Diät für das Mundstück – ein Tuning-Experiment

Mit Boostern Mundstücke schwerer zu machen und dem Ton somit mehr Durchsetzungskraft zu verleihen, ist leicht. Andersherum geht das nicht ohne weiteres: Um Material abzutragen, braucht es Know-how und Werkzeug. Der Prozess ist außerdem irreversibel. Dem TrumpetScout erschien er dennoch nötig. Das Protokoll eines Experiments.

Links: So sieht ein Commercial-Mundstück von Bach aus, wenn es aus dem Laden kommt. Rechts: Eckiger kommt es nach der „Fettabsaugung“ daher.

Seit Juni letzten Jahres spielt der TrumpetScout in der Big Band ausschließlich auf einem Bach 10-1/2S, das bezüglich Randkontur, Kesselform, Bohrung und Rückbohrung einfach gut passt. Dieses Mundstück zeichnet – von den Abmessungen des Luftkanals und der Auflage für die Lippen abgesehen – sein hohes Gewicht aus. Optisch erinnert es an die Megatone-Serie von Bach (die jedoch im direkten Vergleich noch wuchtiger ausfällt): Der Massebereich um den Kessel wurde deutlich zum Stengel hin verlängert. Das Gewicht dieser auch Commercial genannten Mundstücke ist deshalb sehr hoch. Es sind (je nach Größe leicht schwankend) mit circa 107 Gramm zu rechnen. Zum Vergleich: Ein normales Mundstück wie das TrumpetScout-Klassikmodell wiegt lediglich 97 Gramm. Und zehn Gramm – das wissen nicht nur TrumpetScout-Leser – sind eine ganze Menge, vor allem an der neuralgischen Stelle Mundstück.

Das Gewicht muss runter

Wie sich der eingebaute Booster dieses deutlich massigeren Mundstücks auf den Klang auswirkt, wurde dem TrumpetScout klar, als er damit sein erstes Konzert spielte – auf der Solostimme in einer eingedampften Big Band. Der erste Trompeter rümpfte schnell die Nase und fragte daraufhin, ob ich nicht noch ein anderes Mundstück dabei hätte. Der Klang war im Vergleich viel zu penetrant, das Blending bzw. die Unterordnung war einfach nicht zu bewerkstelligen.

Das Materialplus dämpft die Schwingungen, wobei manche Frequenzen verloren gehen. Der Ton klingt dadurch sehr hart, nicht mehr so lebendig, wenngleich die Projektion natürlich auch besser wird. Die Ansprache ist aber trotzdem noch okay – Bach hat hier nicht (grundsätzlich) übertrieben. In der Dreierkonstellation Trompete – Mundstück – TrumpetScout (der Spieler hat natürlich  großen Anteil am Sound) gab es aber Anpassungsbedarf. Das Gewicht musste runter.

Die Gravur gerade angekratzt. Auf der Drehbank wurde das Mundstück erleichtert – bis hinauf zum Schriftzug von Hersteller und Modell.

Für einen Blechblasinstrumentenmacher ist die schnelle Diät kein Problem. Das Mundstück wird in einer Drehbank eingespannt und ‚abgeschabt‘. Wie viel aber soll wo genau weg? Der TrumpetScout hat zwar ein Faible für radikale Veränderungen (damit man sie auch ganz sicher spürt), nur sollte man hier doch behutsam vorgehen. Mehr wegnehmen geht immer noch, ein ‚zu viel‘ ist und bleibt zu viel.

Wie viel weniger ist noch genug?

Theoretisch könnte man beim seichten S-Kessel den kompletten Verlauf der Backbore hinauf bis in den Schriftzug auf das Außenmaß des Stengels (circa 13 mm) freilegen:

So weit könnte man das Mundstück abdrehen, ohne den Luftkanal zu beschädigen oder die Integrität des Mundstücks bei jeder kleinen Erschütterung zu gefährden.
Eine interessante Optik wäre sicher gegeben!

Es gibt Mundstücke (nicht mehr unbedingt aktuelle), die so oder so ähnlich aussehen, wenn auch nicht ganz so kantig. Ist das Mundstück zu leicht, leidet möglicherweise aber wieder die Tonbalance, die Trompete als Ganzes schreit dann eventuell oder hat zu wenig Kern und kaum noch Projektion. Abgesehen davon kann man im Extremfall auch die Stabilität gefährden: Das Ding fällt hin und bekommt einen Riss oder ist zumindest stark verbogen.

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Wo macht Gewicht beim Mundstück Sinn?

Der TrumpetScout hat sich zuvor die Position des ‚Knubbels‘ angesehen, der viele Mundstücke schmückt – er dürfte eine gewisse Bedeutung haben. Bei den schweren Bach-Mundstücken mit dem eingebauten tropfenförmigen Booster rutscht er zwangsläufig nach unten. Spielt dann zumindest seine Position womöglich gar keine Rolle?

Gibt es Schwingungsknoten beim Mundstück?
Gibt es Schwingungsknoten beim Trompetenmundstück? Sollte man die mit mehr Gewicht bedenken?

Beim Abdrehen des Mundstücks sollte deshalb ungefähr auf Höhe des Knubbels bei einem gewöhnlichen Mundstück auch bei dem erleichterten Mundstück (oberer Pfeil rechts) noch ein wenig mehr Gewicht am Schaft bleiben. Ganz ist das nicht gelungen. Der Verlauf ist sicher auch ein wenig der optischen Vorliebe des Drehers geschuldet! Braucht es den besagten Knubbel (nach und vor dem der Umfang des Stengels zumindest auf kurzer Strecke sehr klein wird wird, siehe Bild) aber oder hat er sich nur aus einer Tradition heraus über Markengrenzen hinaus erhalten? Nun, (fast – verfizieren lässt sich die Aussage nicht) alle Mundstücke, seien sie auch noch so schlank, haben irgendwo am Stengel Ringe, dickeres Material (siehe Bild unten) oder eben den Knubbel.

Die Mundstücke von Gary Radtke z.B. haben einen massiven Kesselbereich und verlaufen dann zylindrisch aber ’stark‘ bis in den Schaftkonus. Das dämpft auch ohne ,Knubbel‘.

Die Mundstückdiät – mehr als 10 Gramm abgenommen

Wo gedreht wird, fallen Späne. Deren Gewicht betrug circa 12 Gramm. Das 10-1/2S des TrumpetScout ist jetzt ein 10-1/2SL, also eine Leichtversion mit nur noch 94 Gramm. Das ist ein gehöriger Unterschied zur anfänglichen Gewichtsklasse.

Rechts circa 12 Gramm leichter als links. Ein Mundstück ist mollig (aber nicht weich!), das andere ‚geshredded‘, quasi mit freigelegten Muskeln.

Entscheidend ist natürlich aber, wie sich die Gewichtsreduktion auf den Klang bzw. das Ansprechverhalten ausübt. Letzteres wurde nicht viel besser (war aber auch vorher schon okay), der Ton jedoch ist definitiv farbiger und lebendiger. Das Gewicht vorher war eine Art Sizzle-Bremse, die jetzt gelöst wurde. Dem TrumpetScout gefällt das, er bereut den Eingriff – zumindest nach ein paar Tagen und nur einer einzigen Band-Probe – nicht. Ob sich die Projektion spürbar verschlechtert hat, lässt sich nicht sagen. Hier bräuchte es das gleiche Mundstück einmal im Originalzustand und nach der ‚Fettabsaugung‘. Für die Bilder wurde das 7S als Referenz benutzt – und das ist nun mal ein bisschen größer.

Neues altes Mundstück

Der interessante Aspekt ist bei diesem speziellen ‚Mundstückwechsel‘ ist, dass sich an der Lippe bzw. im weiteren Körper (der spürt den Gegendruck) alles gleich anfühlt, weil eben Rand, Kessel und Kanalverlauf gleich geblieben sind, es aber dennoch anders klingt. Die Resistance verändert sich unmerklich, der Ton aber spürbar. Das hat man nicht oft. Neues altes Mundstück.

Nennen wir es mal so: das TrumpetScout 10-1/2SL, Made in USA, Modified in Austria.

Die Modifikation scheint in diesem Fall Sinn gemacht zu haben (genau weiß man das erst nach längerer Praxiszeit). Eine Notwendigkeit dazu ist aber nur sehr selten gegeben. Wer hat schon ein Heavy-Mundstück, das ihm zu heavy ist? Bei Bach ist die Situation eine besondere, weil ’scharfe‘ Mundstücke dort erst seit Kurzem überhaupt das Programm ergänzen – und die sind alle schwer, wenngleich schwer nicht von allen Lead-Spielern präferiert wird. In der Regel sind die flachen Mundstück leicht bis mittelschwer und werden im Bedarfsfall eher beschwert als erleichtert. Dennoch: Feintunen kann man an der Drehbank für kleines Geld. Teuer wird es erst, wenn ein teures Mundstück dabei kaputtgeht.