Jazzer mit Pop-Ohren: Christoph Moschberger zu Besuch

Noch keine 30, doch schon weit gekommen: Der junge Mann aus dem Südwesten ist gut vernetzt und zwischen Big Band, Blasmusik und Pop vielseitig einsetzbar. Bei einem Besuch erklärt Christoph Moschberger dem TrumpetScout, warum Swing und Polka einander viel näher sind als Jazz und Klassik und Vielseitigkeit auch eine Bürde sein kann.

TrumpetScout_Interview Christoph Moschberger (2)
Er hat zwar seit frühester Kindheit eine Narbe auf der Stirn, als Zauberer der Trompetenwelt sieht sich Christoph Moschberger deshalb aber nicht. Im Gegenteil.

Aktuell kann man ihn in der zweiten Staffel des erfolgreichen „Sing meinen Song“-Formats auf einer Freiluft-Fernsehbühne sehen und hören. Hin und wieder steht er in der letzten Reihe von Stefan Raabs „TV Total“-Showband (den Heavytones) an Rüdiger Baldaufs Stelle und somit auch vor großem Publikum. Ein anderes Mal ist er im Einsatz beim Deutschen Fernsehpreis oder einer Casting-Show – vielleicht weniger auf dem Präsentierteller, aber dennoch dort, wo viele hinschauen. Wer an diese gefragten und raren Jobs kommt, muss sie sich verdient haben, musikalisch wie menschlich. Trotz der noch gar nicht so langen Dauer ist Christoph Moschbergers Geschichte eine von der Ganzheitlichkeit als Musiker und zeugt von einer erstaunlich erwachsenen Mischung aus Vernunft und Bauchgefühl.

Vom Nachsitzen zum Nachwuchs-Star

Mehr als holprig verlief der Start in die Trompeterkarriere. Der erste Lehrer erkannte zwar Moschbergers Talent, setzte aber leider auf pädagogische Maßnahmen, die vermutlich im (30jährigen) Krieg ersonnen wurden und wenig förderlich waren: Schüler, die nicht geübt hatten, wurden bis zum Ende der Stunde eingesperrt und mussten das scheinbar Verabsäumte in Klausur nachholen. Nur klar, dass bei einem Achtjährigen dann eher die Tränen fließen als dass die Lust auf das Instrument in den Himmel wächst. Den Spieltrieb hervorkitzeln konnte aber ein Tenorist aus dem Umfeld und mit einem neuen Trompetenlehrer änderte sich die Motivationssituation dann vollends: Dieser war zwar auch keine echte Kapazität bei der Vermittlung, aber eben ein echter Power-Player, der alleine als Vorbild anspornen und so das Spiel verbessern konnte. Mit 12 Jahren spielte der junge Moschberger bereits in dessen semi-professioneller Big Band. Von da an war er einfach nur noch „der Musiker“. Ein anderer Beruf kam gar nicht mehr in Frage. Die erste Band wurde mit 15 als Spielwiese gegründet. Die Musik sollte unterhaltsam, schön, aber auch anspruchsvoll sein.

Von Big Band zu Klassik und wieder zurück

Zur Verbesserung der technischen Fähigkeiten wurde über drei Jahre ein Klassiklehrer zu Rate gezogen, schließlich war ein Studium der klassischen Trompete zunächst das erklärte Ziel. Dieser merkte übrigens sofort, wenn Moschberger wieder einmal Big Band oder Tanzmusik gespielt hatte – zu verschieden sind die Klangideale, beides parallel geht eigentlich kaum. In eine schöne Reihe kann man dann gar nicht mehr bringen, was sich zwischen Höhepunkt der Pubertät und Aufnahme des Studiums alles getan hat. Mährische Blasmusik übte eine große Faszination auf den umtriebigen Badener aus, trotzdem ließ er sich bei einem heimischen Pianisten und Musikproduzenten eine Grundausbildung in Sachen Jazz jenseits von Maynard Ferguson angedeihen. Neben der theoretischen Einführung ins Harmonie-Fach wurde vor allem das Hörspektrum erweitert. „Er drückte mir die erste Jazz-Platte in die Hand – Chet Baker.“ Es folgte der Eintritt in das LAJAZZO Baden-Württemberg, noch vor dem Abitur der in das BUndesJAZZOrchester, was u.a. die erste Begegnung mit Andy Haderer mit sich brachte. Die gescheiterten Versuche, Mitglied im Bundesjugend- oder in anderen Klassikorchestern zu werden, schienen nun Sinn zu machen. Während der ersten BUJAZZO-Arbeitsphase mit 19 Jahren konnte Moschberger bereits auf sieben Jahre Big Band-Erfahrung auf höherem Niveau zurückblicken – warum sollte er also mit aller Kraft gerade das nicht wollen, was ihm doch auf natürliche Weise zuzufliegen schien? Bei verschiedenen Hochschulen spielte er deshalb für ein Jazz-Studium vor und erhielt Zusagen, entschied sich dann 2006 nach dem Zivildienst für Köln und Andy Haderer.

Christoph Moschberger: WDR-Big Band und Privatfernsehen

Nach den Klassik-Ausflügen hatte die Big Band ihn also wieder – und gleich eine in der obersten Gewichtsklasse: Kaum angekommen durfte er sofort bei der renommierten WDR-Big Band einspringen, war die ersten Studienjahre dort sogar sehr oft im Einsatz. Das war natürlich äußerst lehrreich, da die Methode Learning by Doing and Imitating bekanntermaßen sehr effektiv ist. Neben den besten Zunft zu sitzen, sich deren Phrasing und Stilistik abzuhören und das Gelernte gleich selbst anzuwenden – es gibt wohl kaum eine bessere Schule. Gleiches galt für die Konzerte mit der Big Band Convention, in der Studenten und alte Hasen klassische und neue Big Band-Literatur zelebrierten. Auch das war stilbildend.

Die Ruhe in Person. Auch nach mehreren Tassen Kaffee.
Christoph Moschberger ist die Ruhe in Person. Auch nach mehreren Tassen Kaffee.

Gute Leistungen führen zu Empfehlungen und so gab es nicht nur Engagements bei den anderen Rundfunk-Big Bands, sondern auch bei der Casting-Show „Popstars“ und beim Deutschen Fernsehpreis 2010, wo Moschberger auf einen weiteren Großen der Szene traf: Rüdiger Baldauf. Die Chemie schien zu stimmen, auch das Vertrauen in Moschbergers spielerische Leistung und so kam es in der Folge zu Engagements bei „TV Total“ und den Heavytones, wenn der Stammspieler Baldauf nicht auflaufen konnte. Mit Baldauf und Haderer gab es auch schon gemeinsame Einsätze. Vor allem der mit Barbra Streisand blieb als beeindruckendes Engagement bei einer gigantischen Show mit großer Professionalität in Erinnerung.

Ein wichtiger Zweig: die Süd-Connection

2007 wurde Christoph Moschberger als Ersatzspieler für die Blassportgruppe angefragt. Dieses Engagement blieb nicht ohne Folgen: Der Süddeutsche wurde fixes Mitglied bei der Mannheimer Band und die anfängliche Marching-Brass-Gruppe entwickelte sich sogar zu seinem Intim-Projekt. Der Leadtrompeter war nicht nur eingekaufter Spieler, sondern bekam auch viel Planungs- und Marketing-Verantwortung übertragen, vergaß darüber aber natürlich auch nicht, sich musikalisch mit Ideen einzubringen: „Ich brauche ein Projekt, wo ich nicht nur ein Rädchen bin, sondern an allen Schrauben justieren kann.“ Es entstanden seit Moschbergers Eintritt vier Alben, tausende Zuhörer wurden von seiner show-schwangeren Darbietung von Al Hirts rockiger Hummelflug-Interpretation „The Green Hornet“ beglückt. In der Blassportgruppe lernte der ambitionierte Trompeter im Tenoristen Axel Müller einen professionellen Bruder im Geiste kennen, mit dem er die Auffassung teilt, dass Pop-Musik nicht der Untergang der Welt bedeutet. Das gemeinsame In-Frage-Stellen der reinen Lehre des Jazz, positiv fomuliert: das Gefühl für Popmusik hat wohl auch dazu geführt, dass Müller natürlich erst an Christoph Moschberger dachte, als es darum ging, eine Hornsection für die Produktion von „Sing meinen Song“ zusammenzustellen. Diese sollte nicht nur die Bläser-Parts der Cover-Versionen einspielen, sondern in einem dynamischen Prozess auch kollektiv mit der übrigen Band Arrangement-Arbeit leisten. Für den Erfolg einer solchen Section ist wichtig, sich zu kennen und eine gemeinsame Klangvorstellung zu haben. Drum fiel die Wahl für den Dritten im Bunde an der Posaune auch auf einen Kollegen aus der Blassportgruppe. Außerdem wichtig für einen solchen Sidekick-Job: „Wir haben alle ein kleines Ego.“

Christoph Moschberger über Egerländer Musikanten und die Gefahr eines unscharfen Profils

Alle Engagements, die sich doch von avantgardistischem Jazz bis eben zu TV-Pop erstrecken, kann man nicht im Detail aufzählen, da sei ein Blick auf Moschbergers Webseite nahegelegt. Dass es aber seit 2012 für Ernst Hutter und dessen Egerländer Musikanten als Flügelhornist spielt, kann doch verwundern. Diese sehr populäre Musik hat ihn jedoch schon immer fasziniert und ist prinzipiell gar nicht so weit von dem entfernt, was er sonst spielt: „Big Band und Blasmusik haben viel mehr gemeinsam als moderne Musik und Klassik: Das Phrasing, der Groove und das Verständnis als Leadplayer von Melodielinien. Außerdem spielt der Klassiker nur ‚Ta‘, wo wir auch ‚Tat‘ spielen können!“ Trotz der Ähnlichkeiten ist die Egerländer Musik aber auch wieder eine neue Herausforderung: „Da sitze ich neben jemandem, der diese Musik seit Jahrzehnten spielt und perfekt interpretiert. Ich denke dann: ‚Das will ich auch so können.‘ Genauso geht es mir übrigens, wenn ich neben einem Andy Haderer in der WDR-Big Band sitze. Ich will alles so gut wie möglich beherrschen.“ In diesem Streben nach Universalität liegt auch eine Gefahr, dessen ist sich der junge Mann bewusst. „Ich kann Lead spielen und improvisieren, kann auch sinfonische Parts übernehmen, obwohl ich kein Klassiker bin. Ich kann also vieles gut, aber vielleicht nichts perfekt. Das macht mich vielseitig, aber möglicherweise braucht mein Profil auf lange Sicht mehr Schärfe. ‚Allrounder‘ ist die Quintessenz so vieler Selbstbeschreibungen von Musikern. Das ist aber kein Lob, als solcher wird man eher abgestempelt.“ Das zeugt von einem reflektierten Umgang mit der eigenen Karriere.

Einige Alben, die Moschbergers Schaffens-Spektrum veranschaulichen

Auf der großen Pop-Fernsehbühne...
Auf der großen Pop-Fernsehbühne…
…und bei Blechmusik der anderen Art.
…im traditionellen Trachtenzwirn…

 

Allround heißt manchmal auch, dass alles rund läuft.

Rückblickend (mit Jahrgang 1985 sicher erst auf einer Zwischenstation) überlegt sich Moschberger, ob er nicht doch hier und dort hätte offensiver sein sollen, mehr die Ellenbogen ausfahren, wie er das bei manchen Alphatieren beobachten konnte. Das ist aber nicht mehr als ein Gedankenspiel, denn vielleicht kann er gar nicht anders: So kraftvoll er auf der Bühne agiert, so ruhig und entspannt ist er abseits davon. Genau darin mag ein Schlüssel seines Erfolges liegen. Der Heißsporn, der neben spektakulären Leistungsspitzen auch eher unrühmliche Aussetzer hat, hält sich wahrscheinlich schwerer in einem Geschäft, in dem der Einzelne und vor allem das Ensemble funktionieren muss. Bevorzugt werden die Leute angerufen, mit denen man gut zurecht kommt, beim Spiel und auch auch menschlich, also vor dem eigentlichen Einsatz und danach. Das dürfte auch Musikern im semi-professionellen Bereich bekannt vorkommen. Der extrovertierte Paradiesvogel mit einer trompeterischen Inselbegabung hat es offensichtlich schwerer als ein kompletter Spieler mit reifem Charakter: „Ich habe mit vielen gespielt, die sich in der Höhe leichter tun oder viel besser improvisieren, Mega-Peaks hatte ich keine, arbeite aber daran. Dafür war ich immer schon recht wendig und spielerisch in der Breite besser aufgestellt als manch anderer. Diese Qualität fällt aber im Ensemble  nicht auf, sondern erst, wenn man hineinzoomt.“

Die 1+1-Strategie: ein Mundstück, eine Trompete

Auf der Suche nach immer hellerem und damit durchsetzungsfähigerem Ton ohne an Lautstärke zulegen zu müssen, hat Christoph Moschberger einige Trompeten probiert. Gestartet ist er mit einer sehr dunklen Conn Connstellation 38B, mit dem Klassikunterricht wechselte er auf eine versilberte Bach Stradivarius 37, bald im Studium wurde eine Schilke B1 das Instrument der Wahl. Nach eigenem Empfinden wurde er aber auf jeder anfangs sehr scharfen Trompete nach einiger Zeit doch wieder dunkler, wodurch die Penetranz und Tragfähigkeit litten. Der fette und große Ton vom Schlage mancher Lead-Trompeter entspricht nicht seinem Ideal, das wahrscheinlich auch durch die Philosophie des Mentors Andy Haderer determiniert ist. Aktuell spielt er eine Yamaha 8335LA, auch bekannt als das Bergeron-Modell, in Silber. Diese Trompete nach Vorbild einer Bach 72 Lightweight spricht ausnehmend gut an, spielt sich durch die ganze übliche Range bravourös und klingt extrem klar. Allerdings sagen auch Profis, dass der Widerstand zu klein ist und die Ermüdung dementsprechend schnell eintritt. Moschberger ging es nicht anders, an seiner Trompete wurden von Yamaha in Hamburg Modifikationen, u.a. am Mundrohr, vorgenommen, wodurch der Widerstand leicht erhöht ist. Für 85% seiner Aufgaben sei sie das ideale Horn, für reine Lead-Einsätze jedoch nicht, da sie bei großem Krafteinsatz gerne ausfranzt und man sehr konzentriert spielen muss, um den Ton zusammenzuhalten und somit eine gute Projektion zu erzielen. Die Suche ist also noch nicht zu Ende.

So ein Visualizer würde sich hervorragend als Zigarettenspitze eignen. Eigentlich schade, dass der Besitzer nicht raucht.
So ein Visualizer würde sich hervorragend als Zigarettenspitze eignen. Eigentlich schade, dass der Besitzer nicht raucht.

Sein Mundstück ist ein scheinbar von einem Vorgänger individualisiertes Bob Reeves 40S69 mit einem extrem kleinen Durchmesser von 15,8 Millimetern. „Das habe ich bei Andy [Haderer] in einer Kiste gefunden, ich hab’s probiert und es hat gepasst.“ Es ist das einzige, das bei Trompeten zum Einsatz kommt, auch bei Jobs mit einem Sinfonie-Orchester oder vielen Flächentönen. Wenn es dunkler und intimer werden soll, wechselt er lieber die Trompete und greift im Trio oder Quartett immer noch auf die alte Conn zurück.

Christoph Moschberger über das Leben als Road Cat

Momentan kommt der im badischen Achern geborene Musiker mit Wohnsitz in Köln viel herum. Musical in Wien, ein Gig mit Tom Gäbel in Berlin, eine Egerländer-Tour in Tirol, Fernsehaufnahmen in Südafrika, Einsatz im Münchner Hofbräuhaus, mit einer Rundfunk-Big Band ein Konzert im Norden, dazwischen mal ein Workshop in der fastfranzösischen Heimat. Er genießt die Abwechslung, die sein momentanes Leben bereithält, denn durch die verschiedenen Engagements wird es nie langweilig und er lernt Land und Leute kennen. Dankbar ist Christoph Moschberger vor allem für eines: „Ich kann die ganze Zeit mit tollen Leuten Musik auf durchgehend hohem Niveau machen.“ Zuletzt auch wieder in einem eigenen Projekt: Unter der Headline „Lieblingslieder – von Abba bis Zappa“ hat er gemeinsam mit dem Who is Who der deutschen Jazz- und Pop-Szene persönliche All time-Favorites auf eigene Weise interpretiert. Bislang einmalig, aber aufgrund des positiven Feedbacks ist dieses Konzept durchaus auch als Tour-Programm denkbar. Organisatorisch und musikalisch mitbestimmen, doch Teil einer starken Truppe sein: So fühlt er sich wohl, der Jazzer mit den Popohren.