French Besson – ein Name buchstäblich wie Musik, zumindest für uns Trompeter. Was aber verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung, die so reich ist an Strahlkraft, dass man Trompeten mit dieser Gravur fast schon wie ein ‚heilig’s Blechle‘ verehrt? Der TrumpetScout hat hier einiges zusammengetragen.
Oft schon referierte der TrumpetScout in seinen Berichten auf die French Besson, den Mutterkuchen aus Messing aller modernen Perinettrompeten. Bislang gab es zu diesem sagenumwobenen Modell aber noch keinen eigenen Artikel. Diese immense Lücke soll hier nun geschlossen werden.
F. Besson – keine einfache Geschichte
French Besson. Das suggeriert – na klar! – etwas Französisches. Warum aber graviert ein französischer Instrumentenbauer etwas in englischer Sprache auf seine Produkte? Das passt nicht ins Bild unserer westlichen Nachbarn. Der Widerspruch ist schnell aufgelöst: Das F. steht ursprünglich nämlich nicht für ‚French‘, sondern für Fontaine, den Familiennamen des Ehemanns einer der Töchter von Gustave Auguste Besson, dem Firmengründer von Besson (und weil eben ein Franzose, wurde der Name ursprünglich nicht [Bässn] sondern [Besõ] ausgesprochen). Diese Marthe Josephine Fontaine-Besson führt offensichtlich das Geschäft ihres Vater nach dessen Tod 1880 unter eigenem Namen weiter.
Allerdings hatte Gustave Auguste schon zu Lebzeiten sein Geschäft so ausgeweitet, dass er auch in London produzieren ließ und sogar über eigene Lagerhäuser in Luxemburg und Spanien verfügte. Möglich machte diese Expansion wahrscheinlich sein neuartiges Kornett, das er schon in sehr jungen Jahren konzipierte, sowie über 50 Erfindungen im Bereich des Blasinstrumenteherstellung, die wohl auch patentiert wurden und die Branche revolutionierten. Außerdem stieg der Bedarf an Blechblasinstrumenten speziell in Großbritannien, aber auch sonst in der Welt steil an. Die Instrumente, die in großen Stückzahlen produziert wurden, kamen deshalb eher aus London. Dort wurde dann allerdings auf das zugesetzte F verzichtet. Und somit macht die heute sehr populäre Bezeichnung ‚French Besson‘ wieder Sinn. Die Hörner, deren Gravur ‚F. Besson‘ besagt, waren eben die französischen, also irgendwie doch die French Bessons.
Was bei F. Besson in Paris zu Anfang des 20. Jahrhunderts in Bezug auf die Instrumentenentwicklung passierte, ist – wie noch so einiges in dieser Geschichte – unklar. Unbestritten ist aber, dass irgendwann in den frühen 1920er Jahren ein Trompetenmodell ersonnen wurde, das im Grunde allen damals kursierenden Instrumenten deutlich überlegen war: ein ML-Modell, das sowohl Orchester- wie auch Popularmusiker gleichermaßen ins Schwärmen brachte und das wir heute kennen unter der Bezeichnung F. Besson Breveté.
Dieser Namenszusatz heißt nichts anderes als ‚patentiert‘ und wird [bröwetee] ausgesprochen. Da vor allem im englischen Sprachraum dieses Wort offenbar gerne als [bräwätt] laut wie leise gelesen wird, kursieren in diversen Foren sogar daran orientierte falsche Schreibweisen wie ‚brevette‘.
Was unterschied die F. Besson von anderen Trompeten?
Was aber machte die Dominanz dieser neuartigen Trompete aus Frankreich aus? Zunächst wäre da die Bohrung zu nennen. Ein Maß von 0,46 Zoll bzw. 11,68 mm war zu jener Zeit sehr groß, wenn nicht gar gigantisch und deshalb eher die Ausnahme. Was peripher anders konstruiert wurde? Schwer zu sagen. Allerdings wurde zu jener Zeit viel getestet (was z.B. bei Conn gut nachzuvollziehen ist) und entsprechend merkwürdig sehen manche Früchte dieser Zeit aus. Man suchte irgendwie nach dem richtigen Weg. Zudem waren die Becher oft sehr klein und die Trompeten allgemein enger gebaut. Der Begriff des ‚Peashooter‘ – also des Blasröhrchens – dürfte in jener Zeit seinen Ursprung haben. Die French Besson war da offensichtlich ganz anders. Sie glänzte mit hervorragender Ansprache und großem Ton. Gerade für Solisten sind das unschlagbare Argumente.
F. Besson – die Mutter der modernen Trompete
Natürlich blieben diese beeindruckenden Eigenschaften den anderen Herstellern nicht verborgen – und waren ihnen ein Dorn im Auge. Schaut man sich den Werbetext einer Conn 22B New York Symphony, dem Topmodell der Marke jener Zeit, aus den 1920ern an, liest sich das wie ein direkter Angriff auf die F. Besson: „Previously the foreign trumpet had been chosen by big artists because of its peculiarly fine trumpet tone. However, these foreign trumpets were so faulty in intonation that users wore themselves out trying to „humor“ them and „lip“ them into tune. Moreover, they were extremely hard to blow.“ The foreign trumpet – das war mutmaßlich die French Besson.
Gerade virtuose Trompeter, die sich selbst zu Herstellern entwickelten, orientierten sich am französischen Topprodukt. Allen voran Vincent Bach, aber auch Elden Benge. Später kamen wohl auch die Instrumentenmacher wie Domenick Calicchio oder Reginald Birdsall Olds (der Sohn des Olds-Firmengründers Frank Ellsworth) buchstäblich auf den Trichter. Angeblich waren die damals großen Hersteller wie Conn und Holton damals nicht in der Lage, adäquat zu reagieren, weshalb sich in diesem US-amerikanischen Qualitätsvakuum die Landschaft an Produzenten bald maßgeblich veränderte – und Bach schlussendlich zu seinem bis heute andauernden Weltruhm gelangte.
Aber zurück zur französischen Königin. Die hatte im Grunde nur ein Problem, und das hieß Krieg oder genauer: Nazi-Deutschland. Als der Zweite Weltkrieg 1939 die Welt aus den Angeln zu heben drohte, war der Trompetenbau nicht das Wichtigste auf dem europäischen Kontinent. Als die Nazis dann auch noch Frankreich besetzten, gab es zudem einen guten Grund für die USA, französische Waren zu boykottieren, da sie indirekt den Aggressor Deutschland finanzierten. So zumindest die Idee derer, die die feinen Französinnen als Konkurrenzprodukte fürchteten. Anscheinend lobbyierte das Unternehmen Carl Fischer, dessen Namen man heute nur noch mit dem Musikverlag in Verbindung bringt, dafür, den Import von Besson-Instrumenten zu verbieten. Ironie dabei: Gründer Carl Fischer war einst alleiniger Besson-Importeur. Jedoch erwarb C.G. Conn 1929 die Instrumentensparte des Unternehmens und verfolgte deshalb andere Interessen. Ende des Lieds: Trompeten mit der Gravur ‚F. Besson‘ durften vermutlich ab 1940 nicht mehr in die USA eingeführt werden.
The American French Besson – Part 1
Mit Trompeten waren allerdings nur ganze Instrumente gemeint. Ersatzteile aus Frankreich durften weiterhin ins Land kommen. Da Not bekanntlich erfinderisch macht, nutzte ein New Yorker Händler mit Namen Joseph Rapuana die Gunst der Stunde und baute aus Ersatzteilen ganze Trompeten. Quasi eine amerikanische French Besson, z.T. auch mit wilden Kombinationen aus Maschine und Becher, da manche Teile bereits aus London kamen und mittlerweile auch eine größere Bohrung sowie ein daran angepasster Becher verfügbar waren. Deren Qualität dürfte aber nicht mit der kompletter Hörner aus Paris mithalten können.
Ein Indiz für ein solches Instrument – definitiv kein zwingender Beweis dafür – sind z.B. Schallstücke mit der Zusatzgravur ‚Perfectionnée‘. Sie weist auf ein Ersatzteil hin. So markierte Teile durften trotz Embargo während des Krieges in die USA importiert werden.
F. Besson: Pre-War & Post-War, Breveté & Meha
Die Welt der originalen F.Besson-Trompeten separiert sich vermeintlich in zwei Gruppen: die Vorkriegsexemplare (pre-war) und die Nachkriegsinstrumente (post-war). Tatsächlich wurden aber auch während des Zweiten Weltkriegs noch Trompeten in Paris gebaut, man muss also auch die Kategorie der during-war-Hörner betrachten, wenngleich es davon wohl nicht allzu viele gab. Es finden sich Abgrenzungen anhand von Seriennummern im Netz, die z.T. auf Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern basieren. Demnach sollen die Nummern von 82.000 bis 87.000 in den Jahren 1920 bis 1934 hergestellt worden sein und die darauffolgenden bis 92.000 zwischen 1934 und 1947. Danach folgen Instrumente aus London, jedoch noch mit französischen Teilen und erst ab Seriennummer 100.000 waren die French Bessons eigentlich reine Engländerinnen. Ob das so korrekt ist, lässt sich nur schwer überprüfen.
Vielleicht interessanter für Spieler ist die Unterscheidung zwischen den Modellen. Denn nach dem Krieg (manche sagen direkt ab 1945, andere geben 1947 als Geburtsjahr an), wurde die Palette erweitert. Neben der Breveté mit Medium Large-Bohrung wurde jetzt auch die Meha angeboten, benannt nach der Enkeltochter des Firmengründers Méha Pauline Henriette Fondère, die nach dem Tod ihrer Mutter 1908 die Geschäfte am Pariser Standort übernahm. Diese Trompete zeichnet sich durch ihre auch nach heutigen Maßstäben noch immer extrem große Bohrung aus. Die Inch-Angabe von 0,47 ergibt 11,94 mm – das ist zweifelsfrei mindestens Größe XL. Was dabei jedoch immer unter den Tisch fällt: Ganz sicher wurden dabei auch andere Komponenten angepasst. Vielleicht gab es Kanten oder einfach ein engeres Schallstück. Dafür sprechen zumindest die kolportierten Spieleigenschaften, aber dazu später mehr. Es finden sich zudem Angaben, die die Existenz von dreierlei Originalmodellen insinuieren. Neben der Breveté und der Meha soll es auch eine Meha Breveté geben. Was genau dieses Modell ausmacht, war aber nicht klar zu ermitteln.
Kanstul: The American French Besson – Part 2
1957 wurde Fontaine Besson an Courtois verkauft und mit der Seriennummer 141.000 endete dann vermutlich die Ära einer Legende. Doch wie es hie und da zu lesen ist, sollen die originalen Pariser Schallstückmatrizen aus den Kriegswirren gerettet worden und – unabhängig von der eigenständigen Londoner Produktion – in die USA gelangt sein. Zu wem? Natürlich zu Zigmant Kanstul, dem wohl profundesten Kenner der Perinettrompete des 20. Jahrhunderts. Jener wurde in den 1980er Jahren anscheinend vom Rechteinhaber Boosey & Hawkes (der die englische Marke Besson bereits 1948 erwarb) damit beauftragt, die Mutter aller modernen Trompete wieder aufleben zu lassen. Heraus kamen dann Trompeten, die verblüffend viel Ähnlichkeit mit den originalen haben. Sieht man von der heute gängigen Konstruktion des dritten Ventilzugs – bei den Vorbildern war der Fingerringer unten – und vielleicht einem etwas weiteren Wrap ab, kann man Original und Kopie auf den ersten Blick schon einmal verwechseln. Hinzu kommt eine Gravur auf dem Becher, die Zweifel an der Frenchness definitiv beseitigen möchte.
Aber Etikettenschwindel wird dabei nicht betrieben. Auf dem Gehäuse des zweiten Ventils ist Kanstul als Hersteller vermerkt. Aber auch hier gibt es Unterschiede: Manche Kanstul Bessons tragen nur ein unauffällige Signet im Oval auf dem zweiten Ventilzylinder. Wo bei den Vorbildern „Breveté“ oder „Bté S.G.D.G“ (evtl. gab es noch weitere Varianten) stand, ist dort ‚Kanstul‘ zu lesen. Andere hingegen haben ebenda noch ein weitere Gravur, die unmissverständlich deutlich macht, dass es sich um eine ‚American Besson‘ handelt. Dort steht ganz prominent „MADE IN USA“. Es sind vermutlich die jüngeren Exemplare.
Außerdem scheint es bei den Meha-Modellen eine weitere Differenzungsdimension zu geben: Während bei manchen die Gravur der Modellbezeichnung mit einem schlichten „PARIS“ gekrönt ist, heißt es bei anderen „PARIS * FRANCE“. Diese sollen ein anderes Bohrungsmaß haben. Die Frage ist nur, welches: Manche Händler posten Bilder ihrer PARIS * FRANCE-Trompeten mit angelegter Schieblehre im zweiten Zugbogen, die das Maximalmaß von 0,47 inch (11,94 mm) anzeigt. Messungen im Rahmen dieses Artikels ergaben für solche Hörner nur 11,6 bis 11,68 mm, also nur ML-Maß oder gar darunter. Vermessungen verschiedener MEHA PARIS-Trompeten bei Spielern hier vor Ort ergaben Zuginnenweiten von 11,8 bis 11,9 mm. Das lässt vermuten, dass PARIS allein für die maximale Bohrweite steht. Das zu verifizieren, ist aber ohne Zeugen aus der Produktion kaum möglich. Die Frage stellt sich, warum neben der ML-Breveté noch ein Zwitter mit Meha-Becher und Breveté-Maschinenstock gebaut wurde. Eine seriegewordene Reminiszenz auch an die Perfectionnée-Hörner der Kriegsjahre?
Nach Ende dieser Auftragsarbeit, die von 1982 bis 1998 gedauert haben dürfte und aus der noch einige Modelle hervorgingen, die den Namen ‚Besson‘ auch in der eigenen Modellbezeichnung trugen, war das Konzept bei Kanstul dennoch nicht am Ende. Es gab danach bis zur Schließung des Unternehmen 2019 noch die Modelle 1000, 1001 und 1070, die große Ähnlichkeit mit den F. Besson-Hörnern aufweisen. Die 1000 verfügt über eine ML-Bohrung, die 1070 über ein XL-Maß. Manche berichten, dass diese Trompeten den Breveté– bzw. den Meha-Trompeten auch im Spielgefühl gleichen. Eine Übereinstimmung mit dem alten Benge-Line-up ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen, aber dazu im Folgenden mehr.
Bach, Benge und andere – Inspirierte, Epigonen und Kopisten
Als Vincent Bach 1914 in den USA ankam, hatte er offenbar ein Besson-Kornett bei sich. Eine Verbindung zur Marke und eine gewisse Wertschätzung war offenbar bereits früh gegeben. Als er 1924 mit der Produktion eigener Trompeten und Kornette begann, war die Fontaine Besson Breveté in den USA ein rising star und dürfte auch ihn inspiriert haben. Die New York Bach-Instrumente, die damals schon den Titel Stradivarius trugen, weisen Ähnlichkeiten zur damals angesagten Französin auf, sind aber keine Kopien. Statt der später üblichen zwei Stützen beim Stimmzug gab es nur eine und alles war etwas feiner und schlanker konstruiert als bei einer prototyischen Strad, die uns allen heute geläufig ist. Alles in allem sahen diese Trompeten schon aus wie moderne Instrumente (wenn man von den Ventilknöpfen der allerersten absieht) – für den TrumpetScout ein Hauptmerkmal der Orientierung an der F. Besson. Die Bohrung war aber offensichtlich von Anfang an im Vergleich mit den Zeitgenossen sehr groß (0,462 inch = 11,73 mm, heute bei Bach L) und pendelte sich dann ab 1928 beim ML-Maß 0,459 inch (11,66 mm) ein, was eine Anlehnung an die Wundertrompete aus Frankreich vermuten lässt. Der zweite Ventilzug zeigt aber nicht nach vorn und auch der Fingerring am dritten Zug war von Anfang an so, wie wir es heute als normal ansehen.
Einen frühen Nachahmer bekam der TrumpetScout dank eines Lesers in die Hände. Die Firma Keefer aus Williamsport, Pennsylvania (alias Keefer-Williams) bewarb ab 1926 eine Trompete, deren Äußeres stark an eine F. Besson erinnert:
Von der F. Besson übernommene optische Merkmale sind:
- der lange, schlanke Receiver
- die oberen Ventildeckel
- die weit beim Mundstück platzierte Maschine (fast beim ersten Längendrittel)
- das nicht durchgehende Rohr zwischen Stimmzugausgang und Ventilblock
- das Design der Stütze im Stimmzug
- der dritte Ventilzug ‚auf dem Kopf‘, der dazu zwingen soll, die Ventile mit der linken Hand so zu Umgreifen, dass der Becher auf keinen Fall berührt wird und so so wenig Schwingung wie möglich eliminiert wird
- die Stütze im dritten Ventilzug
- die Z-Stütze beim Stimmzug mit extrem großer Fläche auf Schallstückseite
Hinzu kommt das geringe Gewicht von 975 Gramm, wobei die F. Besson sogar noch leichter gewesen sein durfte. Die post-war Breveté (siehe Bild ganz oben) konnte leider nicht gewogen werden, aber die Kanstul-Kopien bewegen sich im unteren 900er Bereich. Definitiv anders bei dem vorliegenden Exemplar ist die Bohrung. Die eigene Messung ergab um die 11,15 mm, also eine Small Bore nach heutigen Maßstäben und eigentlich nur noch im Flügelhornbereich zu finden. Da die größere Bohrung nun eine Kernqualität der damals bahnbrechenden Trompete aus Frankreich war, wundert diese Abweichung. Dazu muss man sagen, dass Keefer 1926 wohl drei Bohrungen anbot, darunter auch die #1 mit 0,458 inch, was 11,63 mm entspricht und damit auch noch dem ML-Spektrum zuzuordnen ist. Die getestete Trompete ist allerdings eine seltene #3 (das LP steht für ‚Low Pitch‘, heute die normale Stimmung).
In Verbindung mit dem wirklich mickrigen Becher, der am Ausgang nur 108 mm Durchmesser aufweist, kommt diese frühe Nachahmung klanglich und auch spielerisch einer F. Besson Breveté nicht nach. Sie bläst sich im unteren Bereich eher eng und ist auch klanglich kein Wunder – dafür geht sie in der obersten Lage sehr, sehr leicht. Dieses Modell dürfte damals eine echte Big Band-Trompete nach der Formel klein x klein = hoch und kein Orchesterinstrument gewesen sein.
Und von den inspirierten Trompetenbauern und frühen Nachahmern nun zu einem weltbekannten Kopierer, der jedoch – anders als Zigmant Kanstul 60 Jahre später – nicht damit beauftragt war, eine Replik der F. Besson anzufertigen. Und das ist Elden Benge. Dieser Mann war wie Vincent Bach ein Profimusiker und spielte in renommierten Orchestern wie dem Chicago Symphony Orchestra. Er selbst blies dabei – wie könnte es anders sein? – auf einer F. Besson. Laut brasshistory.net begann er 1934 damit, eine Kopie seines eigenen Instruments anzufertigen. Und da Besson in Frankreich wohl eine zeitlang nicht liefern konnte, war die Nachfrage so groß, dass er einen Business Case witterte. 1936 oder 1937 wurde dann die erste Benge-Trompete verkauft, wobei er sogar Mundrohre aus Paris, also vom großen Vorbild direkt, verbaut haben soll. Die Bohrungsmaße seiner Trompeten dann in den 1940ern? Na klar, 0,46 und 0,468 inch – die Durchgangsweite der Breveté und zumindest fast die der Meha. Die Benge 3X (der Name dürfte eventuell erst nach der Erweiterung des Portfolios später ersonnen worden sein) ist also eine Kopie der ursprünglichen französischen Wundertrompete zu sehen, wenngleich der dritte Ventilzug – wie wohl auch bei manchen F. Besson-Modellen auf Kundenwunsch – nie kopfüber stand und der erste Ventilzug später auch weiblich/männlich ausgeführt wurde.
Wie die Trompete mit der XL bore anfangs hieß, ist nicht klar. Wahrscheinlich war es anfangs einfach eine Benge mit einem L. Später dann wurde die 6X geboren, aus der sich dann das berühmte Claude Gordon-Modell ableitete (wobei anscheinend auch eine exakte Kopie von Gordons F. Besson Meha-Trompete angefertigt wurde). Kanstuls 1070 (siehe oben) soll jener Schöpfung, allerdings mit noch größerer und damit der originalen Meha-Bohrung (0,47 inch = 11,94 mm), nachempfunden sein.
Sicher gab es damals noch weitere – nennen wir es so – Orientierer, bekanntere wie unbekanntere. Auch ganz große Namen haben für ihre Vertragskünstler Instrumente gebaut, die sich am Bauplan der F. Besson bedienten: die Olds Mendez war eine Breveté und die Leblanc Conrad Gozzo eine Meha mit anderem Namen. Und damit sind wir (endlich) bei den Trompetern, die die Französinnen verehrten.
Berühmte Bessonista – wer spielt(e) eine F. Besson damals und heute?
Neben unzähligen Orchestermusikern wie Benge, Bach und Max Schlossberg, den viele von seinen Etüden kennen, sind Rafael Mendez, Claude Gordon, Leadtrompetenlegende Conrad Gozzzo und auch andere Big Band-Spieler bzw. Jazzer zu nennen, die auf eine F. Besson zurückgriffen. Darunter Mannie Klein, Buck Clayton, Donald Byrd, Eddie Henderson, Stan Mark, Lee Morgan, Fats Navarro. Sogar Miles Davis soll zeitweise eine Breveté gespielt haben.
Heute gibt es nicht mehr so viele Spieler, die auf einem ‚Croissant‘ spielen. Das liegt vermutlich am Alter der originalen Geräte und natürlich auch an ihrem Einfluss: Die F. Besson hat vor gut 100 Jahren die Trompetenwelt revolutioniert und damit insgesamt die Qualität auf ein neues Level gehoben. Klarerweise lernte die Welt dazu, die anderen Hersteller haben zumindest nachgezogen und im Idealfall sogar darauf aufgebaut.
Wer heute z.B. auf den Nachbau von Kanstul setzt und seit 2009 auf seine Meha schwört, ist Christian Wieder, den die meisten von seiner Band Da Blechhauf’n, seinen Einsätzen bei Thomas Ganschs Blasmusik Supergroup oder diversen Musical-Produktionen bei den Vereinigten Bühnen Wien kennen dürften. Sein Exemplar kann man guten Gewissens ramponiert nennen. Die vielen Patches zeugen von der Liebe des Leadtrompeters zu seinem amerikanisch-französischen Werkzeug. Was es für ihn so besonders macht, ist Gegenstand des nächsten Kapitels dieser transkontinentalen Geschichte.
Die F. Besson Trompete – so spielt und klingt sie
Eine pre-war F. Besson anzuspielen, ist kein leichtes Unterfangen. In den USA gibt es definitiv mehr davon, und auch wenn sie aus Europa stammt, wurde ihr Nimbus dort begründet. Außerdem gab es in den USA keinen Zweiten Weltkrieg auf eigenem Boden. Bei uns eine solche zu bekommen, ist deshalb sehr kostspielig. Man muss eigentlich eine ‚von drüben‘ erwerben. Der TrumpetScout erinnert sich vage an eine Begegnung mit einem dieser Wunderhörner in New York bei Josh Landress wohl im Jahr 2013. Jener zeigte eine solche F. Besson aus den 20ern her und erzählte, dass kein geringerer als Doc Severinsen seinerzeit gewillt war, für diese spezielle Trompete ein Rennpferd einzutauschen. Der sich daraus ergebende Respekt dürften dazu geführt haben, diese Trompete nicht aus der Vitrine geholt zu haben. (Stattdessen gab es Martin Committees aus den 1940ern mit einem 10.000 Dollar-Preisschild – definitiv keine Rennpferdklasse.)
Doch schon kurz danach kaufte sich der TrumpetScout eine F. Besson Breveté von Kanstul, nachdem die Lust an sehr leichten Instrumenten aufgekeimt war. Sie sprang sehr gut an, hatte viel Zinkfraß an Mundrohr und Stimmbogen und machte das Leben durch ein tiefes D2 und eventuell noch andere Intonationsprobleme schwer. Heute könnte man anders urteilen und der Kombination aus Trompete und Mundstück die Schuld an der schlechten Stimmung in die Schuhe schieben. Weniger gut die Erinnerung an den Klang: Sich nach all den Jahren dazu zu äußern, wäre wenig aussagekräftig.
Nun kam 2024 allerdings – also nach einer starken Dekade Besson-Pause – eine post-war F. Besson Breveté unter. Sie stammte aus dem Fundus von Aneel Soomary und war leider im Moment des Probierens in einem Wiener Musikhaus – zum Leidwesen des TrumpetScout – bereits verkauft. Denn diese Trompete (zu sehen auf den ersten beiden Bildern dieses Artikels) verzauberte durch ihre klare und leichte Ansprache und eine Offenheit, die man gemeinhin nicht mit alten Trompeten verbindet. Der Fingerring unter dem dritten Ventilzug ist natürlich für Augen und linke Hand gewöhnungsbedürftig. Ansonsten spielte sich das Ding aber einfach wie eine moderne, gut konzipierte Trompete, die eigentlich keine Wünsche offen lässt. Auch die Stimmung war, sofern man das nach nur 10 Minuten beurteilen kann, absolut brauchbar. Was man allerdings mit bloßem Auge erkennen konnte: Der Trichter bei diesen originalen Modellen ist weniger ausladend als bei den Kopien, die später im 20. Jahrhundert angefertigt wurden. Dafür ist der Rand des Trichters deutlich dicker als bei heutigen Hörner. Nicht umsonst spricht man bei der Renaissance dieses Kniffs in den letzten Jahr(zehnt)en von ‚French Bead‘. Extrem interessant und erst später aufgefallen ist neben der Nummerierung der Ventildeckel oben die Abstützung hin zum Mundrohr. Es sind, zumindest bei diesem Modell, zwei Verbindungen zwischen Maschine und Leadpipe zu verzeichnen.
Eine echte französische F. Besson MEHA war bislang nicht in die Finger zu bekommen. Dafür gab es die Chance, eine versilberte Kopie von Kanstul (PARIS only!) zu testen und mit einigen anderen Trompeten zu vergleichen. Zu allererst fällt dabei das Fliegengewicht auf. Eine ebenfalls anwesende Yamaha YTR-6310 mit ihren 960 Gramm wirkte zwar nicht speckig dagegen, aber eben auch nicht mehr so federleicht. Christian Wieder wog seine Meha (mit Trigger am ersten Zug und vielen Patches!) mit 916 Gramm, eine andere mit sehr naher Seriennummer brachte es immerhin auf 946 Gramm. So oder so, diese Ergebnisse stecken ohne Frage die Ultra-Lightweight-Liga ab.
Für TrumpetScout-Leser nichts Neues: die Bohrung allein definiert nicht die Offenheit eines Horn oder andersherum seinen Widerstand. Teil der Formel sind die Materialwahl, die Materialstärke (und in Folge das Gewicht) sowie der Rohrverlauf mit Kanten und Konen. Bei der angespielten F. Besson Meha von Kanstul ergab (sehr wahrscheinlich) Gelbmessing mit sehr geringen Wandstärken (siehe Foto unten) in Kombination mit einem sehr weiten Maschinenstock und einem eher engen Schallstück (mit obendrein nur 120 mm Trichter) eine gute Ansprache, aber kein außerordentlich geringer Widerstand. Es erwarten einen also keine Extreme wie etwa bei der hypersensiblen Flip Oakes Celebration oder einer sich sehr frei blasenden Getzen-Trompete. Vielmehr scheint alles wohlbalanciert und der Widerstand am rechten Fleck zu sein. Nicht zu weit vorne im Horn, noch zu weit hinten.
Interessant ist noch das Thema Gap: Das Bobby Shew Lead-Mundstück von Yamaha stand auf dem Mundrohr auf. Der Receiver war also ein wenig zu weit, in der Folge saß das Mundstück nicht ganz fest, es gab also keine Lücke zwischen Schaft und Mundrohr. Mit einem eingeklemmten Papierstreifen ergab sich eine Lücke von ein bis zwei Millimetern und die Trompete spielte sich auch im oberen Grenzgebiet ab G3 sehr viel klarer, die Töne rasteten deutlich besser ein. Christian Wieder weiß zu berichten, dass bei seiner Meha die Mundstückaufnahme leicht schräg aufgelötet ist und er deshalb auf einer Seite nicht einmal eine echte Mundrohrkante hat, infolge dann auch keine Gap.
Ein munteres Spielen von unten bis oben machte deutlich, wie neutral diese Trompete abgestimmt ist, auch wenn sie durch Lead-Trompeter berühmt wurde. Die ganze Range ist gut abbildbar, das Instrument vertrug sich mit einem sehr kleinen Mundstück wie auch einem tieferen und größeren, wie es die meisten spielen dürften. Auch in puncto Intonation zeigten sich keine Blößen. Das übliche tiefe D2 und D3 der Benge-Hörner verdarb hier nicht die Spielfreude.
Nun aber endlich zum Highlight dieses Modells, dem Klang. Während die YTR-6310 mit ihrem großen Becher und ebenfalls geringem Gewicht bei einem anderen Test deutlich hervorstach, da ihr Ton so breit war, hielt sie mit der getesteten Meha nicht ganz mit. Eine andere Yamaha mit engem Becher war dagegen ein Scharfschützengewehr mit gefühlt quadratzentimetergroßer Zielfläche. Eine schwerere Kanstul war schon näher, aber immer noch viel fokussierter. Die Meha war aber – trotz ihrer filigranen Bauweise – auch nicht leise. Sie füllte den ganzen Proberaum. In Analogie zum Sniper-Werkzeug könnte man von einem freundlichen Flammenwerfer sprechen! Anders als bei so manchen Benges war da keine Nasalität zu hören, nichts Blechernes, auch bei großer Lautstärke und Höhe nicht. Wohlgemerkt lauschte der TrumpetScout seinem Kollegen aus einigen Metern Entfernung vor dem Becher. Der Sound war tatsächlich warm und rund, hatte aber dennoch den Funken, den manche Sizzle nennen. Kein Geschrei, kein Plärren, nicht zu hell. Eigentlich unmöglich, so das Fazit nach der Spiel- und Hörsession für ein solches Nichts an Blech. Eigentlich perfekt. Es kam nicht einmal das Bedürfnis auf, eine lackierte Meha zu testen. Die Versilberung passt hier ideal.
Selbst mit Lead-Mundstück klang das klassische Repertoire in der Normallage betörend schön (was sicher auch dem Spieler zuzuschreiben ist), fast wie eine Geige. Farbig könnte man es nennen, „der Ton lebt“ meinte der Kollege, der diese Meha seit Jahrzehnten sein eigen nennen darf und immer wieder zu dieser Trompete zurückkehrte. „Sie ist mit wenig Aufwand zum Singen zu bringen“, beschreibt Christian Wieder die erste Qualität seiner Lieblingstrompete und stößt damit ins gleiche Horn. Auch Trent Austin gerät – zumindest bei alten French Bessons – ins Schwärmen: „There is something magical in the sound of the the pre-war Bessons.“ Und manchmal muss man bei aller gebotenen Distanz in die Lobhudelei einstimmen. Der TrumpetScout war sogar von der Kopie hin und weg.
Die F. Besson Trompeten – Preis und Wert
Zuguterletzt zu den Anschaffungskosten. Eine echte F. Besson aus der Vorkriegszeit ist bei uns kaum zu bekommen. Die oben abgebildete versilberte Breveté mit 80.000er Seriennummer wurde zum Zeitpunkt der Recherche in Polen für 2.600 Euro angeboten. Ein Nachkriegsmodell ohne Lack ist zeitgleich in Deutschland für 1.500 Euro zu haben. In den USA gibt es dagegen etwas mehr. Interessant ist ein vollrestauriertes Rapuano-Modell (wir erinnern uns: das Importmodell aus verschiedenen Teilen) für 3.400 Dollar – ohne Import-Umsatzsteuer, Zoll und Versand. Der Horntrader verkauft ein Exemplar aus den frühesten Nachkriegsjahren für 2.000 Dollar netto. Bei den Mehas sieht es ganz düster aus. Hier dürften aber aufgrund des späteren Produktionsstarts nie so viele Instrumente in Umlauf gebracht worden sein. Die sehr ähnlichen Chicago Benge Trompeten sind wohl ähnlich rar, aber noch teurer. Jedoch sollte man bei diesen mittlerweile hochbetagten Hörnern immer bedenken, dass die Ventile meist so stark abgenutzt sein können, dass die Spielbarkeit leidet, was sich bei Intonation und vor allem Ansprache deutlich zeigen kann.
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Für überschaubare Investitionen kommt man noch an die Kanstul-Kopien. Hier scheint es auch viele Meha-Ausprägungen zu geben. Aber Vorsicht bei der Bohrungsgröße! Wenn, dann sollte es schon die XL Bore sein. Von einem Preisniveau wie vor 10, 15 Jahren ist man mittlerweile aber auch weiter entfernt. Seinerzeit wurden die Trompeten bei uns oder in den USA für um die 500 Euro verscherbelt wurden. Es kann noch gute Instrumente unter 1.000 Euro geben, aber man muss sie eben finden. Das dünne Messing ist naturgemäß nicht immun gegen Zinkfraß. Der TrumpetScout hat mit Fertigstellung dieses Artikels noch wohl eine der letzten produzierten Kanstul Mehas ergattert und dafür etwas tiefer in die Tasche gegriffen. Noch ist sie nicht angekommen – sie möge ihr Geld wert sein.
Oh là là oder amour fou?
Klar ist eine F. Besson heute qualitativ nicht mehr allein auf weiter Flur wie vor 100 Jahren. Es gibt einige Trompeten, die ähnlich ansprechen, ähnlich stimmen und ordentlich klingen. Dennoch scheint gerade den Damen mit dem Doppelnamen Fontaine Besson ein ganz spezieller Zauber innezuwohnen, der in allen Genres seine Wirkung entfalte. Deshalb muss man attestieren: Eine gute F. Besson ist ihr Geld wert, solange der Preis nicht in Sammlersphären abdriftet. Obwohl – vielleicht auch dann! Denn wenn ein Trompetenmodell wahrscheinlich nie an Wert verliert, dann ist es die Mutter aller Trompeten in ihrer ursprünglichsten Form.