Alle Trompetenwelt will immer hoch und höher. Die obere Lage hat ihren Reiz und ihre Tücken, unten sieht es aber nicht viel besser aus. Die Herausforderung der tiefen Lage ist aber eine andere. Es geht um Finger, Hirn und Auge. Und alle drei sind extrem wichtig.
Mit der tiefen Lage ist nicht die der Pedaltöne gemeint, sondern die noch sauber spielbare zwischen E1 und dem kleinen Fis, dem „Land’s End“ der offiziellen Trompetenskala, dem Teichgrund des Tonsees.
Wie der TrumpetScout kürzlich wieder den so populären wie auch Unbehagen verbreitenden Etüdenband von Herbert Clarke mit dem Beinamen „Technical Studies“ aufschlug, wechselte er nach einem noch recht souverän absolvierten Einstieg mit einer Übung der dritten Studie in der Mittellage zu einer, deren Töne sich noch nicht einmal größtenteils unterhalb des Notensystems befinden: Nummer 44, A-Dur.
Groß war die Ernüchterung beim ersten Durchgang. Die unnachgiebigen Schläge des Metronoms im Ohr, zunächst in einer Taktfrequenz, die der viel leichteren Übung zuvor geschuldet war, wurde das Ausmaß der Tragödie brachial deutlich. Mehrere Male wurde das Tempo zurückgeschraubt. Und es bedurfte häufiger Anpassungen, bis es das erste Mal gelang, diese zwei Zeilen halbwegs vernünftig zu spielen.
„Ausreden zu suchen, kann helfen, Lösungen zu finden.“
Die Frage wurde immer lauter: „Warum macht mir das solche Probleme?“ Ausreden zu suchen, kann manchmal auch helfen, Lösungen zu finden. Also an die Arbeit…
1. Die Finger und ihre Koordination
Natürlich sind nicht die Finger schuld, dass ein Spieler eine Passage buchstäblich nicht begreift, sondern die schlecht funktionierende Steuerung derselben, also vereinfacht das Hirn. Im unteren Register, wo die Töne nicht so nahe beieinander liegen wie in der oberen Lage, brauchen wir andere Griffe als in den höheren Registern. Das dritte Ventil wird deutlich öfter benutzt, so beim kleinen Fis (1-2-3), kleinen G (1-3), Cis (1-2-3), D (1-3), Es (2-3) und E (1-2). Üblicherweise bewegt man sich aber in der Mittellage, wo die Griffe schon einfacher ausfallen. Wenn es tiefer geht, dann nicht zwingend technisch fordernd. Für diese Tiefe wird nicht prototypische Trompetenliteratur geschrieben, weil der Klang dort nicht trompetentypisch ist. Als Trompeter ist man es also nicht gewohnt, artistisch in dieser Lage zu agieren. Übt man es nicht speziell, dann verkümmern die Leitungen, die für die akkuraten Wechsel der Griffe über die Finger verantwortlich sind – ein Resultat spezifischen Untertrainierens.
Der simultane und sichere Wechsel von aktiven und passiven Fingern bereitet vor allem dann Probleme, wenn der „Stieffinger“, also der dritte, involviert ist oder alle drei gemeinsam zu tun haben (z.B. beim Dreiklang G-H-D: 1-2-3, 2, 1-3) und sich noch andere Schwierigkeiten ergeben, z. B. viele Vorzeichen oder echte Verkucker.
Was hilft: Langsam üben, pausieren, wieder üben, vielleicht schneller, aber noch richtig spielen, wieder pausieren und so weiter.
2. Die Augen und die Hilfslinien
Nach der katastrophalen A-Dur-Erfahrung wechselte der TrumpetScout direkt zur Etüde in Fis-Dur. Sie ist die tiefste und selbst der dritte Dreiklangston ist erst das tiefe Cis. Bei so vielen Hilfslinien und eng gereihten Notenköpfen kann man schnell einmal um eine Terz verrutschen. Schnell ist es passiert und man sieht statt an einem Cis ein E. Dass dieses in der Tonart keinen Sinn macht, nützt einem im Eifer des Lesegefechts dann wenig.
Einzig probates Mittel auch hier: Vorbereitung, am besten ohne Trompete. Anschauen, sich darüber klar werden, was zu spielen ist, greifen und dann probieren.
3. Die Geschwindigkeit und das Ego
Selbstverständlich ist eine zu hohe Geschwindigkeit daran schuld, wenn man mit dem Lesen und den Fingern ins Schleudern gerät. Aber sich zu zügeln ist gar nicht so leicht. Oft übt man und will sich ja nur beweisen, dass man es sowieso kann. Etwas zu spielen, das einen überfordert, erfordert Mut und Willensstärke. Man muss deshalb die Bremse drücken und seinem Kopf auch die richtigen Bewegungsabläufe ins Gedächtnis stanzen, nicht immer wieder die falschen und die Fast-richtig-Durchgänge.
Wer diese Regel befolgt, wird schon am zweiten Tag Erfolge bemerken. Es geht besser als bei der langsamen Ersterarbeitung. Die ganz Großen machen es nicht anders, warum ihnen also nicht nacheifern? Step-by-step klingt abgedroschen, ist aber die wirksame Erfolgsformel. Der Mensch funktioniert so.
Der Genaueste gewinnt: Der TrumpetScout empfiehlt das Üben mit Metronom (fast jeder hat ein Smartphone und kann sich eine entsprechende App herunterladen) nicht, weil es alle tun oder er glaubt, dadurch gewänne man an Time-Gefühl, sondern weil der regelmäßige Taktschlag offenlegt, wo es hakt. Ansonsten macht man bei einer schwierigen Stelle einfach ein bisschen langsamer, meistert aber nicht die ganze Übung wie es sein sollte. Der Computer ist unbarmherzig und das sollte man manchmal auch sich selbst gegenüber sein.