Schallstück, Becher, Glocke, Trichter – es gibt viele Wörter für das quasi letzte, aber doch so wichtige Bauteil der Trompete. Hier erklärt der TrumpetScout, wie sich im Speziellen seine Form auf den Ton und die Spielbarkeit des Instruments auswirkt.
Es gibt Bauteile an der Trompete, die sind wunderbar messbar. Vornehmlich sind das die zylindrischen Rohre; ihr Durchmesser kann ohne Weiteres bestimmt werden. Vielleicht ist auch deshalb die Bohrung – also der Innendurchmesser der Ventile und zumeist auch des gesamten Maschinenstocks – eines der Merkmale, dem von Trompetern ganz besondere Beachtung geschenkt wird. Bei Mundrohr und Schallstück liegen die Dinge anders. Ihr Verlauf ist teilweise konisch oder macht, im Querschnitt betracht, gar eine Kurve. Größen miteinander zu vergleichen fällt dadurch äußerst schwer. Minder einflussreich sind diese Komponenten deshalb freilich nicht. Im Gegenteil: Gerade das Schallstück als Projektor des erzeugten Schalls ist ganz dominant, wenn es um den Klang geht, hat aber auch erheblichen Einfluss auf den Widerstand und damit das Spielgefühl. Welche Beschaffenheit was bewirkt, ist Thema dieses Artikels.
Worin unterscheiden sich Schallstücke voneinander?
Unterschiede zwischen verschiedenen Schallbechern lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen:
- Das Material: Die gängigsten Materialien sind Messing und Goldmessing. Daneben gibt es seltener reines Kupfer oder Sterlingsilber. Sehr selten kommen auch andere Legierungen (z.B. Neusilber) zum Einsatz oder bei geteilten Bechern auch Verbindungen unterschiedlicher Materialien. Jedes Material hat eine besondere Schwingungseigenschaft. Am Ende spielt natürlich auch das Finish des Bechers eine Rolle.
- Die Materialstärke: Üblicherweise weisen Schallstücke eine Ausgangsmaterialstärke von 0,45 bis 0,55 mm auf. Es geht auch dünner (und damit zumeist auch teurer), aber auch dicker. Becher mit dünnerer Wandung schwingen besser als solche mit dickerer Wandung. Beides hat Vor- und Nachteile.
- Der Fertigungsprozess: Prinzipiell gibt es einteilige und zweiteilige Schallbecher. Die einteiligen können aus Blattzuschnitt gefertigt oder galvanisch produziert werden. Bei der konventionellen Methode der Herstellung aus Blattzuschnitt ist darüber hinaus eine weitere Differenzierung durch unterschiedliche Techniken beim Verlöten, Hämmern und Biegen möglich. Die zweiteiligen Becher bestehen aus einem annähernd konischen Rohr mit aufgesetztem ausladenden Trichterstück. Auch hier gibt es per se keine besseren oder schlechteren Prozesse.
- Die Becherform: Gemeint ist damit der Rohrverlauf des Schallstücks sowie dessen Durchmesser am Ende. Hier gibt es praktisch unendliche Gestaltungsmöglichkeiten. Um diese Kategorie geht es im diesem Artikel vornehmlich.
- Der Anschlussdurchmesser: Auch der Rohrdurchmesser beim Schallstückeingang kann variieren. Üblicherweise ist er auf die Maschinenbohrung angepasst. Der Anschluss erfolgt in der Regel also stufenlos. Natürlich gibt es hier auch historische Ausnahmen wie die Conn Connstellation 38B (small auf extra large) oder die Benge Claude Gordon (xl auf deutlich kleiner).
- Das sonstiges Design: Weitere bauliche Eigenheiten bestimmen die Eigenschaften des Bechers: Wie ist der Rand gestaltet? Welcher Draht wird dort eingelegt? Wie wird er eingelötet? Wie ist der Schallstückbogen geformt? Gibt es einen Kranz?
Das Schallstück und seine Form bzw. Größe
Genauso wie bei der Bohrung sprechen sowohl Trompeter wie Trompetenhersteller auch beim Becher gerne von groß oder klein. Korrekt oder zumindest eindeutig ist das aber nicht, denn wo misst man denn die Größe? Diese Frage kann und will auch Schallstückspezialist Bernd Sandner aus Markneukirchen (der mit seinen Produkten nicht nur Instrumentenbauer in Deutschland und Österreich, sondern auf der ganzen Welt versorgt) nicht beantworten und erklärt an einem Beispiel, warum: Einer seiner Becher ist kurz vor dem ‚Ausgang‘ weiter als der andere, dafür ein Stück weiter hinten enger. Welcher ist jetzt der größere?
Tatsächlich quantifizierbar ist dagegen der Durchmesser am Becherrand. Die heutigen Standardgrößen (bei Perinetinstrumenten!) sind 123 mm bzw. 127 mm. Anfang des 20. Jahrhunderts lagen sie darunter, mittlerweile gibt es (sicher beeinflusst durch das Monette-Design) auch viele Maße von 130 bis 140 mm. Auch diese Größe hat einen Einfluss auf den Klang. Mehr Einfluss – auch auf das Spielgefühl – dürfte jedoch der Rohrverlauf im Bereich vor dem Ausgang haben. Für Robert Schagerl, Leiter der Entwicklung bei Schagerl in Mank, sind die gesamten 25 cm vor dem Becher bzw. der gesamten Abschnitt ab Höhe Ventilblock der distinktive Bereich. Dort unterscheiden sich die Schallstücke im Wesentlichen voneinander.
Um diese Unterschiede im Verlauf visualisieren zu können, müsste man Knet-, Ton- oder Gipsabdrücke anfertigen und diese jeweils in andere Becher stecken. Oder auf modernste Vermessungstechnologien zurückgreifen und die Ergebnisse digital übereinander legen. Beides ist nicht so leicht. Durch die Bank scheinen überdies alle Hersteller in diesem Punkt auf Informationskontrolle bedacht. Die exakte Schallstückform ist offensichtlich wohl gehütet.
Die Schallstückform und ihr Einfluss auf den Widerstand
Bevor wir zum Klang und Abstrahlverhalten der unterschiedlichen Schallstücke kommen, soll es zunächst um die Auswirkung der Becherform auf den Widerstand der gesamten Trompete gehen. Natürlich spielen die oben genannten Faktoren (vor allem Materialstärke ergo Gewicht und Anschluss bzw. der Eingangsdurchmesser) dabei auch auch eine gewichtige Rolle. Der eigentliche Rohrverlauf sollte aber nicht unterschätzt werden. Vergleicht man beispielsweise die gängigen Becherformen von Bach (25, 37, 43 und 72) miteinander, so darf man behaupten, dass sich die Trompeten mit größerer Modellnummer offener blasen lassen als die mit kleinerer. Und das sogar, obwohl die Bach 25 standardmäßig mit Large Bore-Maschinenstock, alle anderen jedoch mit ML-Ventilen ausgestattet sind. (Ob es hier einen Choke-Effekt gibt, da der Becher zu Beginn enger ist als das L-Maß der Ventile, bleibt zumindest für den TrumpetScout eine offene Frage.)
Bei Schilke lassen sich die gängigen Bohrungsmaße M, ML und L sehr transparent mit drei verschieden weiten Schallstücken kombinieren. Auch hier bieten bei gleicher Bohrung die engeren Becher mehr Widerstand als die weiteren.
Der direkte Vergleich mit Wechselschallbecher
Um nun ganz sichergehen zu können, dass kein anderer Faktor das Resultat beeinflusst, darf man im Grunde keine zwei Trompeten miteinander vergleichen, sondern muss auf ein Instrument zurückgreifen, dessen Becher sich wechseln lässt. Genau das hat der TrumpetScout getan, und zwar mit einer Schagerl Lu5a. Besonderheit dieser mit Gileno Santana entwickelten Trompete ist, dass hier ein Perintetinstrument ganz bewusst mit einem Drehventilbecher (konkret sogar von einer C-Trompete!) konstruiert wurde. Ein solcher sei, so erklären Robert Schagerl und Bernd Sandner übereinstimmend, prinzipiell weiter als eine Glocke bei einer konventionellen Pumpventiltrompete (RS: „Weiter als ein 72er Becher.“), was wiederum mit dem engeren Mundrohr, der kleineren Bohrung und der früheren Positionierung der Maschine bei einer Drehventiltrompete zu tun habe.
Im Sonderfall des Testmodells gab es aber eben noch einen zweiten Becher zum Wechseln, der nach Robert Schagerl in dieser Form standardmäßig bei den hauseigenen Perinettrompeten zum Einsatz kommt und ungefähr einem 43er Becher von Bach entspricht. Bei beiden Schallstücken liegt die Ausgangsstärke des Materials bei 0,5 mm. Der weitere Becher hat zudem einen Trichterdurchmesser von 130 mm, der engere einen von 127 mm. Beide sind aus Goldmessing gefertigt und standen unlackiert für den Test zur Verfügung. Der Vollständigkeit halber: Der ‚größere‘ Becher wog 12 Gramm mehr.
Die Spieleindrücke: Large bell vs. regular bell
Die Lu5a – das sollte im Vorhinein noch gesagt werden – ist ein ‚Triple L-Horn‘. Das heißt: Das Mundrohr ist weit, die Bohrung ist groß und das Schallstück ist eben sogar extrem großzügig ausgelegt. Das sind keine Vorzeichen für eine Trompete, die der TrumpetScout sofort ins Herz schließt. Und so waren auch die ersten Spielversuche nicht gerade überwältigend schön. Zu wenig Widerstand, keine ‚Leitplanken‘ für die Luft, das ganze Instrument fühlte sich irgendwie diffus an. Für einen reinen Jazz-Solospezialisten wie Santana mag das perfekt sein, andere werden sich eventuell zunächst damit schwer tun.
Dann erfolgte der Wechsel auf das ’normale‘ Schallstück und der Charakter der Trompete veränderte sich komplett. Der Widerstand war deutlich vergrößert, das Slotting auf einem ganz anderen Niveau und das ganze Instrument schlichtweg spitzer. Es handelte sich einfach um eine völlig andere Trompete. Trotz gleicher Bohrung, trotz gleichem Mundrohr.
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Die Becherform und ihr Effekt auf Sound und Projektion
Attribute wie ‚diffus‘ beim Spielverhalten geben auch Aufschluss auf den Klang bzw. die Klangentfaltung. Der weite Lu5a-Becher schießt nicht in den Raum, sein Schall strömt vielmehr, und das in alle Richtungen. Für den Spieler klingt es schon ein bisschen wie ein Flügelhorn und auch vor dem Instrument ist das Klangbild nicht anders: „Brizzelt nicht, klingt in der Mitte und im tiefen Bereich etwas heiser und in der Höhe angestrengt, kann dort aber auch regelrecht klingeln. Leise gespielt wirkt der Ton fast wie gedämpft.“ Der ausladende Becherrand scheint die nicht-zielgerichtete, homogene Verteilung im Raum noch zu unterstützen. Der Eindruck verfestigt sich, dass es bei diesem Instrument weniger wichtig ist, ob man direkt davor, seitlich versetzt, daneben oder sogar leicht dahinter sitzt.
Ganz anders der engere Becher. Die Trompete wirkt vorne insgesamt lauter, der Spieler bläst von sich weg und viel fokussierter dorthin, wohin die Glocke zeigt. Überall, aber besonders in der Höhe rasten die Töne deutlich sicherer ein und insgesamt klingt das so konfigurierte Instrument einfach ‚trompetiger‘. Wie krass (und hier hat dieses Wort ausnahmsweise seine Berechtigung) der Unterschied zwischen den beiden Schallbechern im Raum ist, vermag die Aufnahme leider bei Weitem nicht einzufangen.
Erklären lässt sich dieser Unterschied über weitere Polarisierung: Schaut man sich die beiden Extreme im Bereich des hohen Blechs an – eine fast durchgehend zylindrische Fanfare und ein Flügelhorn mit einem ausgedehnten konischen Bereich am Ende -, so wird deutlich, wie wichtig das Schallstück in Bezug auf Klang, Projektion und auch Spieleigenschaften ist. Große konische oder sich mehr als linear vergrößernde Rohrabschnitte machen einen weichen, dunklen und breiten Klang, Rohrverläufe mit kleinem Konus erzeugen einen kernigen, hellen und zentrierten Sound. Ein starkes Öffnen reduziert den Widerstand, ein vorsichtiges Öffnen behält ihn eher bei.
Open End
Zum Schluss noch eine Bemerkung zur subjektiven Spielerfahrung mit der großen Lu5a. Wie auch schon bei der Flip Oakes Celebration war der Spielspaß mit dem großen Becher zu Beginn nicht groß. Das hat sich dann aber auch in diesem Fall geändert und nach einer Woche war fast nur noch das Drehventilschallstück montiert – und das wird auch im Video deutlich. Man kann sich also daran gewöhnen, dass der Widerstand anders liegt. Unabhängig davon sprechen die Eindrücke vor dem Instrument für sich: Treibt man die Bechergröße in die Höhe, streut der Schall zweifelsfrei mehr. Wählt man ein engeres Schallstück, so ist die Führung und Projektion definitiv besser. In diesem Sinne: Nicht nur Mundstück und Ventilbohrung sind wichtig, auch das offene Ende vom Blech – und das sogar ganz besonders.