#Stagetime – Nach dem Konzert ist vor dem Konzert: Lernen aus Fehlern

Den TrumpetScout reizt die Herausforderung. Nur an der wächst man. Die Aufgaben sollten dennoch zu meistern sein, sonst droht Frustration. Manchmal ist aber auch ein Versagen hilfreich – nämlich dann, wenn man es hätte vermeiden können. Ein kritischer Blick auf die eigene Bühnenleistung und Erkenntnisse daraus.

Manchmal ärgert sich der TrumpetScout über sich selbst. Dumm wäre es, daraus nichts zu lernen.

Count Basie ist einer der Lieblingskomponisten bzw. die Count Basie Big Band eine der Lieblingsinterpreten des TrumpetScout. Nicht nur, weil er in der Geschichte des Swing (nicht nur aus Namensgründen) eine Hoheitsposition einnimmt, sondern weil seine Musik so unterhaltsam ist, so einfach klingt, aber doch so viel von den Musikern verlangt: Time statt Technik, Feel statt Fertigkeit (das könnte man natürlich für jede Musik behaupten, hier ist es aber ganz ausgeprägt). Umso schöner, dass nun ein reiner Count Basie-Gig anstand. TrumpetScout auf Stimme 2, dem ‚Solo Chair‘.

Die Herausforderungen dieses Programms

Die Durchlaufprobe der Brass Section verhieß erstens ein langes Programm und zweitens eines mit vielen Solos. Letzteres passte gut in das persönliche Ich-lerne-improvisieren-Programm, denn ohne Aufführungspraxis gibt es in dieser Disziplin keine echten Fortschritte. Die Akkorde bzw. Akkordsequenzen sind bei Basie außerdem nicht allzu diffizil. Also: Forderung ja, Überforderung nein. Somit standen zwei Hürden fest: Die Länge des Auftritts, also die Beanspruchung von Lippen und Gesichtsmuskulatur, und die Überwindung der Solo-Scheu – denn in einer mit starken Solisten besetzten Band ist die Bereitschaft fürs freie Spiel beim TrumpetScout deutlich geringer ausgeprägt als wenn die anderen es auch nicht so gut können.

Dieses Solo ist per se nicht kompliziert, aber es lief dafür „nur so mittel“.

Das Resultat

Zeitsprung zum Konzert. Die Bilanz: 22 Stücke, knapp 10 Soli, ein paar davon okay, ein paar davon teilweise schön, ein paar andere aber auch aus der Kategorie „zu viel gewollt“, „im Trüben gefischt“ oder „Das hatte ich mir aber anders vorgenommen“. Das Satzspiel war bis auf wenige Schnitzer solide, die Kraft aber am Ende – nun ja… am Ende. Bei der letzten regulären Nummer des Programms lag die Lead-Stimme auf dem Pult. Das Schlusstutti zog sich über eine starke Seite und beim Schlusston war dann endgültig der Tank leer. D3, abgerissen. Zuvor war der Klang schon deutlich abgemagert. So mag man nicht nach Hause gehen. Doch ist die Enttäuschung begründet? Schauen wir uns die Ursachen an.

Problem #1 – trompetenspezifisch: die Kraft

Die für diese Band typische einzige Probe findet stets 24 Stunden vor dem Auftritt statt und dauert meistens drei Stunden ohne Unterbrechung, was immer wieder dazu führt, dass die Trompeter bei der Aufführung selbst noch vom Proben am Tag mehr ausgelaugt als gut eingespielt sind. Da in der gesamten Big Band-Historie bei der Setlist noch nie auf Trompeter Rücksicht genommen wurde, kann man auch nicht hoffen, dass die kraftraubenden Stücke alle im ersten Set aufgelegt werden. Am Schluss kommen immer noch ein paar Knaller. Daran lässt sich nichts ändern. Man müsste einfach die Stimmen noch besser durchmischen und z.B. öfter die vierte Trompete blasen. Also: Entweder mehr (oder gezielter Ausdauer) üben oder mehr abgeben.

Dafür hat es nach 20 Nummern am Ende nicht mehr gereicht.

Problem #2 – mangelnde Vorbereitung

Die Noten erhielt der TrumpetScout sechs Tage vor dem Gig. Zwar fielen in diesem Fall zwei Tage wegen einer kurzen Reise komplett aus und ein weiterer wegen der Gesamtprobe (an dem aus den angesprochenen Kraftgründen ein Üben – zumindest mit Instrument – nicht ratsam ist), aber: Es wäre sicher mehr drin gewesen. Zwei Tage mit kurzem Playalong während der Solopassagen hat geholfen, um sich halbwegs zurechtzufinden. Sicherheit gab das aber nicht in dem Maße, das der TrumpetScout für überzeugendes und konzises Solieren innerhalb weniger Takte durchgehend gebraucht hätte – dafür ist er noch zu wenig routiniert.

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Problem #3 – Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten

Hinzu kam etwas, das auch unter ‚mangelnde Vorbereitung‘ zu verbuchen wäre, aber auch mit Ignoranz zu hat: Es gibt Soli, bei denen man glaubt, man müsse sie nicht üben (es sei denn, man beherrscht sie wirklich!!) und sie dann stets überspringt. Blöd eben, wenn das ein echter Trugschluss ist. Nicht jeder schüttelt jeden Blues aus dem Handgelenk. Was ist z.B. mit einem in klingend Des? Youtube hat dem TrumpetScout noch nie einen Des-Blues zum Übefraß vorgeworfen. C, D, Es, F, G, As, A, B, H – ja. Des – nein. Die Videoplattform trifft natürlich keine Schuld, dass diese Tonart nicht ‚in den Fingern‘ war und der überraschte Solist plötzlich über die Intervalle nachdenken musste. Das ist die denkbar schlechteste Ausgangsposition für ein mitreißendes musikalisches Improvisieren.

Die Herausforderung lautet: Aus dem Hadern eine Agenda machen.

Vor dem Gig ist nach dem Gig

Zu allererst: Nicht alles war schlecht. Die Stimmung im Publikum war großartig (das Wichtigste!), die Stücke verbreiteten aber natürlich auch auf der Bühne gute Laune und viele typische Basie-Stellen haben funktioniert und deshalb Spaß gemacht. Da es sich aber um eine selbstkritische Betrachtung mit dem Ziel der Verbesserung handelt, steht das nicht im Vordergrund. Sogenannte ‚Learnings‘ also?

  • Mit mehr ‚Reservegedanken‘ an die Stimmverteilung gehen
  • Endgültig kapieren, dass die zweite Stimme nicht weniger anstrengend ist als die Erste, da nur minimal tiefer aber ‚widerspenstiger‘. Kommen dann noch Soli dazu, ist das zweite Pulte am Ende vielleicht sogar ermüdender.
  • Endlich eine Software anschaffen, mit der man alle benötigten Akkordfolgen programmieren kann
  • Kapieren, dass das kalte Wasser sich nicht gut anfühlt, wenn man hineinspringt, es sich aber am Ende auszahlt, wenn man nicht in Schockstarre verfällt

In diesem Sinne: Nach der Enttäuschung kommt die Moral.