Revolution bei Bach: die LT190 – eine wirklich leichte Trompete

Endlich gibt es sie, die leichte Bach! Nicht nur leichter Ventilstock und Schallstück in Lightweight-Ausführung, sondern eine weitergehende Diät bei Stützen und Mechanik. Bach nennt diese Kombination „commercial“. Ob sich das „commercial horn“ für den Spieler auszahlt oder nur für Bach? TrumpetScout hat im November die LT190 in Wien kurz angespielt.

Was heißt denn das überhaupt, „commercial“? Unter kommerzieller Musik versteht man ja in der Regel nichts Gutes. Die Amerikaner muten dem Begriff wohl mehr zu als wir und bezeichnen damit alles, was keine Klassik oder das expressionistische Jazzsolo ist: die Big Band in der Musical- oder Galashow, die Hornsection in Pop, Rock, Soul, Funk und Latin oder auch die schreiende Trompete in Soundtracks wie dem von „The Incredibles“.

Bach LT1901B = the commercial horn

In diesen Bereichen sind zwei Dinge wichtig: Klang und vor allem Spielbarkeit. Ein solches „commercial horn“ sollte einen bestimmten Klangbereich abdecken; nicht nur hell klingen, sondern obertonreich sein und auch Bassfrequenzen erzeugen. Aber vor allem darf einen eine Trompete nicht auslagen, die „für’s Geschäft“ taugen soll. Sie muss leicht zu spielen sein, sicher einrasten und das obere Register darf keine zusätzlichen Hürden erhalten. Wenn die schwierigen Töne jenseits des G3 – konkret As und A – besser gehen als beim Gros der Trompeten aus dem Handel, dann ist der eine oder die andere LeadspielerIn eventuell geneigt, auch deutlich mehr zu bezahlen. Quasi erkaufte Sicherheit.

Bach_LT1901B_1_trumpetscout
Bach verlässt bekannte Wege – ein für die Marke revolutionäres Design wurde mit der LT190 1B umgesetzt. Eine Anleihe bei F. Besson: das zweite Ventil zeigt nach vorn.

Ein kurzes Anspielen ersetzt keinen Test im Ernstfall, sprich bei einem zehrenden Gig, aber Hinweise gibt es schon, v. a. zum Klang. Die neueste Bach mit dem ältesten Schallbecher (die Bezeichnung „1B“ steht für das Schallstück #1 – wohl Vincent Bachs erste Kreation – in Bronze) hat beides: Substanz und dieses Flirren, das die Amerikaner nur zu gerne mit „sizzle“ oder „crisp“ bezeichnen – und wir alle so sehr lieben.

Klanglametta aus dem Bronzebecher – die Bach ist quicklebendig

Dazu kommt ein offenes Spielgefühl jenseits der letzten regulären Notenlinie. Die Bach macht nach oben hin nicht zu, sondern entsteigt dem Dunst des unteren Registers wie eine Trägerrakete, die gerade den ersten leeren Treibstofftank abgeworfen hat – ohne aber in der Normallage schwachbrüstig zu sein. Doch dafür gibt es bessere Trompeten. Und es scheint mir nach unzähligen Tests in der Tat wie ein Naturgesetz: Ist ein Horn in der Normallage sehr groß und spricht auch im Pianissimo sehr sensibel und damit zuverlässig an, so ist es immer weniger zu gebrauchen, je höher es geht. Das obere Register scheint einen Widerstand zu verlangen, ob er nun von der Trompete herrührt oder vom Mundstück. Die Bach liefert – zumindest mir – genau den richtigen Widerstandsverlauf.

Bach_LT1901B_vs_Yamaha 9335 CH_trumpetscout
Man verzeihe das unscharfe Handyfoto! Die Unterschiede in der Konstruktion zwischen Yamahas Flaggschiff und Bachs Neuer werden trotzdem deutlich.

Was macht den Unterschied? Das alte Credo „Viel (Gewicht) bringt viel (Klang)“ scheint nicht mehr alle neuen Ideen zu überstrahlen. War das vor einigen Jahren eingeführte Artisan-Modell eine restaurative Hinwendung zu alten Tugenden (vielleicht auch im Zuge der Heavy-Bewegung, die v. a. Dave Monette mit seinen Monstertrompeten angestoßen hat), wird nun alles anders gemacht. Zum ersten Mal hat eine Profitrompete aus dem Hause Bach gar keine Stützen am Stimmzug, nicht einmal eine wie bei den bekannten Reverse-Modellen. Hinzu kommen Amado-Wasserklappen (what??) und ein dünnwandiges Schallstück, das in Größe und Form eher an den als Kloschüssel verspotteten Becher einer Conn Connstellation erinnert. Der optische Vergleich mit einer meiner Lieblingstrompeten, der sagenhaften aber sündhaft teuren 9335 Chicago von Yamaha, macht deutlich, dass hier stark abgewichen wurde vom klassischen Ideal von Benge, Calicchio und eben auch einer 37er Bach, das einen früher öffnenden, aber im Durchmesser kleineren Becher vorgibt.

Bach LT190: weniger Kern, doch mit Fluglizenz für die Stratosphäre

Die Form des Schallstücks mag neben dem insgesamt deutlich geringen Gewicht gegenüber den 180er-Standardmodellen auch ein Grund dafür sein, warum die LT190 einen breiteren und nicht so bachtypisch kernigen Klang erzeugt. Das Material, Bronze, wird seinen Teil ebenfalls dazu beitragen.

Im Vergleich mit einer der besten Allround-Trompeten, die man für Geld verlässlich, d. h. immer wieder, bekommen kann, der YTR 9335CH, kristallisieren sich besondere Eigenschaften heraus. Die Yamaha spielt wie auf Schienen, mehr Slotting geht eigentlich nicht. Nachteil: Wer wie im Jazz nicht selten Töne „anfahren“ möchte, als absichtlich nicht gleich in tune anspielen, der tut sich schwer. Auch das Shaken geht nicht so leicht. Die Chicago hat ein eingebautes Stabilitätsprogramm. Derlei Probleme kennt die Bach nicht. Sie hat außerdem mehr Feuer und keine konstante Tonqualität: Wie oben bereits angedeutet, wird sie mit zunehmender Höhe besser. Die Yamaha macht alles überall gleich gut, klingt aber überall ein wenig antiseptisch. Die Bach dagegen ist hochgradig ansteckend.

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Ganz neuer Anblick: Weder 37, noch 43 oder 72 steht auf dem Becher – sondern eine Eins mit Stern! Stützen sind auch passé, obwohl keine Reversed-Bauweise.

 

Zum Lieferumfang gehört übrigens ein zweiter Stimmzug. So stehen eine runder Bogen (C-Form) und ein schärfer mit deutlich höherem Widerstand (D-Form) zur Verfügung. Beide gehen gut, der runde vermittelt gleich mehr Large Bore-Gefühl. Diese kleine Variation gibt es auch in groß – neben der getesteten ML-Ausführung kann man die LT190 auch mit Large-Bohrung bekommen.

Der Mercedes unter den Trompeten hat natürlich seinen Preis

Eine wichtige Frage ist die nach dem Preis. Der dürfte bei knapp über 3.000 Euro liegen – und damit unter dem der Artisan (was verwundert, da das schwere Blech oft günstiger ist) und auch deutlich unter der verglichenen Yamaha. Dafür gibt es sicher eine sehr gute Trompete (über die volle Palette an Qualitäten gibt ein späterer Langtest Auskunft), die, wie alle Bachtrompeten („der Mercedes unter…“), eine hohe Wertstabilität verspricht – auch wenn es sich nicht um ein Evergreen-Modell handelt. Dieser Typ hat das Zeug zum Klassiker. Nicht nur wegen der Musiker, die mitentwickelt haben und als Endorser bei der Vermarktung helfen (allen voran Lynn Nicholson). Sondern weil die Trompete gut klingt, sich gut spielt und dabei Charakter zeigt.


 


 

[table caption=“TrumpetScout dares an educated guess“ width=“900″ colwidth=“400|900″ colalign=“left|left|center|left|right“]
What is she offering?,“LT bronzebell (#1) & body, ML/L-bore, Amado-Waterkeys, 2 Tuningslides “

Your new girl friend?,“Wenn viel über denn Notenlinien, dann ja.“ 7/10

Preis?,3.000+ Euro Muss man sich gut überlegen!
Dauerbeziehung?,“Wer so viel ausgibt, bindet sich. Commitment!
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Vielen Dank an das Musikhaus Votruba in Wien für die Bereitstellung des Testinstruments!