gewesen zu sein schien, drängen den Vergleich mit so manchem französischen Auto auf. Innovativ, aber ignoriert.

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Kein Trigger, dafür in reversed-Bauweise und mit Stütze. Die Altersflecken lassen wir zunächst unkommentiert.

Dieses könnte in der Tat für den ganz eigenen Klang der Trompete verantwortlich sein. Sie ist zwar warm und lässt sich durch alle Register gut blasen, entwickelt aber gerade in der wichtigen Lage zwischen G2 und C3 Frequenzen, die sich zu einem angenehmen sizzle-Sound mischen. Die normalgroße Bohrung ist vielleicht ein Grund dafür, dass die Gustat nicht so eng wirkt wie z. B. eine 22B oder ähnliche Trompeten, deren Konstruktion noch eher an das ausgehende 19. Jahrhundert erinnert.

Ein über 80 Jahre altes Instrument entpuppt sich als echter „player“ – da lohnen Reparaturen

Eine Schwäche der getesteten Gustat ist sicher die Stimmung und ihr schwaches Einrastverhalten. Daran muss man sich sehr gewöhnen. Eine Stärke, wenn nicht gar die neben dem Klang, ist der richtige Widerstand für das obere Register. Jenseits des C3 ist sie vergleichsweise leicht zu spielen, sogar das frustationsauslösende A3 ist schlicht und einfach „drauf“. Da neben dieser verbastelten Gustat noch eine im Originalzustand zum Vergleich zur Verfügung stand und die nicht so gut ansprach, liegt der Verdacht nahe, dass die neue Zwinge die Gap zwischen Mundstück und -rohr positiv verändert hat. Zumindest bei meinem Schaft. Aber auch den früheren Besitzern dürfte die 8B genau so gefallen haben. Anders ist nicht zu erklären, dass man eine Trompete mit derart vielen und großen Patches spielfähig erhält.

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Ventile vom alten Schlag mit unten sitzender Feder. Simpler geht es nicht. Auch zu sehen: Patches überall – auf dem Bogen des Bechers, dem zweiten Ventilzug und hinter den Ventilen auf dem Schallstück. Böse Korrosion? Negativ.

 

Die Ventile und Züge sind leichtgängig und dicht. Das grenzt eigentlich an ein Wunder, wenn man bedenkt, dass dieses Horn vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut und offensichtlich sehr viel gespielt wurde. Flecken hat sie zwar und kaum noch Lack, aber Zinkfraß, wie man ihn von manch moderner Trompete kennt, ist hier Fehlanzeige. Das honiggelbe Messing strotzt nur so vor Widerstand und wirkt mit seinen Narben so als wolle es trotzig noch einmal 80 Jahre lang Lippenschwingungen zu Trompetenklang transformieren.



Dieser alten Dame klappern schon ein wenig die Gelenke und auch ihr Haut gleicht beileibe nicht mehr der eines Messingpfirsichs, aber sie singt noch wie einst, durch die neuen Teile vielleicht sogar besser!

 

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Your new girl friend?,In der Big Band auf jeden Fall.
Preis?,Schwer zu schätzen – sehr selten! Individueller Wert!
Dauerbeziehung?, „Ja – aber nichts für Sammler. Player!
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