Member of the A-Team? Warum das A3 so schwierig ist und wie man es knackt

Das A3 ist nicht nur irgendein sehr hoher Ton auf der Trompete, sondern ein außergewöhnlich widerspenstiger. Es gibt Trompeter, die sich leichtfertig in oberen Register bewegen, aber dennoch bei dieser Note straucheln. Warum ist das so? Der TrumpetScout hat bei Hochkarätern um Erklärung gebeten – und um Hilfe.

Möglicherweise werden sich jetzt manche Leser denken: „Was interessiert mich ein A3? Mir macht ein C3 doch bereits große Probleme!“ Das mag berechtigt sein. Dennoch: Die Schwierigkeit des A3 hat auch mit der allgemeinen Thematik Höhe auf der Trompete (bzw. allen anderen Blechblasinstrumenten) zu tun. Außerdem ist die Zahl derer, die Töne jenseits des C3 verlässlich und brauchbar spielen können, seit Cat Anderson extrem angestiegen – weil sich das Wissen darüber stark verbreitet hat, was in puncto Range möglich ist und welche Wege einen ans Ziel bringen können. Oder wie Hans Gansch im TrumpetScout-Interview so schön Allen Vizzutti zitierte: „Mittlerweile gibt es in jeder Telefonzelle einen, der dir ein C4 vorspielen kann.“

Telefonzellen sind mittlerweile fast Geschichte, aber (zumindest einzelne) Trompeter, die ein F3 oder G3 sauber spielen können, sind heutzutage auch in Amateurorchestern keine Ausnahme mehr.

Was ist ein A3? Eine Begriffsklärung

Zunächst einmal sollte man klären, welcher Ton mit der Bezeichnung A3 eigentlich gemeint ist. Hier gibt es – zumindest international gesehen – große Uneinigkeit.

Wir im deutschen Sprachraum beginnen in der Regel mit der numerischen Bezeichnung beim C unterhalb des Notensystems. Das ist das eingestrichene C (C‘ oder eben C1). Darunter fehlen die Zahlen: Man spricht zunächst von den Tönen der sogenannten kleinen Oktave, darunter wiederum von denen der großen Oktave – wie auch darüber immer jeweils von C bis H. Oben läuft dagegen die Nummerierung weiter: Der Ton über dritten Notenlinie ist  das C2, danach folgen wie gehabt Cis2, D2, Dis2 etc. bis zum C3, dem C über dem Notensystem. Demzufolge ist das A, das diesem C folgt, das A3. Und um diesen Ton geht es in diesem Artikel.

Ganz links das kleine A, rechts folgend A1 (A‘), A2 (A“) und A3 (A“‘) – oder auch Double High A.

In der englischsprachigen Welt sieht die Systematik anders aus. Man spricht zwar von Low C, Middle C und High C als Entsprechungen von C1, C2 und C3, diese sind aber nicht Startpunkte der jeweiligen Oktaven. Bryan Davis erklärte dem TrumpetScout, dass jene beim (Stimmton) A begännen (was im Englischen dann auch eine wunderbare alphabetische Reihung ergibt). Wir als Bläser haben hierzulande hier ein C-zentrisches und augenscheinlich auch dominantes Naturtonweltbild entwickelt bzw. übernommen. Spieler von Saiteninstrumenten sehen das A als Initialton naturgemäß als weniger fremd an.

In den USA, England und überall, wo man Englisch spricht, redet man also – mehr oder weniger bewusst – vom Low A (das kleine A), vom Middle A, (A‘), High A (A“) und dann eben vom Double High A, wenn man unser A3 meint.

Welche Probleme gibt es beim A3?

Wer (noch) nicht so hoch spielen kann, dass er das Problem mit dem A3 leibhaftig erfahren hat, dem sei es hier kurz geschildert. Töne in der oberen Lage sind per se anstrengender als unten. Man verkleinert die Lippenöffnung und muss dabei Spannung der Ansatzmaske halten. Außerdem erhöht sich der Zungenrücken und die Luftbahn verengt sich. Gleichzeitig drückt man aber Luft aus der Lunge durch diesen immer enger werdenden Ausgang. Das ist anstrengend, egal wie technisch bedenkenlos man das macht (man schaue nur in die Gesichter alle Cracks!). Das geht aber alles gut, der Ton klingt voll, spricht relativ sicher an und stimmt auch. Doch dann nähert man sich einer Art Schallmauer. Bei manchen fängt das schon nach dem Fis3 an (ein Ton, der übrigens nach dem Empfinden des TrumpetScout auf fast allen B-Trompeten hervorragend klingt), bei manchen erst nach dem G3. Die Trompete scheint plötzlich zuzumachen. Das Gis geht noch irgendwie und dann ist es aus oder das A ist nur ein schlecht stimmendes Piepsen eines kränklichen Vogels. Das muss nicht bei Jedem genau so sein (auch die Hardware spielt eine Rolle), aber in den meisten Fällen verläuft es ähnlich.

Der Tonumfang der Trompete: fis bis…?

Der gemeinhin ohne große Übung spielbare Tonumfang der Trompete (sogenannte Pedaltöne seien hier außer Acht gelassen) beginnt unten beim kleinen Fis – bis hierhin funktionieren Griffe noch zuverlässig und sogar fast exklusiv: Bis auf das kleine A, das mit 1-2 oder 3 gespielt werden kann, gibt es für jeden Ton unter dem C1 nur eine einzige Ventilkombination. Die Grenze nach oben lässt sich schwerer abstecken. The sky’s the limit? Theoretisch ja, aber auch nicht. Und genau hier sind wir beim A3.

Die Kurve der Leichtigkeit: Sie mag zwar individuell leicht verschieden sein, aber prinzipiell sind die Töne ab dem kleinen fis gut spielbar, werden dann noch leichter (in der sogenannten Mittellage), aber nach oben hin auch wieder schwerer. Definitiv ein Knackpunkt ist das A3 und die direkte Nachbarschaft.

Ein akustisches Problem

Das A3 markiert ein Ende. Ein Ende der Trompete an sich? Laut Tobias Weidinger gibt es tatsächlich eine physikalische Begrenzung: „Die Länge der Trompete ist so, dass man eigentlich nur bis zum Gis3 spielen kann. Darüber sind die Abstände gering und man spielt nur noch über die Ohren. Da das A3 am Scheidepunkt zwischen regulärem und Quasi-Falsett-Register liegt, ist es besonders hart umkämpft. Drunter geht’s besser, aber auch drüber!“

Ab dem G3, so Bryan Davis, gelange man in einen Tonbereich, bei dem die Intervalle in der Obertonreihe kleiner als ein Halbton, ja, mikrotonal werden. Außerdem dringe man dort in eine Lage vor, die normalerweise für die trompetentypischen Töne im mittleren Register wichtige Obertöne beisteure. „Das Zusammenfallen dieser beiden Umstände scheint Probleme zu bereiten.“

Auch ein bundesweit anerkannter Trompeten-Designer in Diensten eines großen und namhaften Herstellers erklärt, dass es sich um ein rein akustisches Problem handele und ergänzt, dass die Verwendung der Griffkombination 1-2 den Ton zusätzlich erschwere: Die Resonanzen bei Obertönen seien schwächer, wenn man die Trompete mit zwei Ventilen verlängert als nur mit einem oder gar offen spiele.

Das A3: Ende und Anfang für Trompeter

Das A3 ist natürlich nicht das Ende der Fahnenstange. Das beweisen die unzähligen High Noter dieser Welt. Aber (ungefähr) dort endet eben der normale Spielbereich (siehe Grafik oben), genauso wie nach unten hin beim kleinen fis. Trotzdem kann man Pedaltöne erzeugen und trotzdem auch Töne im Altissimo-Register. Die Tonproduktion funktioniert dort nur ein bisschen anders. Bei Weidinger klang es schon an, Bryan Davis macht es in einem seiner Erklärvideos (unten) deutlich: Das Trompetespielen ist dem Singen sehr ähnlich. Es gibt den regulären Einsatzbereich (das Pendant zum Umfang der Bruststimme) und es gibt den Falsettbereich (der Umfang der Kopfstimme). (Der TrumpetScout ergänzt der Vollständigkeit halber noch den Pedalbereich, zu dem es keine stimmliche Entsprechung gibt.) Was gute und in der Höhe sehr flexible Spieler auszeichnet, ist nicht die Erweiterung quasi der Bruststimme, sondern – wie z.B. bei einem Koloratursopran auch – der nicht wahrnehmbare Übergang zwischen Brust- und Kopfstimme. Das A3 ist also tatsächlich ein Ende, aber sogleich ein Anfang.

Aus einer Parallelisierung zwischen Singen und Spielen lässt sich Vieles ableiten – möglicherweise auch so etwas wie eine veranlagte Begabung für die Höhe. Eine Kopfstimme hat ihre natürlichen Grenzen – vielleicht auch die maximale Höhe, die man als Trompeter erreichen kann, selbst wenn man ‚alles richtig macht‘? Dennoch dürfte dabei genügend Luft für alle sein, bis über das A3 hinaus zu spielen. Das Trainieren des körpereigenen Instruments – unserer Stimme – könnte hierbei ein Schlüssel sein. In diesem Sinne: Sing, sing, sing!

Lead-Trompeter und Ihre Erfahrungen mit dem A3

In den goldenen Zeiten der Big Bands musste man auch als professioneller Lead-Trompeter kein A3 spielen können. Es war schlicht nie notiert. Sogenannte Screecher pfiffen hin und wieder Töne darüber, aber in einem Shout Chorus ging es nicht so hoch hinauf. Modernere Musik erweiterte aber die Range. Ein strahlendes A3 gehört da zur gehobenen, aber erwarteten Ausstattung. Der TrumpetScout befragte in den letzten Jahren viele große Spieler dahingehend. Während ein Aneel Soomary sagt, er habe eher jenseits des A3 Probleme, können andere bekannte Namen das Problem mit diesem Ton nachvollziehen. Tobias Weidinger werde nach eigenen Angaben wohl „bis ans Lebensende mit dem A3 kämpfen“, Andy Haderer konnte den Ton auch lange Zeit nicht gut spielen, obwohl ihm eine C4 oder D4 solide gelang und auch der kraftvolle Thorsten Benkenstein spielt (gelinde formuliert) andere Töne lieber und tüftelte in puncto Equipment, um das A3 besser zu beherrschen. Selbst Allen Vizzutti (wenn auch kein Lead-Player) bestätigte persönlich die Krux mit dem Double High A. Und von Arturo Sandoval wird gar behauptet, er könne zwar ein A4 spielen, aber kein A3. Das darf jedoch getrost als illegitimer Trumpet Gossip eingestuft werden, unterstreicht aber die Schwere der Problematik dieses Tons.

Wayne Bergeron als Promoter des A3

Geradezu ein Meister (nicht nur) des A3 ist Wayne Bergeron. Hört man sich Aufnahmen von bzw. mit ihm an, drängt sich geradezu der Gedanke auf, Arrangeure schrieben ihm auf den Leib bzw. die Lippe. Ist das G3 mit Rücksicht auf die Trompete oftmals so etwas wie ein Höchstpunkt, setzt man mit Bergeron an der Spitze der Section absichtlich eine große Sekunde drauf – die Zahl derer, die das dann (nur annähernd) nachspielen können, sackt dadurch schlagartig ab. Im bekannten „O Holy Night“-Solo bläst er das A3 als wären Einrast- und Intonationsprobleme nichts als Fake News. Im Soundtrack zu „La-La-Land“ gibt es z.B. ein Bergeron-Solo, das ausgerechnet auf dem A3 endet. Und wer schon einmal Literatur von Gordon Goodwins Big Phat Band gespielt hat, weiß auch, dass viele Stücke in klingend G und nicht klingend F geschrieben sind. Ergo: Einwürfe und Schlusstöne auf dem A3. Ziehsohn Louis Dowdeswell scheint in die gleichen Fußstapfen zu treten zu wollen. Alle seine jüngeren Youtube-Studioaufnahmen inkorporieren das Thema A3 vollmundig. Hier trennt sich klar die Spreu vom Weizen.

Alternative Griffe sind eine mögliche Hilfe

Neben der anderen Spielweise (bildlich: mehr Kopf statt Brust) helfen alternative Griffe. Alternativ heißt in der Praxis: Fast alles andere als 1-2. Benkenstein greift das A3 bevorzugt mit dem dritten Ventil, Bergeron und Dowdeswell benutzen das erste. Bryan Davis geht noch weiter und variiert je nach Tagesform oder atmosphärischen Bedingungen: Manchmal macht ihm ein B3 mehr Probleme als das A3, aber wenn das A nicht einrasten will, dann probiert er es mit 2 oder mit 1 oder mit 3 – „or [with] any combination“! Verantwortlich für diese Schwankungen macht er z.B. auch das Wetter oder Höhenunterschiede.

Auch die Trompete hat einen Einfluss

Es gibt Trompeten, die (je nach Spieltyp und Mundstück) in der Höhe besser funktionieren als andere. Das steht für den TrumpetScout außer Frage (weshalb er auch in der Bewertung so etwas wie eine ‚Höhennote‘ gibt). Die Physik lässt sich deshalb aber nicht ausklammern. So war die Erfahrung oft die, dass bei gewissen Exemplaren zwar das A3 besser einrastet, quasi im Tausch dann aber ein anderer Ton zum Sorgenkind wird. In aller Regel ist das ein Kuhhandel: So spielte der TrumpetScout schon einige Trompeten, die ein besseres A ermöglichten, dafür wurde das Gis deutlich schwerer oder schlimmer noch: Das G3 fehlte. Einen höheren Ton gegen einen tieferen zu tauschen mag für das Übezimmerego gut sein, aber niemals für die Band Sinn machen. Tiefere hohe Töne kommen einfach häufiger vor als hohe. So trennte sich auch Thorsten Benkenstein bald wieder von einer Trompete mit tollem A3 aber unspielbarem Es3. Nur verständlich.

Dieser Artikel war extrem aufwendig: Recherche, Interviews, Grafik- und Texterstellung verschlangen viele Tage. Wenn dir das Ergebnis gefällt, unterstütze TrumpetScout mit einer Spende – schon 5 Euro können viel bewirken: paypal.me/trumpetscout Danke!

Dennoch gibt es Hörner – sowohl bei neuen als auch Vintage-Modellen -, die allgemein besser rasten und in der Höhe den größeren Widerstand bieten, der das Spielen mit der Kopfstimme begünstigt. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: Manche High Note-Spezialisten blasen riesige, sehr offene Trompeten mit großen Mundstücken. Aber wer weiß, was sie mit ihren Stimmbändern machen?

Das A3 – ein neuer Freund?

Der TrumpetScout stieß relativ früh im Leben an die Grenze A3. Fortschritte gab es lange keine. Mittlerweile scheint es aber dennoch ein Verbesserung gegeben zu haben, wenngleich der Respekt vor diesem Ton doch noch sehr groß ist. Die Erkenntnisse sind aber ganz klar:

  1. Gewalt bringt nicht nur nichts, Gewalt ist kontraproduktiv.
  2. Die Kalibrierungsprozesse brauchen Zeit. Ein A3 heute kann morgen wieder nicht funktionieren, woran man aber nicht verzweifeln darf. Dann übt man z.B. seinen Zungenstoß und übermorgen geht es dafür umso besser in der dritten Oktave.
  3. Wer die Grenze im Kopf anerkennt, wird an ihr aufgehalten. Das ist kein pseudopychologisches Geschwafel, sondern die simple Warnung vor einer self fulling prophecy. Das A3 ist ein besonderer Ton, aber trotzdem auch nur ein Ton. Am besten gelingt er, wenn man nicht vor ihm auf die Knie fällt.