Blonder Samurai, Trompeten-Wikinger oder auch „Loreley aus Hawaii“ – so könnte man den Mann mit heller Mähne aufgrund ebendieser und natürlich den beeindruckenden Qualitäten seines Tons im Stile einer reißerischen Headline bezeichnen. Bei Eric Miyashiro nachfragen, wie es dazu kam – also zu Haar- und Klangfarbe -, wollte der TrumpetScout aber schon immer. Und hat das jetzt getan.
Eric Miyashiro ist der Spross eines Profi-Trompeters. Das kann in die Hose gehen, falls die Erwartungen väterlicherseits (noch gibt es hier eine klare Geschlechterdominanz) an den Nachwuchs zu hoch sind oder der Schatten des familiären Vorbilds einfach zu groß ist. Es kann aber auch ein enormer Vorteil für die Entwicklung sein. So gewesen beim Power-Player aus Hawaii.
Also in Gänze und von vorn: Eric Miyashiros Vater – ein japanischstämmiger Amerikaner zweiter Generation – war ein sehr engagierter Musiker in Honolulu, Mitglied der „Royal Hawaiian Band“, aber auch mit der eigenen Jazz-Combo unterwegs. Neben der Trompete bediente er auch gekonnt das Keyboard, den Bass und das Vibraphon und betätigte sich als kreativer Arrangeur. Mit dabei: oft der kleine Eric. Für ihn gehörte Musik also ganz selbstverständlich zum Leben, wie für andere die Sportschau oder die samstägliche Autowäsche. Dabei wurde die ganze Bandbreite an musikalischer Betätigung abgedeckt: Papa Miyashiro spielte nämlich im klassischen Orchester, im Brass-Ensemble, in der Big Band, der kleinen Besetzung und auch auf dem Latin-Feld. (Wenngleich die Mutter noch in Tokyo geboren wurde, so hatte er doch keinen Kontakt mit traditioneller japanischer Musik.) Früh hat er aber bei Proben- und Konzertbesuchen bemerkt, dass die Trompete heraus sticht. Diese prominente Rolle hat ihm gefallen, Eric hat sie als passend für seinen Charakter erachtet – auch wenn er in den Youtube-Videos, die wir von ihm kennen, nicht wie eine klassische Rampensau wirkt: zwar vorne, aber zurückhaltend in Gestik und Mimik.
Eric Miyashiros Vater war Profi-Trompeter – hat ihn aber nicht unterrichtet.
Natürlich hat Eric dann selbst zu spielen begonnen. Interessanterweise wurde er aber nicht von seinem Vater unterrichtet, was durchaus, zumindest ganz am Anfang, zu erwarten gewesen wäre. Nicht einmal Fragen hat er seinem Vater gestellt. Er blieb – auch aufgrund pädagogisch in alten System verhafteter und an Jazz und Pop überhaupt nicht interessierter Pädagogen – ein reiner Autodidakt, das Lernen von anderen beschränkte sich aufs Zuhören und Zuschauen. Heute sieht er dieses dogmenfreie Aufwachsen als großen Vorteil, wenngleich ein offeneres Umfeld sicher noch mehr gepusht (oder eher „gepullt“) hätte. Denn genau wie der Vater wollte Eric sich nicht auf eine Musikrichtung beschränken und favorisiert auch bis heute keine, wenngleich wir ihn meistens als Maynard Ferguson-Interpreten wahrnehmen. Das Trompete Spielen hat ihm einfach schon immer großen Spaß gemacht und Musik war Musik, egal ob im Jugendsinfonieorchester oder in der High School Marching Band.
Überraschenderweise hat Eric Miyashiro aber trotz der frühen passiven Erfahrung erst in der fünften Klasse zu spielen begonnen. Noten lesen konnte er zu der Zeit nicht, mit anderen zusammenspielen stand auch noch nicht auf dem Plan. Wie viele große Trompeter hat er einfach zu Aufnahmen von der Platte gespielt wie es ihm gefiel. Durch diese isolierte Situation drangen die üblichen Negativreize nicht zu ihm durch: In einem Verein z.B. bekommt man ja recht früh mit, was schwierig ist oder anscheinend „nicht geht“. Ganz anders bei Miyashiro Junior. Er hörte sich Big Band-Platten an und probierte mitzuspielen – egal wie hoch da geblasen wurde. „Manchmal ist es gut, nicht zu viel zu wissen“, analysiert er diesen Umstand selbst.
Auch Eric Miyashiros Weg kreuzte den von Bobby Shew.
Nach Abschluss der High School kam der junge Eric in den Genuss eines Stipendiums der renommierten Berklee Musikhochschule – das war das allererste Maynard Ferguson-Stipendium. Dort war er aber nur zwei Jahre bevor er sich der Buddy Rich-Big Band anschloss. Das Tour-Leben hat dann trompeterisch seinen Tribut gefordert, Eric bekam Probleme mit seinen Lippen, verletzte sich durch das viele anstrengende Spielen. Da war zum Glück der Papst der Trompetenlehrer zur Stelle, der bei Buddy Rich lange sowohl die Leadstimme spielte als auch solierte: Bobby Shew. Er half Eric dabei, mit seinen Problemen umzugehen. Bei Bobby Shew nahm er zwar nie klassisch Unterricht, aber bis heute besucht Miyashiro ihn, wann immer er in Los Angeles unterwegs ist und schwärmt: „Sobald du mit Bobby zusammen bist, ist es eine Lehrstunde.“ Dennoch ist der „Mann mit dem Strahl“ stolz darauf, nicht von einem einzigen Guru geformt worden zu sein, sondern davon profitiert zu haben, schon früh Größen wie Jerry Hay, Gary Grant, Chuck Findley, Allen Vizzutti, Doc Severinsen und natürlich Maynard Ferguson persönlich getroffen zu haben.
Eric über MF: „When I first heard Maynard, it was like lightning hit me.“
Bevor Maynard Ferguson gegenüberstand, wurde er natürlich aus der Ferne bewundert. Das erste Album hieß „M.F. Horn 4&5 Liva at Jimmy’s“ und hat den Siebtklässler getroffen wie ein Blitz. Bis drei Uhr früh hat er sich die Platte immer und immer wieder angehört. An jede Note eines jeden Solos von „MacArthur Park“ könne er sich noch heute ganz genau erinnern. Auf seine unüberhörbare Klangverwandschaft zu Maynard Ferguson angesprochen, erklärt Eric Miyashiro, dass er nie versucht habe, wie Maynard zu klingen, er ihm aber so viel zugehört habe, dass eben einfach einiges auf ihn abgefallen sei. Nun ja, es gibt schlechtere Abfallprodukte… So oder so ist für den hawaiianischen Meister das Zuhören ein wichtiger Schritt zur eigenen Reife, musikalisch wie technisch. Üben heißt für ihn auch, sich im Zuhören zu verbessern.
„Finde heraus, was für dich funktioniert – das unterscheidet die Stars von den Sterblichen.“
Weil Kollegen des TrumpetScout von der eigenen Erfahrung mit Eric Miyashiro berichteten, der beim Anspielen von verschiedenen Trompeten derart laut in der Region zwischen G3 und C4 gespielt habe, dass man hätte glauben können, es zerreiße das Horn, musste er natürlich auf seine Technik angesprochen werden. Seiner Antwort ist leider so unspektakulär wie sein Ton spektakulär: „Ich benutze das Atemsystem von Bobby Shew. An Luftvolumen glaube ich nicht, das ist nur für die Länge der Phrase wichtig. Die Geschwindigkeit der Luft muss kontrolliert werden und das hängt mit der Luftversorgung, der Lippenspannung und der Lippenöffnung zusammen. Auch der Zungenstand spielt je nach Spielsituation eine Rolle. Aber jeder Spieler bringt seine ganz eigene physische Voraussetzung mit. Viele Methoden funktionieren oder eben nicht, es gibt kein richtig oder falsch. Jeder muss seinen Weg finden. Ganz wichtig ist die Soundvorstellung im Kopf.“ Das klingt nicht wie das Allheilmittel, auf das viele hoffen, ist aber die Wahrheit: Frei von Ängsten und technischen Überlegungen einfach und unbeirrt dem Ziel des besten Tons nachgehen. Natürlich hilft der Besuch bei einem guten Lehrer dabei, aber das Mittel sollte nicht über dem Zweck stehen – und das tut es doch bei einigen.
Signature-Trompete und eigenes Mundstück: Erics Equipment
An dieser Stelle können wir uns passenderweise – quasi von der einen Technik zur anderen übergehend – um die Equipmentfrage kümmern. Es ist weithin bekannt, das aus der Zusammenarbeit mit Yamaha ein eigenes Signature-Modell entstanden ist, die vom TrumpetScout bereits getestete YTR 8340EM. Lassen wir sie Eric in eigenen Worten erklären: „Viele Leute glauben, dass meine Trompete sehr groß ist, aber in Wirklichkeit ist die Ventilbohrung eine Medium-, nur der Stimmzug und die Ventilzüge sind large. Der Durchmesser des Bechers ist der von alten Monke-Drehventiltrompeten. Die Form ist eine Kopie des Besson Meha-, 72er Bach- oder auch Schilke A-Bechers. Was das Blasgefühl ausmacht, ist der Spieler. Die Physis, das Mundstück und die Trompeten müssen gut ausbalanciert sein.“ Außerdem gibt er den Rat, den auch der TrumpetScout aus eigener Erfahrung gut vertreten kann: „Beurteile ein Instrument nicht nach seinem Gewicht, seiner Bohrung, seiner Lackierung, seinem Aussehen oder seinem Alter!“
Neben seinem Yamaha-Mundstück, dem EM1 mit 27er Bohrung und der Bobby Shew-Backbore, arbeitet Eric Miyashiro gerade mit dem augenblicklich sehr angesagten Mundstückmacher Gary Radtke aus den USA an einem neuen Signature-Modell.
Back to Japan, big in Japan
Seit nunmehr 25 Jahren lebt der 1963 geborene Eric Miyashiro nun im Land seiner Vorfahren, also Japan. Wie es dazu kam? Nach Verlassen der Woody Herman-Band wollte der 27-Jährige eigentlich nur ein paar Monate Urlaub jenseits des Pazifiks machen, daraus wurde dann ein Vierteljahrhundert bis dato. Schuld daran war natürlich eine Frau. Ursprünglich wollte er von New York nach L.A. wechseln, bemerkte aber, dass es für den Erfolg als Musiker keine Rolle spielt, wo man ist, sondern schlicht, was man macht. Das kann man natürlich hinterfragen, für Eric Miyashiro scheint sich die Philosophie bewahrheitet zu haben, zumal er natürlich noch immer viel in der (Trompeten-)Welt herumkommt. Jeden Tag, so sagt Miyashiro auf jeden Fall, sei er froh darüber, Trompete spielen zu dürfen und dies Arbeit nennen zu können. Und darüber kann man sich auch freuen.
Geheimnisse aus dem Tour-Leben und die Frage nach der Haarfarbe
Heutzutage macht der Wahl-Japaner viel Studioarbeit, spielt aber auch sehr viele Konzerte mit Blasensembles, Big Bands (darunter auch die eigenen), großen Orchestern und in Fernseh-Shows, geht aber auch noch ab und zu auf Tour. Das ist das Stichwort für eine Antwort zu einer delikaten Frage bezüglich seiner frühen Tour-Erlebnisse: „Wenn ich ein Buch über meine Tour-Zeit schreiben würde, würden einige Menschen festgenommen werden oder geschieden. Mich eingeschlossen!“ Kein weiteren Fragen gestattet… Doch er schiebt selbst nach, dass kein Unterricht der Welt das vermitteln kann, was man auf Tour lernt: „Du begegnest deinen schlimmsten Albträumen und machst deine bestgehüteten musikalischen Erfahrungen.“
Zum Schluss muss aber noch das Rätsel um die nicht gerade vorteilhafte Haarfarbe des mittlerweile 52-Jährigen gelüftet werden. Die angekündigte lange Geschichte verkürzt er dramatisch: „Ich hatte den Farbwechsel nicht geplant, es war ein Unfall. Der Weg zurück war nicht mehr so leicht.“ Glaubwürdig hört sich das nicht an. Aber es gibt eben Geheimnisse, die man nicht preisgibt. Vor allem dort, wo es um haarige Angelegenheiten geht.