Großes Publikum gewohnt: Michael Bublés Leadtrompeter Jumaane Smith

Er ist erst 33. Er ist Jazz-Trompeter. Und wenn er spielt, dann meist in großen Hallen und vor kreischenden Fans. Kann das sein? Ja – wenn man sehr talentiert ist, jung angefangen hat und beim kanadischen Swing-Weltstar Michael Bublé einen Platz in der Trumpetsection ergattert hat. Jumaane Smith führt diese seit 2005 an und glänzt auch solistisch. Vor dem MB-Konzert am 5. November 2014 in Wien stellte er sich den Fragen von TrumpetScout und macht klar, wie man seinen Vornamen ausspricht: Dschumani.

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Jumaane Smith im Gespräch mit dem TrumpetScout im Wiener Kempinski Hotel

 

TrumpetScout: Jumaane, was für eine Trompete spielen Sie?

Jumaane Smith: Ich benutze zwei Trompeten: Eine Chicago Benge in der Large-Ausführung von 1947, davon wurden nur 100 Stück gebaut. Die ist für den Lead-Einsatz. Für die Solo-Arbeit spiele ich auf einer Monette, im Grunde auf dem Modell, das für Maynard Ferguson konzipiert wurde. Für Monette-Verhältnisse ein Leichtgewicht, aber schwerer als jedes andere Horn, das ich gespielt habe!

TrumpetScout: Ich habe nicht nur gute Erfahrungen mit Leightweight-Trompeten für den Leadeinsatz gemacht. Glauben Sie, es gibt einen Zusammenhang zwischen Gewicht und Projektion?

Jumaane Smith: Den gibt es vielleicht, aber es hängt auch viel von der Klangfarbe ab. Mit einer brillanten leichten Trompete wie der Benge kann man über der Big Band spielen ohne allzu laut zu sein. Im mittleren Register lässt das Leichtgewicht dann aber oft stark nach. Das Mundstück macht auch sehr viel aus und sehr viel auch Hindernisse im Körper. Ein gerader Hals, geringe Anspannung, das alles begünstigt Resonanz und erzeugt damit auch eine größere Strahlkraft.

TrumpetScout: In diesem Zusammenhang auch interessant ist das Thema Widerstand. Maynard Ferguson beispielsweise hat in den 50ern eine enge Conn und später eine große Holton gespielt. Komisch, oder?

Jumaane Smith: Es hängt alles zunächst vom Spielertyp ab, aber auch viel von der Kombination mit dem Mundstück. Die meisten Leadtrompeter spielen entweder ein großes Instrument und ein Mundstück mit kleiner Backbore oder andersherum.

TrumpetScout: Welches Mundstück benutzen Sie?

Jumaane Smith: Ich spiele auf einem One-size-fits-all-Modell der Superchops-Serie von Jerome Callet, das leider so heute nicht mehr gebaut wird. Es hat einen weiteren Rand, wie das Schilke 14A4A, ein bisschen auch wie ein Jettone. Es bewahrt mich damit davor, mir Verletzungen zuzuziehen, wenn ich laut und lange in der Höhe spielen muss.

TrumpetScout: Ist es also ein Kompromiss? Ich bevorzuge einen schärfen Rand für ein Grip-Gefühl, dass mir mehr Sicherheit gibt.

Jumaane Smith: Sicherheit erarbeite ich mir durch tägliche Übungen durch die Obertonreihen von ganz unten bis zum C4. Als einen Kompromiss würde ich das Mundstück nicht bezeichnen, wenngleich manches mit speziellen Mundstücken besser ginge. Es ist vielmehr ein optimaler Allrounder.

Jumaane Smith: “I never wanted to be a leadplayer.”

TrumpetScout: Was macht für Sie das Leadspiel aus und wie wird man ein guter Leadtrompeter?

Jumaane Smith: Vorbilder sind wichtig. Ich habe viele Leute gehört und auch mit vielen zusammengespielt: Gary Grant, Wayne Bergeron, Snooky Young, Jerry Hay, Roger Ingram, Lin Biviano, Arturo Sandoval. Snooky Young war besonders wichtig. Er hatte ein swingendes Spiel und eine Time wie kein zweiter. Das ist das Wichtigste. Aber eigentlich wollte ich nie Leadtrompeter sein. Freddie Hubbard und Miles Davis haben mich sehr interessiert. Mein Zugang waren transkribierte Solos, auch von Clark Terry und Dizzy [Gillespie]. Dadurch merkt man auch, was diese Jungs wiederum beeinflusst hat. Bei Wyntons [Marsalis] frühen Aufnahmen ist unverkennbar das Vorbild Maurice André zu hören.

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Michael Bublés Leadplayer mit einer Conn 8B Gustat von 1934! Es handelt sich aber nicht um seine…

 

TrumpetScout: Von den Vorbildern zur eigenen Musik – wie hat alles begonnen und wann kam der große Karrieresprung?

Jumaane Smith: Ich komme aus Seattle / Washington, wo es eine ausgeprägte Szene gab. Wir wurden gut gefördert, hatten gute Lehrer, die uns beispielsweise nach Montreal oder auch zum North Sea Jazzfestival brachten. Dort schlich ich als 14jähriger in den Backstagebereich und redete mit Legenden wie Oscar Peterson oder Herbie Hancock. So entstand der Wunsch, Jazzmusiker zu werden und ich begann zu üben. Später in New York merkte ich, dass dieser Wunsch nicht sehr populär war! Beim Essentially Ellington Festival, einem High School-Festival in NY, kam ich dann mit Wynton Marsalis ins Gespräch, der mich davon überzeugte, dass New York der richtige Ort für mich sei. Ich begann das Studium dann auf der New School, einer Institution, die von erfahrenen Jazzhelden geleitet wird, erhielt aber im zweiten Semester ein Stipendium an der Juillard School – anders hätte ich mir die nicht leisten können -, an der innerhalb eines strengen Regiments sehr diszipliniert an der Technik gefeilt wird. Und dort wurde Wynton mein Privatlehrer!

Seltener Luxus: „Wynton became my private teacher.“

TrumpetScout: Wie kam das Engagement bei Michael Bublé?

Jumaane Smith: Der heutige Bassist von Michael [Bublé] – der übrigens gerade an uns vorbeigegangen ist! – war bereits vor mir Teil der Band und ein Kollege an der Juillard. 2005 haben sie einen Leadplayer gesucht, ich habe vorgespielt und war dabei! Das ist jetzt auch schon wieder zehn Jahre her…

TrumpetScout: Wie alt sind Sie denn?

33.

TrumpetScout: Das ist noch sehr jung! Also mit 24 waren Sie Teil einer Band, die ganze Hallen füllt. Für einen Jazzmusiker keine normale Situation…

Jumaane Smith: Ganz so war es nicht. Damals war Michael noch nicht so bekannt wie heute. Während der ersten Tour spielten wir vor 1.000  Leuten, bei der zweiten vor 5000 usw. Die meisten Musiker von einst sind übrigens noch immer dabei.

TrumpetScout: Also schon eine eigene Familie! Apropos: Wie geht das, Tourleben, Familie und Freunde unter einen Hut zu bekommen?

Jumaane Smith: Eine Welttour dauert zwei Jahre, dabei sind wir sechs Monate unterwegs und haben sechs Monate frei. Unterm Strich habe ich eigentlich mehr Zeit mit meiner Familie als jemand mit einem 9-to-5-Job. Klar, meine Frau ist das halbe Jahr alleinerziehend und wenn ich zuhause bin, wird sie mich nicht so schnell wieder los! Aber Dank Skype und Facetime geht es schon. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie das früher ohne diese Hilfen war. Ich bin auf jeden Fall sehr glücklich, wie es jetzt ist.

Networking ist essentiell für Freelancer: „I’m trying to be a nice guy.“

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Jumaane Smith: Really a great musician and a nice person!

TrumpetScout: Sind Sie eigentlich ein guter Networker?

Jumaane Smith: Das ist essentiell für jede Freelance-Existenz und sowieso jedes Geschäft. Außerdem versuche ich, ein netter Typ zu sein.

TrumpetScout: Haben Sie eigentlich beim legendären MB-Weihnachtsalbum die Leadstimme gespielt?

Nein, das war Wayne Bergeron – der war billiger! Die Studioarbeit macht eine andere fixe Familie, die Studioleute aus Los Angeles. Es wäre zu teuer, die Tourmusiker von überall her einzufliegen. Ich habe aber das Solo bei „Blue Christmas“ eingespielt.

TrumpetScout: Hatten Sie jemals Probleme beim Spielen?

Jumaane Smith: Ich hatte schon aufgeplatzte Lippen, sehr schmerzhaft! Denn in einer Arena zu spielen, ist nicht leicht. Die In-Ears machen einem das Leben relativ schwer, man hat nicht das Gefühl für Lautstärke und Sound und gibt dann mehr, als man müsste. Daneben hörte man die Rhythmusgruppe nicht, wie man es live tut. Lange hatten wir nur zwei Kanäle auf dem Ohr, für hohe und mittlere Frequenzen. In dieser nicht natürlichen Umgebung und in sehr großen Hallen ist das Hören einfach ein Problem.

TrumpetScout: Vermissen Sie es, in kleinen Clubs zu spielen?

Jumaane Smith: Ich spiele ab und an in kleinen Clubs…

TrumpetScout: …auch mit Big Band?

Jumaane Smith: Gelegentlich doch. Wir hatten eine Weihnachtsshow in der Radio City Hall – für uns schon ein kleinerer Spielort [Anm. Scham ist hörbar]! Es war ein schönes Erlebnis ohne das In-Ear-Monitoring.

TrumpetScout: Es gibt ein Video, in dem Sie Klavier spielen…

Jumaane Smith: Ich spiele auch Klavier, Bass und Schlagzeug. Die Trompete ist aber mein Hauptinstrument, doch ich singe auch viel.

TrumpetScout: …und auch singen, und zwar Stevie Wonders „Isn’t she lovely“. Es sieht sehr privat und intim aus.

Jumaane Smith: Oh ja, das war schön! Nach einer einer MB-Show in London, waren wir bei einem Freund des Gitarristen eingeladen, der gerne Dinnerparties ausrichtet und zu Jam-Sessions einlädt. Es war ein tolles Erlebnis…



TrumpetScout: Auch für mich! Was machen Sie übrigens zwischen den Konzerten?

Viel Promoarbeit!

TrumpetScout hilft dabei: Bevor sein nächste Album hoffentlich eines mit Stevie Wonder-Coversongs wird, weisen wir natürlich auf das ebenfalls sehr schöne aktuelle Solowerk hin: “I only have eyes for you“

Interessant ist es auch, Jumaane Smith auf Instagram zu folgen: http://instagram.com/jumaanesmith