Ein Tester, zwei Meinungen: die US-spanische Stomvi S3

Als der TrumpetScout vor ziemlich genau 6 Jahren die erste Stomvi S3 in die Hände bekam, glich dies einer Offenbarung. „Kann mich eine Trompete wirklich zum besseren Trompeter machen?“ Damals entstand der Eindruck, dass genau das möglich sei. Wie aber ist es heute? Vergangenheit und Gegenwart in einem Test.

Die aktuelle Stomvi S3.

Bislang gab es auf TrumpetScout.de einen einzigen Test mit einer Trompete des spanischen Herstellers Stomvi. Daran wird sich jetzt etwas ändern. Und auch wieder nicht. Denn die hier im Brennpunkt der Begutachtung stehende S3 kommt aus Spanien, aber auch aus den USA. Wie das geht? Der Wunsch nach Trompeten speziell für den US-amerikanischen Markt führte dazu, die europäischen Stomvi-Instrumente zu modifizieren bzw. auf Basis der spanischen Instrumente eigene zu entwickeln. So ward Stomvi USA geboren, ein Unternehmen, das aber zu 100% zur iberischen Mutter gehört. Die Modelle aus den Vereinigten Staaten sind damit transkontinentale Produkte – und seit 2015 auch ohne Umwege bei uns erhältlich.

Begeisterung pur: die TrumpetScout-Meinung aus 2013

Bei dieser Trompete gibt es seit Langem ein gesteigertes Testinteresse, und das gründet wie so oft in einer guten Erfahrung in der Vergangenheit. Vor rund 10 Jahren kam eine Serie von Youtube-Videos mit Jim Manley heraus, in der er eine Stomvi Raptor spielte. Dessen obszön leichtes oberes Register faszinierte natürlich und strahlte klarerweise auch auf die Marke aus. Einfach zu bekommen waren die Trompeten damals aber wie gesagt noch nicht. Erst im Jahr 2013 begegnete der TrumpetScout zufällig einer Raptor (VRII) – und auch einer S3. Doch lassen wir hier den TrumpetScout sprechen bevor er zum Trompetenjournalisten wurde – in Form eines Forumsbeitrags, der am 3. Dezember des selben Jahres verfasst wurde:

Heute würde ich gerne über eine der besten Trompeten sprechen, die ich jemals spielte und von der ich zu behaupten wage, dass sie in gewisser Hinsicht eine der besten überhaupt ist. Es handelt sich um eine Stomvi S3. Die ganze Geschichte? Hier ist sie…
In der Wiener Trompetenszene ist ein Dreh- und Angelpunkt, was neue Modelle und Mundstücke anbelangt, die Polizeimusik. Ich erfuhr, dass die Kollegen dort sowohl die VRII als auch die bis dato unbekannte S3 zum Test bestellt hatten. Wie ich vorbeischaute, war die Raptor schon wieder zurückgegeben (die Jungs waren davon überhaupt nicht begeistert, weder klanglich noch spielerisch), die S3 aber noch da. Zum Vergleich standen bereit: Eine Bach Artisan, eine Cannonball 7irgendwas, eine Schilke S32HD, eine Stomvi Mambo und meine Conn 22B. Erst ließ ich einen Kollegen spielen, es hieß Bach vs. Stomvi. Die Bach hatte Kern, mehr Kern, ganz ohne Zweifel, aber einfach auch weniger Ton, ein kleineres Klangspektrum. Aber das Tonempfinden ohne spezielle Messgeräte ist subjektiv, objektiv dagegen: die Lautstärke. Meine Zahlenangabe kann ich natürlich wieder nicht verbriefen, aber es hörte sich an wie ein 40%-Plus! Bei anscheinend gleichem Aufwand. Dann setzte ich mich hinters Mundrohr und war erst einmal enttäuscht. Sie klang nicht so gut wie die Bach – für mich. Für die Zuhörer davor stellte sich die Frage quasi gar nicht. Einstimmig und ohne Nachdenkpause kam das Urteil: Stomvi. Ich probierte das obere Register. Von C3 bis zum Knackton A3. Beim G war es ein wenig eng, das A jedoch war klar wie wahrscheinlich nie zuvor und rastete sehr sicher ein. Bombensicher mag ich bei diesem Ton noch nicht ausrufen. Und auch das C drüber war nicht nur ein Piepsen, sondern wäre gewissermaßen auch verwendbar. Für mich ein Kaufargument.

Ein anderer Kollege spielte dann und ich hörte wieder zu. Das Bild blieb aber das gleiche. Bei gleichem Aufwand kommt mehr heraus. Das mag zwar für den Spieler erst einmal nicht so befriedigend sein, da er das selbst nicht so hört. Die Posaunen in der Big Band werden es aber mit bösen Blicken quittieren. Klar, laut ist nicht alles. Was ich damit aber sagen möchte, die Trompete scheint effizienter zu sein alles andere marktübliche.
Doch noch einmal zum Klang. Besonders fiel mir der Unterschied zur Schilke auf (die Cannonball mit dem riesigen Schallstück war noch am nächsten). Ihr Ton war staubtrocken und bestand nur aus Kern. Mir schoss ein Vergleich in den Kopf: Wenn die Schilke ein Mondlicht produziert, einem Spot gleich, dann ist die S3 eine Sonne mit ausufernder, diffuser Korona, der eine Trennung zwischen Kranz und Stern gänzlich unmöglich macht. Die Schilke generiert einen Laserstrahl, die Stomvi eine Flammenwerfereruption. Was klanglich die bessere Leadtrompete ist? Weiß ich nicht. (Obwohl ich glaube, dass die S3 alles kann: von Klassik, über intim und Screamsolos bis zur ersten Big Band-Stimme.) Aber an der Effizienz der S3 besteht kein Zweifel. Die Jungs hatten auch die Möglichkeit, länger auf ihr zu spielen. Anscheinend gibt es auch keinen Mini-Honeymoon-Effekt, dessen Trugschluss einen spätestens beim nächsten Konzert einholt.
Und noch was: der Preis von 1849 Euro lässt auch mich Vintage-Fan überlegen, mal wieder ein neues Eisen in Betracht zu ziehen.

Zitat Ende.

Die S3 von einst: ein hocheffizientes Horn

Im Netz wird der S3 vor allem eine unvergleichlichen Ansprache nachgesagt. Das kann der TrumpetScout für 2013 weder falsifizieren noch verifizieren und auch keine verlässlichen Aussagen zum Widerstand machen. Die großen Pluspunkte waren einst der helle, aber doch breite Klang (bildlich gesprochen: der Gartenschlauch mit einer Sprühdüse, aber unter Hochdruck – oder pyrotechnisch: ein dickes Bündel Wunderkerzen!), das sichere oberste Register und die bis dato nicht gekannte Effizienz. Es schien vorne einfach mehr  rauszukommen als bei anderen Trompeten. Die Begeisterung darüber ging so weit, dass der TrumpetScout bei einem Besuch in New York ein paar Tage später sogar Josh Landress – das ist der Trompetenbauer und Blechspezialist in Manhattan – von der S3 vorschwärmte. Der lächelte nur und sagte: „I could build you a trumpet like this but it’s not what it’s all about.“ Das hinterließ jedoch kaum Kratzer an der eigenen Euphorie.

Ganz deutlich eine Stomvi. Statt Daumensattel wie bei den europäischen Modellen ist bei den US-Brüdern aber ein Ring auf dem ersten Ventilzug angebracht.

Die Stomvi S3 von 2019: ein neues Schallstück – what else?

Die Trompete, die diesem Artikel aber eigentlich zugrunde liegt, stammt aus der jüngeren Vergangenheit, und hier hat sich etwas geändert. Wohl 2018 (ein Video von Stomvi USA legt das nahe) ersetzten die Amerikaner das alte Messingschallstück durch ein größeres. Der Durchmesser am Ausgang beläuft sich nun auf 130 mm. Hier dürften es beim Vorgänger 127 mm gewesen sein. (Wer eine alte S3 besitzt, möge sich bitte mit seinem Maß melden. Im Netz sind valide Daten schwer auszumachen.) Der Effekt dieser Vergrößerung sollte sich aber in Grenzen halten. Da dem TrumpetScout die Test-S3 aber wie ein ganz anderes Instrument vorkommt, könnte sich auch am Rohrverlauf einiges getan haben.

Man sieht mit bloßem Auge, dass der Becher sich überdurchschnittlich weit öffnet. Was sich ansonsten an der Glocke getan hat, bleibt spekulativ.

So klingt und spielt sich die neue Stomvi S3

Und damit ist die Katze schon aus dem Sack: Entweder hat der TrumpetScout sich seit 2013 als Trompeter extrem verändert oder die S3. Aber da sich manche Trompeten wie die Conn 38B seit zwei Jahrzehnten gleich anfühlen, dürfte die Veränderung wohl eher bei Stomvi liegen.

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Die Spritzigkeit und das Funkeln des Tons waren schon bei der alten S3 hinter dem Horn nicht wahrzunehmen. Aber die S3 mit Big Bell klingt auch vor jener verhaltener, etwas dunkler, runder und reifer. Im direkten Vergleich gaben sich die Getzen 900 und 907 lebendiger und leichtfüßiger und hatte die Stradivarius 190S37 deutlich mehr Kern. Wie man den Klang bewertet, ist aber letztlich Geschmacksache.

Entgegen der Erwartung war allerdings, dass die Retro-Strad bei der gefühlten Lautstärke mehr als eine Nasenlänge voraus war. Hinzu kam, dass der TrumpetScout sich in der Höhe mit der 2019 viel massiger wirkenden S3 schwer tat, wenngleich 1.086 Gramm nicht viel sind. Die Töne mussten sich härter erarbeitet werden und rasteten nicht sicher. Das merkt man man deutlich im Video – hier mussten mehrere Takes für eine annähernd passable Aufnahme gemacht werden. Im Mittelfeld sprach die Test-S3 unauffällig an. Von einem Response-Wunder kann man aber nicht sprechen.

Sind sie also alle verschwunden, die damals so prominenten Schokoladenseiten der Stomvi S3? Ein Vergleich Small vs. Big Bell wäre zur Beantwortung notwendig, um andere Faktoren wie das Zusammenspiel des aktuellen Mundstücks mit der Trompete oder eben doch eine Veränderung im eigenen Spielsystem auszuschließen. Fest steht, dass die Trompete durch die Veränderung(en) einen anderen Charakter erhielt. Es gilt aber auch zu berücksichtigen, dass der TrumpetScout eine Vorliebe für kleine Schallstücke hat und den dadurch entstehenden Widerstand gegen Ende des Rohrverlaufs besonders schätzt. Wird hier ‚aufgemacht‘, wirkt sich das natürlich besonders stark aus.

Die technischen Daten der Stomvi S3

Da dieser Artikel gewissermaßen einen Kopfstand macht, werden die Informationen zur Bauart heute nachgereiht: Die S3 gleicht in ihrem Aufbau den anderen Stomvi-Trompeten, zeichnet sich also durch einen engen Wrap sowie einen runden Schallbecherbogen aus und verfügt über Amado-Wasserklappen. Die Ventile sind aus Stahl gefertigt (und deshalb erst einmal nicht die schnellsten) und mit einem Maß von 11,66 mm gebohrt. Auch Stomvi-typisch ist der überlappende Stimmzugbogen ohne Anschlag.

Der Bogen ist eckig wie bei der Classica, anders als bei jener aber mit einer Stütze versehen. Vergoldete Ventildeckel, Drücker und andere Kleinteile wie bei den europäischen Modellen (vergleiche dazu die Stomvi Forte) gibt es beim Horn aus den USA nicht. Dafür steht neben der versilberten Ausführung eine gebürstet-lackierte Version zur Verfügung. Zum Material: Bis auf die Ventile ist die ganze Trompete aus Gelbmessing gefertigt.

To test or not to test?

Ja, der Text aus 2013 liest sich nicht nur wie eine klare Kaufempfehlung, sondern fast wie ein missionarisches Ansinnen. Dagegen ist die heutige Einschätzung sehr verhalten. Dennoch kann die S3 noch immer sehr gefallen, vor allem, wenn man ‚die große Glocke‘ generell zu schätzen weiß. Für heute kaum teurere 2.100 Euro ist die Stomvi S3 preislich noch immer im Mittelfeld angesiedelt – und damit auf jeden Fall einen Test wert, selbst wenn sie es in dieser Konfiguration nicht ins TrumpetScout-Herz geschafft hat.

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What is she offering?,“A big bell and mature sound“

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Preis?,Stomvi S3
Dauerbeziehung?,“Wer weiß!“
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Vielen Dank an Reisser Musik für die Leihstellung des Testinstruments!