Inside Bach: Besuch beim bekanntesten Trompetenhersteller der Welt, Teil 1

Ohne Zweifel:  Der Name Vincent Bach steht wie kein Zweiter für Popularität, Wertigkeit und Geschichte, wenn es um Trompeten mit Perinetventil geht. Der TrumpetScout erhielt 99 Jahre nach Firmengründung die Gelegenheit, die Produktion zu inspizieren, die Köpfe hinter Bach kennen zu lernen – und durchaus schwierige Fragen zu stellen.

Vincent Bach Logo

Die Geschichte der Marke Vincent Bach reicht nun fast ein Jahrhundert zurück. 1918 eröffnete der als Vincenz Schrottenbach geborene und aus Baden bei Wien stammende Kornettist Vincent Bach eine Kleinstwerkstatt im Herzen New Yorks zwischen Broadway und 5th Avenue, unweit des Flatiron Building. Dort produzierte er unter seinem Künstlernamen – er war einer der besten Instrumentalisten seiner Zeit, der in Europa bereits als Wunderkind auf Tournee ging und nach seiner Flucht zu Beginn des Ersten Weltkrieges Anstellung in den Spitzenorchestern der USA fand – zunächst nur Mundstücke, und zwar auf einer fußbetriebenen Drehbank. Er selbst war dabei seine beste Marketing-Maßnahme, schließlich war er für seinen schönen Ton und die Sicherheit im hohen Register bekannt. Schon damals tickten die Trompeter nämlich nicht anders als heute auch.

Genialer PR-Streich: The „Strad“ was born

Trotz der musikalischen Begabung und des frühen Einkommens durch Konzerte bestand der Vater noch in Österreich auf den Besuch einer Ingenieursschule. Dies machte sich in den USA bezahlt. Aus der Not (Bach fand keinen guten Mundstückmacher) machte er eine Tugend und alsbald florierte das Mundstückgeschäft. Er ging den nächsten Schritt und baute ab 1922 sogar eigene Trompeten (nachdem er selbst Conn und Buescher spielte und natürlich auch als Endorser tätig war). Kurz darauf vermarktete er diese erstmals unter dem so berühmt gewordenen Modellnamen „Stradivarius“ – natürlich in Anlehnung an den weltbekannten und sagenumwobenen Geigenbauer Antonio Stradivari. Hätte man eine bessere Bezeichnung für eine Trompete ersinnen können, die den versierten Spieler zum Kauf animieren soll?

Eine der allerersten Stradivarius-Gravuren. Die Trompete stammt augenscheinlich aus dem Jahre 1923. Foto: www.vincentbachsworld.com

1928 fertigte man mittlerweile auch Posaunen und zog in die erste echte eigene Fabrik in der Bronx um. Dort produzierte das Unternehmen ganze 25 Jahre lang und expandierte sogar während der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre. Die Herstellung wurde erst 1953 in das noch weiter nördliche Mount Vernon verlegt.

Der Name dieser Kleinstadt ist mittlerweile für viele Fans der Marke so etwas wie ein geheimes Losungswort geworden. Die Trompeten aus der damals laut Vincent Bach „modernsten Werkstatt der Welt“ gelten als die wertvollsten Bach-Modelle überhaupt. Sie erzielen deshalb Top-Preise, weil die Stradivarius bereits erwachsen, also ausgereift war, die „Vincent Bach Corporation“ zugleich aber noch vom Gründer geführt wurde. Es ist gut möglich, dass Vincent Bach sogar persönlich an die Trompeten Hand anlegte. Verbrieft ist, dass Bach zumindest einige der Trompeten jener Zeit bei der Endkontrolle höchstselbst anspielte. Seine Unterschrift bei den zugehörigen Auslieferungskarten zeugt davon.

Die berühmte Bach-Fabrik in Mount Vernon, nördlich von Manhattan. Foto: Conn-Selmer

Um den kleinen Exkurs in die Geschichte abzuschließen: 1961 verkaufte Vincent Bach seine Firma im Alter von 71 Jahren an die Selmer Company – das Unternehmen, in dessen Geschäftsräumen in Manhattan er 43 Jahre zuvor mit der Mundstückproduktion begann.

1965 wurden die Tore im Bundesstaat New York geschlossen. Es begann die bis heute anhaltende Bach-Ära im 1.100 km weiter westlich liegenden Elkhart, wo mit C.G. Conn bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert (!) ein anderer renommierter Hersteller seine Wurzeln geschlagen hatte. Alle Elkhart-Trompeten haben eine Seriennnummer größer als 29.999 – bei 30.000 gab es den offiziellen Startschuss.

Der alte Meister mit den blauen Augen. In Baden bei Wien geboren, hängt Vincent Bach heute im Testlabor von Bach in Elkhart und wacht über die neuesten Entwicklungen.

Weitergehende Informationen zur Geschichte von Bach und den Instrumentenmodellen offeriert der Bach Loyalist.

Nur 120 Mitarbeiter bauen die Stradivarius-Modelle

Nachdem die Bach-Mutter Selmer (die zwischenzeitlich zu Steinway wurde) im Milleniumsjahr United Musical Instruments kaufte (zu welcher so ruhmreiche Marken wie C.G. Conn, King und Benge gehörten) und 2003 den Namen der neuen Unternehmensgruppe zu Conn-Selmer änderte, ist die Marke Vincent Bach heute weit von einer Selbstständigkeit entfernt. Nichtsdestotrotz sind die Trompeten (und Posaunen) aus Elkhart mehr denn je – zumindest aus Kundensicht – das Juwel der Unternehmensgruppe: denn nur die Strad-Modelle und die VBS1 werden in einer kleinen Fabrik mit lediglich 120 Mitarbeitern im Ort mit dem Hirsch als Wappentier gefertigt. Das restliche Blech und einige wenige Teile kommen aus einer deutlich größeren Produktionsstätte in Eastlake, Ohio, wo die Firma King seit 1964 situiert ist.

Vergleichsweise unscheinbar. Wenn man durch diesen Eingang geht, befindet man sich im Herzen von Bach, der Produktion der Stradivarius-Instrumente.

120 Männer und Frauen bauen im beschaulichen Elkhart – einer Kleinstadt im sogenannten mittleren Westen mit gerade einmal 50.000 Einwohnern, von denen jeder Erwachsene einen Pickup-Truck und ein Boot zu besitzen scheint und die alle in skandinavisch anmutenden Häuschen wohnen – also die berühmteste Trompete der Welt. Das hört sich sehr exklusiv an. Wie viele Trompeten verlassen da jährlich das Werk? Das wird leider nicht verraten. Während der Tour sahen wir Besucher aber LED-Tafeln, die die Tagesproduktion anzeigen – darüber steht ein Soll: 46,6. Das wären 11.650 Trompeten im Jahr. Wirft man einen Blick auf Seriennummerlisten der vergangenen Jahrzehnten, ergeben sich Produktionszahlen zwischen 10.000 und 25.000 per annum, also zwischen 40 und 100 Trompeten pro Tag. Der errechnete Ausstoß am unteren Ende dieser Skala scheint daher plausibel – ganz besonders, wenn man sich die erheblichen Umwälzungen der letzten Dekade anschaut.

Ad acta gelegt: Qualitätsprobleme und der Streik bei Vincent Bach

Wer im Internet nach Bach-Instrumenten sucht, wird unweigerlich auf Beschwerden über die Qualität der Instrumente in den letzten Jahrzehnten stoßen. Nur die „alten Bachs“ bis zur frühen Elkhart-Zeit seien „gute Bachs“. Dieses digitale Rumoren hat seine Gründe in der analogen Welt, und damit geht die aktuelle Geschäftsführung um Conn-Selmer-Chef John Stoner progressiv um: „Ja, die Qualität war schlecht.“ Maßgeblicher Grund dürfte das Entlohnungssystem gewesen sein. An vielen Fertigungsstationen wurde bis ins Jahr 2008 nämlich nach Akkord, also pro Stück bezahlt. Das war zwar schon vor den Qualitätsproblemen der späten 80er und 90er Jahre so, wuchs sich aber erst gegen Ende des Jahrhunderts zu einem echten Pferdefuß aus. Die Arbeiter wollten mehr verdienen und arbeiteten schneller oder machten keine Pausen mehr. Hinzu kam, dass ein zu überarbeitendes Werkstück (also eines, das Fehler aufwies) wiederum einen Bonus gab. Das motivierte bei allem Stolz bezüglich der Marke natürlich in die falsche Richtung.

Es gibt noch immer Tagesvorgaben, die erfüllt werden müssen, um den Bestellungen gerecht zu werden – im Akkord wird heute aber bei Bach nicht mehr gearbeitet.

2006, vier Jahre nach der Fusion mit Conn und noch vor der Wirtschaftskrise 2008/2009, gab es in Elkhart außerdem einen echten Streik, der ganze drei Jahre anhielt. Dafür sind die USA nun nicht gerade berüchtigt. Man trennte sich von einigen „rotten apples“ (Zitat CEO John Stoner), schob in dieser Zeit teure Doppel-, Nacht- und Wochenendschichten und die verbleibenden Arbeiter stimmten (laut Wikipedia) zu, die „United Automobile Workers“-Gewerkschaft zu verlassen. Die Belegschaft wurde von über 230 auf 120 reduziert – auch weil Bach heute weniger Trompeten verkauft als zuvor. Trotz angeblich höherem Pro-Kopf-Output soll die Qualität seit 2009 wieder sprunghaft angestiegen, die Zahl der Überarbeitungen rapide gesunken sein.

Elkhart, Indiana im Juni 2017: Das ist Bach heute – eine große Familie

Die 70 Mitarbeiter, die aus der Zeit vor dem Streik blieben, sind alteingesessen. Viele von ihnen arbeiten seit 30 Jahren im Betrieb, manche mehr als 40, Brad Milliken, der längstdienende, sogar 45 Jahre. Bei der Führung durch die Werkshalle blickt man überall in freundliche und stolze Gesichter. Hai Vu lötet Ventilstöcke zusammen – seit 30 Jahren (er hat schon mehrere Hunderttausend gefertigt!). Thomas Fodrocy poliert Posaunenzüge, damit sie gleiten wie auf einem Luftkissen – seit 45 Jahren. Und Kent Hocker spielt jede einzelne Trompete in seinem Testraum an – seit 39 Jahren. Es ist sogar so, dass einige der Mitarbeiter zeitgleich mit ihren Kindern bei Bach arbeiten, viele haben vor ihren Kindern hier gearbeitet. Doch selbst wenn man das nicht weiß, kommt einem dieser „Blechhaufen“ wie eine große Familie vor. Man kennt sich und jeder trägt seinen Teil zu einem äußerst prestigeträchtigen Endprodukt bei. Wer dabei an Mitarbeiter von Ferrari oder Porsche denkt, zieht wahrscheinlich keinen falschen Vergleich – die Motivation heute ist ganz sicher mehr als nur Geld. Wer von den Bach-Leuten z.B. auf einem Europa-Trip in einem bayrischen Bierzelt ein Solo gespielt auf einer Stradivarius hört, weiß, dass die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch seine Hände ging.

 

Wahrscheinlich auch deshalb wollen viele der alten Hasen nicht in Rente, auch wenn jene ausreichend ausfällt. Die Arbeit von sechs Uhr morgens bis drei Uhr am Nachmittag (wegen der sommerlichen Hitze endet der Tag schon sehr früh) ist ein Teil des Lebens geworden, die Kollegen Freunde und nach dem „Job“ bleibt ja immer noch Zeit für die „echte“ Familie.

Aber auch für Bach selbst ist es gut, keine Mitarbeiter zu verlieren, denn mit ihnen geht tradiertes Wissen und routinierte Anwendung. In den USA gibt es kein Ausbildungssystem wie in Europa. Die Lehre eines Handwerksberufs ist nicht standardisiert. Man muss ihn schlicht irgendwo gelernt haben. Und selbst wenn man bei Bach schon zu tun hatte, braucht das Wechseln von einer Abteilung in die nächste innerhalb der Produktion mindestens sechs Monate Einarbeitungszeit. Man ist also entgegen aller globaler Trends auf ein langfristiges Arbeitsverhältnis angewiesen – dazu muss den Mitarbeitern das tägliche Tun in erster Linie Spaß machen.

In Teil 2 geht es um die Köpfe hinter den neuen Trompetenmodellen, um „the German guy“ in der Geschäftsführung und die Frage nach dem Ende des Preisanstiegs bei Bach.