Der Schallbecher und sein Material: Messing vs. Goldmessing

Für das Schallstück der Trompete kommen in den meisten Fällen nur zwei Materialien in Frage: Messing und Goldmessing. In diesem Artikel klärt der TrumpetScout die zentrale Frage: Worin unterscheiden sich diese beiden Varianten?

Im letzten Artikel zum Thema Schallbecher hat sich der TrumpetScout intensiv um die Form des letzten Bauteils der Trompete gekümmert. Hier geht es nun um dessen Materialbeschaffenheit.

Die Materialien: Kupfer + ?

Prinzipiell kommt bis auf die Ventile in jedem wichtigen Bauteil der Trompete Kupfer, zumindest als Komponente, zum Einsatz. Das dürfte auch mit der Flexibilität des Materials oder genauer: seiner Duktilität zusammenhängen. Es lässt sich einfach gut verformen bzw. bearbeiten. Egal ob Messing, Goldmessing, Neusilber, Sterlingsilber oder Bronze – Kupfer ist immer im Spiel.

Beim Schallbecher gilt das noch mehr. Er kann vollständig aus Kupfer gefertigt sein (wie hier), was bei Ventilzügen praktisch nie und bei Ventilstöcken (von Experimenten abgesehen) erst recht nicht vorkommt. Aber auch die Materialien, die ohne Zweifel und mit großem Abstand am häufigsten zum Einsatz kommen, weisen einen sehr hohen Kupferanteil auf: Goldmessing (im Englischen sind dafür mehrere Bezeichnungen gängig: ‚gold brass‘, ‚rose brass‘ oder ‚red brass‘) besteht zu circa 80% und Gelbmessing (‚yellow brass‘ oder einfach nur ‚brass‘) zu circa 60% aus dem roten Metall. Natürlich sind die Grenzen hier fließend. Der Rest? Das viel weniger weiche und (bei für uns Menschen erträglicher Temperatur) spröde Zink.

An dieser Stelle noch kurz zur Zusammensetzung der Exoten unter den Bechermaterialien: Alle Bronzen bestehen zu mindestens 60% aus Kupfer und einem anderen Material, das nicht Zink ist. Neusilber besteht zu rund 50% aus Kupfer, dazu kommen Nickel sowie Zink und Sterlingsilber setzt sich zusammen aus über 90% Silber sowie üblicherweise Kupfer als Komplementär.

Ein Vergleichstest mit Wechselbecher

Um nun herauszufinden, worin der Unterschied zwischen den Materialien abseits der Zusammensetzung der verschiedenen Legierungen liegt – nämlich bei Ton und Ansprache -, braucht es eine Trompete mit formgleichen Schallbechern, die aus verschiedenen Werkstoffen gemacht wurden. Da man bei Trompeten mit Wechselmechanik in der Regel diese Möglichkeit nutzt, um verschiedene Querschnitte einzusetzen, konnte nicht auf irgendein Instrument von der Stange zurückgegriffen werden. Es stand also ein Umbau an. Objekt der De- und Neumontage: die eigene Yamaha YTR-4335G. Ziel: der Wechsel zwischen Goldmessing- und Gelbmessingglocke, den gängigsten Materialvarianten.

Da die Qualität des Umbaus einer Connstellation 38B auf Tuning Bell vor einigen Jahren den TrumpetScout überzeugen hatte, wandte sich der TrumpetScout an Musik Gillhaus in Freiburg. Das TS-Instrument wurde dort so modifiziert, dass es jetzt sowohl

  • mit seinem originalen Goldmessingbecher
  • als auch mit dem Gelbmessingbecher einer YTR-2330

konfiguriert werden kann.

Ein bisschen Werbung darf an dieser Stelle sein: Das Ergebnis des Umbaus funktioniert so gut und sieht – auch ohne Nachlackierung! – so beeindruckend unauffällig aus, dass man glauben könnte, die Trompete sei mit wechselbarem Schallbecher ausgeliefert worden.

Unterschiedliches Gewicht

Beide Schallstücke sind zweiteilig, weisen den gleichen Trichterdurchmesser und auch den gleichen Rohrverlauf auf. Beim Gewicht gibt es – natürlich – Unterschiede. Natürlich deshalb, da die beiden Zutaten für die Messinglegierungen ein unterschiedliches spezifisches Gewicht haben, verschiebt sich bei gleicher Stärke mit dem Mischverhältnis auch die Anzeige auf der Waage. Das Schallstück aus Goldmessing wiegt 278 Gramm, das mit höherem Zinkanteil nur 250 Gramm. Ganz kann man diesen doch erheblichen Gewichtsunterschied von 10% wohl aber nicht auf das Material zurückführen. Ein Becher mit 80% Kupfer und sollte gemäß TS-Berechnung lediglich knapp 11 Gramm mehr wiegen als ein gleichstarker Becher mit nur 60% Kupfer, der die gewogenen 250 Gramm hat. Wahrscheinlich ist der Becher der YTR-4335G erster Generation aber aus etwas dickerem Blech gemacht. Laut Gillhaus haben die Japaner hier bei den Schülermodellen zuletzt nachjustiert, um die Instrumente weniger kopflastig zu machen. Und ein Zwanzigstelmillimeter (das sind die üblichen Schritte bei den Blechstärken) mehr brächte dann auch den Messingbecher nach ‚Materialausgleich‘ in die Region des Originalbechers.

Gelb vs. Gold.

Der Unterschied im Klang

Doch sehen wir nun von dieser Vergleichsschwäche zunächst ab und kümmern uns um den Effekt beim Spielen. Da beide Rohrverläufe gleich sind, macht sich kein Unterschied beim Widerstand bemerkbar. Die Ansprache wirkt beim Gelbmessingbecher jedoch direkter. Die Trompete geht damit nicht leichter, doch stellt sich das Gefühl ein, sie sei insgesamt viel lebendiger und gebe reges Feedback. Durch den höheren Anteil an starrem Zink mag die Glocke weniger schwingungsabsorbierend sein als eine mit mehr Kupfer im Gemisch. Und damit sind wir schon beim Klang. Was im Englischen oft mit ‚vibrant‘ bezeichnet wird, trifft hier voll zu und ist nichts anderes als eine Entlehnung aus dem Lateinischen: ’schwingend‘. Dieses freiere Schwingen führt zu einem größeren Frequenzspektrum. Das hört man vor der Trompete noch viel deutlicher als dahinter – und selbst auf der Aufnahme ganz ohne die Kraft der Einbildung!

Glücklicherweise hatte der TrumpetScout mit Tobias Füller einen herausragenden Trompeter zu Besuch, der die beiden Becher testete. Füller meinte, dass der Anstoß und das Ende der Töne mit dem Goldmessingbecher viel klarer und präziser seien, wogegen der ‚gelbe Becher‘ ein breiteres Tonspektrum erzeuge. Für den TrumpetScout war das gut zu hören. Die Goldmessingvariante kontrolliert den Ton. Messing lässt mehr Ton zu und bringt ihn regelrecht zum Funkeln.

In der rauschigen Sphäre der Chet Baker-Diadochen mag das Goldmessing besser gefallen (und noch mehr rauschen!) und auch im Normalbereich durch viel mehr Vitalität überzeugen. Im oberen Bereich gefiel dem TrumpetScout der rötliche Becher mehr. Er hält den Ton einfach besser zusammen und beschneidet toxische Frequenzen. Vielleicht setzen auch deshalb extrem kräftige Lead-Trompeter wie Thorsten Benkenstein auf ein Instrument mit Goldmessing-Schallstück?

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Zurück zum Gewicht: Nehmen wir an, dass mehr Zink (innerhalb eines gesunden Bereich) zu mehr Frequenzen führt, so kann man davon ausgehen, dass der Gewichtsunterschied zwischen den beiden Becher diese Tendenz nur verstärkt hat. Mehr Masse dämpft die Schwingungen. Wäre es das Messingschallstück dicker (und damit schwerer) gewesen – vielleicht wären die Unterschiede nicht ganz so extrem ausgefallen.

Eine Empfehlung zum Material

Der TrumpetScout war eigentlich immer ein Fan von Messingteilen im Allgemeinen (wobei gerade Stimmzüge und Mundrohre durch den höheren Zinkanteil leider gerne zu roten Punkten neigen) und Schallbechern im Besonderen. Dennoch gab es immer auch wieder Trompeten, die trotz höherer Kupferdosis sein Herz eroberten. Verwehren sollte man sich auf jeden Fall einer klischeesatten Zuteilung, die besagt, Goldmessing sei dunkler und daher für die Klassik besser geeignet und Messing gehöre zum Jazz oder in die Big Band. Ja, amerikanische Orchester setzen vielleicht eher auf Trompeten mit mehr Sizzle, wogegen die Wiener Philharmoniker dies als Sakrileg ansehen würden. Aber das persönliche Klangideal ist selbstverständlich entscheidend – oder vielleicht noch der Klang des Satzes, zu dem man stößt. Das Mundstück spielt sicher auch eine Rolle und auch die persönliche bläserische Disposition: Christoph Moschberger greift seit einiger Zeit zu seiner LA mit Goldmessingbecher. Nur wenige kommen damit klar, er klingt darauf fantastisch. Gelbmessing ist eben die erste Wahl für die meisten Trompeter. Es macht die Trompete eben richtig ‚trompetig‘ – aggressiv, hervorstechend, ‚brassy‘. Eigentlich schade, dass die YTR-4335G nur mit Goldmessing erhältlich ist. Egal. Der TrumpetScout kann ja jetzt jederzeit wechseln.