Beim Spielen der Trompete sind sehr viele Muskeln im Einsatz, die akkurat zusammenarbeiten müssen. Dazu braucht es Routine, die wiederum erlangt man durch Training. Wie aber sieht effizientes Training – anders: Üben – bei der Trompete aus? Wie im Fußballverein oder Fitness-Studio oder ganz anders? Der TrumpetScout hat sich Gedanken zum Trainingsplan gemacht.
Die meisten von uns werden sich gleich wiedererkennen: Zwar ist der TrumpetScout heute trompetenverrückt und war seit der ersten Stunde fasziniert von diesem Instrument, aber geübt wie verrückt hat er nicht von Anfang an. Einmal in der Woche gab es die Trompetenstunde, am Tag vorher wurden die Hausaufgaben mehr schlecht als recht einmal durchgehupt. Angst vor dem Unterricht war da natürlich auch vorprogrammiert. Bei vielen Blasmusikern zieht sich dieses Schema durch das ganze Musikerleben: Einmal pro Woche probt der Musikverein, die Blaskapelle, der Posaunenchor, die restlichen sechs Tage (von Auftritten abgesehen) bleibt das Instrument im Koffer. Kommt man damit weit? Natürlich nicht. Reichen aber zwei Stunden Üben pro Woche? Durchaus!
Lang versus oft: Die Frequenz macht den Erfolg
Teilt man nämlich zwei Stunden durch sieben, ergibt sich eine tägliche Übedauer von etwas über 17 Minuten, also eine starke Viertelstunde pro Wochentag. Damit kann man arbeiten. Die bekannte Weisheit „Lieber täglich wenig als selten viel“ hat ihre absolute Berechtigung. Eben weil das Zusammenspiel von Rumpfmuskulatur, Hals, Zunge und Lippen ein so komplexes ist, müssen die Abläufe ins sogenannte Muskelgedächtnis eingebrannt werden. Das geht nur durch beständige Wiederholung. Eine Lücke zwischen diesen Wiederholungen von mehreren Tagen ist nicht hilfreich. Es ist, als würde man sich ein zwanzigstellige Telefonnummer einprägen wollen, bekommt die aber nur alle zwei Wochen zu Gesicht um sie fünf Mal zu wählen. Ob man sich diese jemals wird merken können? Besser geht es, wenn man jeden Tag einmal tippen darf. Wer also täglich spielt (es geht gar nicht um das Meistern eines konkreten Problems bei einer schwierigen Passage) und einfach Töne produziert, gewöhnt sich an den Prozess der Tonerzeugung und legt somit die Grundlage für die Beherrschung des Instruments in einem überschaubaren Rahmen. Wer nur einmal pro Woche zum Horn greift, kämpft beständig gegen das Vergessen seiner Muskeln und muss sich jedes Mal wieder mühsam und bewusst erinnern statt einfach unbewusst loslegen zu können.
Trompete spielen bis zur Erschöpfung: Wann sind Pausen sinnvoll?
Wer den TrumpetScout persönlich fragt, wird nie eine Legitimation für längere Pausen, also über einen Tag hinaus, bekommen. Fast 20 Jahre täglichen Spielens (nicht Übens) bis zu einer Mandelentfernung haben sicher keine negativen Spuren hinterlassen, im Gegenteil, man fühlt sich – trotz nach wie vor keiner Sicherheit wie bei guten Profis – mit der Trompete angenehm verbunden.
Immer wieder hört man aber von Blechbläsern, dass es ihnen ab und an gut täte, einen Tag auszusetzen. Vielleicht ist das beim tiefen Blech anders und nach einem langen Polka-Nachmittag ist man froh über einen „day off“ – hier fehlt die Expertise. Bei den kleinen Mundstücke ist eine Pause aber möglicherweise nur deshalb sinnvoll, weil der Ansatz nicht richtig funktioniert und in Ermangelung an effizienter Technik mit extremem Druck gespielt wird, was sich im schlimmsten Fall an wackeligen Zähnen und sogar leichten (nicht immer sichtbaren) Verletzungen der Lippen zeigt. Dann brauchen die lädierten Teile tatsächlich eine Erholungspause, um den Schaden zu minimieren. Grundsätzlich sollte dann aber das ganze System – am besten bei einem guten Lehrer – in die Inspektion.
Andy Haderer und Scott Englebright sind nicht immer Vorbilder
Es gibt aber auch das andere Ende des Spektrums: Einige absolute Top-Profis bekennen sich zu regelmäßigen und sogar wochenlangen Pausen. Von Andy Haderer beispielsweise wird gesagt, dass er seine Trompete nicht mit in den Sommerurlaub nimmt. Scott Englebright, ein früherer Leadtrompeter von Maynard Ferguson und Teil des bestialischen High Note-Duos „Tastee Bros.“, erzählt in einem Interview, dass er einmal acht Wochen lang die Trompete nicht angerührt habe, nur um zu sehen, wie sich sein Spiel verändern würde. Abschließende Behauptung: Zu seiner eigenen Verwunderung sei überhaupt kein Unterschied festzustellen gewesen. Als Vorbild muss man sich diese beiden Herren deshalb aber nicht nehmen. Wer das Instrument einmal richtig und buchstäblich blind beherrscht, weil er seinen Körper über Jahrzehnte auf die Anforderungen des Trompetenspiels getrimmt hat, der kann möglicherweise eine Pause gut wegstecken (wenn auch nicht davon profitieren!) und seine Lebensausdauer als Musiker sogar erweitern, da eine kurze Auszeit den Spielhunger wieder fördert. Es geht hier also auch um psychische Faktoren.
Es gibt aber, wenngleich selten, die möglicherweise berechtigte Pause, wenn, wie oben bereits angeschnitten, das Spielsystem Fehler aufweist. So können auch routinierte Vielspieler durch eine Pause diese Fehler ausmerzen, indem sie ihren Speicher durch die Abstinenz (und damit durch Vergessen) „reseten“. So berichten manche Profis auch von einer Verbesserung des eigenen Spiels nach einer längeren Pause, da Dinge wieder neu und eben richtig erlernt werden, die vorher falsch eintrainiert und im normalen Geschäftsbetrieb nicht zu beseitigen waren.
Intensiv versus locker: Pausen und Aufwärmen – kein Zirkeltraining
Wie sollte nun aber eine effektive Übeeinheit oder ein Übetag aussehen? Wer wirklich jeden Tag nur eine Viertelstunde zum Üben kommt, der sollte in dieser einfach auch viel spielen. 15 Minuten halten die meisten ohne Blessuren oder mildere negative Effekte durch. Wichtig ist dabei nur, die Tonproduktion zu fördern. Wer aber ein bisschen mehr investieren will und kann, der sollte nicht üben wie beim ZIrkeltraining, sprich: 30 Minuten und ich falle ins Koma. Bei der Trompete ist dieses Auspowern kontraproduktiv. Warum? Der Körper (und mit ihm der Kopf) gewöhnt sich an die Erschöpfung und prägt sich diese ein. Besser ist es aber, sich stets frisch zu fühlen, nur dann funktioniert das System wie es sollte und kann sich so richtig einschleifen. Wenn ich Liegestütze mache, ist es egal, ob ich die nächsten Tage das Gefühl habe, als wäre die ganze Brust ein blauer Fleck, der Reiz zum Muskelwachstum ist gesetzt. Bei den Lippen geht es aber in erster Linie nicht um Masse, sondern um die Zusammenarbeit mit dem restlichen Körper: Es ist wie bei einem komplexen Sport, z.B. Stabhochsprung. Sind mir die Arme schlaff oder die Beine müde von einer punktuellen Überbeanspruchung, geht jeder Versuch über die Latte zu kommen in die Hose. Durch die ganze Session sollte man fit bleiben: Deshalb ist es wichtig Pausen einzuhalten. Die zweite, ebenfalls alte Regel „So lange pausieren wie man gespielt hat“ ist also auch zu bestätigen. Sich in möglichst kurzer Zeit möglichst stark zu verausgaben – quasi komprimiert üben – ist keine kluge Absicht.
Wer wirklich viel Zeit hat, teilt seinen Übetag am besten in verschiedene Abschnitte ein, pausiert also nicht nur während der Einheit ausreichend. So machen es die Profis auch: Eine Einheit am Vormittag, eine am Nachmittag und vielleicht noch eine am Abend. Nur mit der Routine von täglich längerem Spielen ist man auch für lange und zehrende Gigs gewappnet. Wer täglich nur eine Viertelstunde übt (oder vielmehr spielt), wird sich mit zwei bis drei Stunden an der Leadstimme einer ambitionierten Big Band mit entsprechendem Repertoire schwer tun. Es mag Ausnahmetalente geben, denen das gelingt – Vorbilder sollten aber auch sie keine sein.
Für das Aufwärmen muss, gerade bei Amateuren, nicht so viel Zeit investiert werden wie allgemein kolportiert wird. Wer täglich spielt, muss sich nicht erst eine halbe Stunde lang erinnern, wie es geht und irgendwie versuchen, sich mit dem Mundstück anzufreunden. Wer schon etwas weiter ist und für die Lippen sehr anspruchsvolle Literatur (laut und hoch) zu spielen hat, tut gut daran, sich vor der Probe und noch wichtiger: vor dem Gig am besten zuhause einzuspielen. Eine kleine Übeeinheit und sich dann ein bisschen auf die obere Lage einschießen. Das bereitet die Lippen vor und hilft auch der Psyche. Man merkt, dass alles klappt, hat noch einige Stunden Pause bis zum echten Einsatz zur Erholung, und muss sich nicht vor Ort und unter Druck auf Betriebstemperatur bringen.
Fazit zum Üben: Täglich, aber entspannt
Wer im Leben trompeterisch ein gewisses Level erreicht und dafür – wie alle Top-Profis und ambitionierten Laien – zumindest phasenweise viel Übezeit investiert hat, kann sein Niveau durch tägliches Üben in überschaubarem Ausmaß gut halten. Wer zulegen möchte, muss entweder seine Übeeffizienz steigern (dazu einmal ein anderer Artikel) oder mehr Zeit investieren. Grundvoraussetzung für das Meistern des Instruments ist aber der tägliche Umgang damit: Die Trompete darf kein Fremdkörper sein, mit dem man ringt. Anfreunden kann man sich mit ihr nur über Kontakt, und am schnellsten über häufigen. Wer diese Regel diszipliniert befolgt, hat schon einmal den größten Schritt nach vorn getan. Wer noch ein bisschen mehr Zeit investieren kann, sollte nicht zu viel auf einmal wollen: Die Hälfte der (anspruchsvolleren) Probezeit ist Ruhezeit, zumindest für die Lippen. So meidet man Stresssituationen für den Körper und gibt ihm die richtigen Impulse. Und war der letzte Gig doch einmal zu anstrengend, lieber nur fünf Minuten in der mittleren Lage leise Blasen als zwei Tage gar nichts zu machen. Wenig ist immer mehr als nichts und manchmal genau das richtige.