The Superperforator: die (Jupiter) XO 1600i Roger Ingram

Ein elendslanger Modellname, der einen sogar verunsichert, welche Marke nun genau diese Trompete zugehört, zeichnet zunächst einmal dieses in Zusammenarbeit mit Roger Ingram entwickelte Instrument aus. Dass diese Kollaboration Früchte getragen hat, spürt man dann beim Spielen und Hören: Es handelt sich um ein Tongeschoss.

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Streng genommen ist die getestete Trompete eine 1600iS, da versilbert. Beim lackierten Standardmodell folgt dem i ein L.

Auch mit dieser Trompete verbindet den TrumpetScout eine persönliche Geschichte. Als zufriedener Xeno-Bläser nahm er vor einigen Jahren eine Unterrichtsstunde bei Bryan Davis, der wiederum zu jener Zeit bei Roger Ingram sein Wissen erweiterte – auch zum Thema Hardware. Jener Roger Ingram überzeugte also seinen Schützling Bryan Davis von den Vorzügen des damals gerade frisch auf dem Markt erschienen Instruments, der TrumpetScout probierte in seiner Wechselfreude die Trompete dann auch einfach einmal aus. Die ersten Eindrücke damals: günstiger als die Yamaha, nicht spürbar schlechter und mit einem riesigen Accessoire-Paket versehen. Lang blieb sie dennoch nicht. Grund hierfür war keine echte Unzufriedenheit, sondern die Mutation der Wechselfreude zur regelrechten Wechselwut. Über einige Jahre blieb danach keine Trompete länger als drei Monate.

Die Entstehungsgeschichte der XO 1600i Roger Ingram

Auf Roger Ingrams Webseite kann man nachlesen, dass er Ende 2008 von Jupiter gefragt worden sei, ob man zusammenarbeiten wolle. Bereits im Sommer 2009 waren anscheinend die Prototypen fertig, bald darauf lief schon der Verkauf an. Wie geht das so schnell?

Nun, Roger Ingram spielte über Jahrzehnte eine Schilke S42, also eine Trompete mit kleiner Bohrung, den Schilke-typisch engen Windungen, reversed leadpipe, aber etwas mehr Gewicht und einer Stütze mehr als bei den populären B-Modellen. Angeblich war Rogers persönliches Modell auch noch weiter modifiziert. Mittlerweile wird die S42 auf der Schilke-Webseite nicht mehr gelistet, zu kaufen gibt es sie aber noch zu Preisen deutlich jenseits der 3.000 Euro, nackt, ohne Koffer und Zubehör. Eine Motivation für den Wechsel zu Jupiter soll für Ingram die Absicht gewesen sein, einem breiteren Publikum, also zu einem erschwinglichen Preis, eine Trompeten mit den gleichen Eigenschaften wie die bis dato gespielte Schilke anbieten zu können. Kurz: Das Ingram-Modell von Jupiter dürfte stark an die altbekannte Schilke angelehnt sein.

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Die 1600i – keine Jupiter, sondern eine XO Brass.

XO Brass übrigens ist so etwas wie das neue Aushängeschild von Jupiter bzw. dem Mutterkonzern KHS aus Taiwan. Womöglich hielt man den bekannten, aber nicht unbedingt mit Top-Qualität assoziierten Namen Jupiter für ungeeignet, den Weg in Profi-Regionen zu begleiten. Er findet sich deshalb auch nicht auf den XO-Instrumenten. Also wurde eine Edelmarke ersonnen, wie man es z.B. auch aus der Automobilwelt kennt. Roger Ingram als Endorser kam zum Start natürlich gelegen.

Die Effizienz macht die Musik – wofür die X0 1600i gemacht ist

Roger Ingram ist neben seinem Mentor Bobby Shew vielleicht der größte Effizienz-Papst. Dünnes Rohr, viel Widerstand und diesen ordentlich nutzen. Die legendären Aufnahmen mit Harry Connick Jr.s Big Band zeugen davon. Ingrams Lead-Ton ist nicht fett, sondern ob seiner Frequenzen präsent und penetrant. Seine Akkuratesse sucht ihresgleichen, seine Ausdauer ist ebenfalls bewundernswert. Er ist der Spielertyp für den Bereich zwischen C3 und G4.

Das heißt nun aber nicht, dass die  hier getestete X0 1600i im Normalbereich nichts taugt. Man sollte sich nur darüber klar werden, dass das Spielgefühl und die Rückmeldung einen nicht sofort in den Bann ziehen. Trompeten dieser Art schätzt man erst bei einem langen Gig und noch mehr, wenn man sich damit selbst hören kann, also bei einer Aufnahme (wozu man als Laie zugegebenermaßen nicht so oft die Gelegenheit hat).

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Der zweite Ventilzug ist asymmetrisch, männlich und weiblich, gefertigt. Erkennbar ist aber auch, wo sich Gewicht befindet: Die Züge sind mit Neusilber verstärkt und auch die Ventile werden mit Masse mehr Masse oben an den Büchsen stabilisiert.

Mit gemessenen 1.148 Gramm (Silberausführung) ist diese XO 1600i alles andere als eine Feder (unter 1.100 Gramm kann man B-Ventiltrompeten als leicht bezeichnen, jenseits der 1.200 aber schon als Brocken). Hinzu kommt, dass man einfach mit weniger rechnet, da das Design eben schon an die Lightweight-Schilke denken lässt. Mit (laut Schieblehre) 11,49 mm ist die Maschine etwas weiter mensuriert als das Vorbild S42, das Label Medium ist aber dennoch legitim.

Gewicht, Bohrung, Stützen, enge Windung, Becherverlauf und sicher auch das Mundrohr ergeben in der Komposition eine Trompete mit erhöhtem Blaswiderstand. „Zu“ ist das Horn aber nicht.

Massenweise Zubehör: echter Vorteil oder nur Spielzeug?

Will man den Blascharakter beschreiben, muss man das streng genommen mehrfach, nein, sogar vielfach tun. Denn der Hersteller liefert nicht nur die Trompete, sondern mit ihr auch noch einen zweiten Stimmzugbogen, Heavy Caps (soweit noch nicht extrem außergewöhnlich), einen zweiten Satz Federn, Fingerknöpfe mit Perlmutt (die werden aber wohl keine Auswirkung auf den Klang haben) und sogar Ventilführungen aus Messing. Da gibt es genug zu tüfteln! Doch das ist noch nicht alles. Für Spieler, die den Stimmzug immer sehr weit herausziehen müssen (der TrumpetScout zählt sich auch dazu), gibt es sogar noch Einlagen (und auch die in zwei Längen), die man in das überlappende und gerade Rohrteil des Stimmzugs bzw. dessen Gegenstück (vor der Maschine) einschieben kann, um die Lücke, die sich immer bildet, wenn man den Stimmzug hinausschiebt, nicht zu groß werden zu lassen. Wow!

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Die Schmuckschatulle für den XO-Bläser. Die Perlmuttdrücker könnte man mit etwas Basteln auch als Manschettenknöpfe verwenden.

Wer sich wundert, wofür die „Häkelnadel“ ist, die auch dabei liegt: Sie landete nicht zufällig im Koffer, sondern dient dem Herausfischen der Stents (im Bild links, mittlere Reihe), wenn diese einmal in das Rohr eingeschoben wurden.

Das Schmuckkästchen zur Aufbewahrung der kleinen Tuning-Elemente ist hübsch und missen möchte man es als Spieler (oder nur als Mensch!) natürlich nicht. Wie groß der Nutzen ist, bleibt streitbar. Alles hat der TrumpetScout nicht ausprobiert – zu schön war die jungfräuliche Anordnung ab Werk.

Eine nicht zu verleugnende Wirkung zeigt aber der Tausch des Stimmzugs. Eckig macht alles schärfer, direkter, aber natürlich auch enger. Den runden Stimmzug würde der TrumpetScout sicher als den universellen bezeichnen, wenngleich im Test-Video auf den D-Bogen zurückgegriffen wurde. Die Wahl zwischen beiden macht das Einsatzgebiet aber spürbar größer. Wenn nicht hörbar für das Publikum, dann doch in Hinsicht auf das Spielgefühl, was sich in der Regel in mehr Sicherheit niederschlägt.

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Zwei Bögen, eine Meinung: Gut, dass sie da sind.

Der Klang der XO 1600i Roger Ingram

Es wurde bereits angedeutet. Die Effizienz-Maschinen unter den Trompeten haben nicht selten ein geringes „Love on the first blow“-Potenzial. Der Widerstand gefällt den Wenigsten und das akustische Feedback ist genauso lau wie der Jubel über die nicht ganz so tolle Ansprache. Diese Trompete ist auf maximale Projektion ausgelegt und sieht es daher nicht ein, Energie buchstäblich zu verschleudern, indem ein Großteil dazu eingesetzt wird, um den Bläser selbst zu beschallen. Dementsprechend klein ist die Begeisterung im Proberaum oder auch beim Gig, obwohl es sich vor der Band gut anhört (wenn man denn gut spielt…). Das ist das Dilemma des Trompeters: die Dichotomie der Wahrnehmung. Hat man aber die Möglichkeit, sich aufgenommen zu hören, dann erlebt man sein kleines Wunder. Die Trompete klingt in der unteren Lage voll, in der mittleren auch, aber in der oberen erst recht. Dort ist auch das Volumen (im Verhältnis zur Lage natürlich!) am größten. Auch das hat sie mit der Schilke S42 gemein, von der sie ohne Zweifel abstammt. Es ist eine Trompete, mit dem Potenzial, Löcher in die Stratosphäre zu schießen.



Beim direkten Vergleich mit Trompeten mit weniger Material wurden die Vorzüge des höheren Gewichts deutlich. Nicht nur die Tragfähigkeit nimmt zu, auch der Kern. Ein wenig mischt sich – vermutlich in der versilberten Version noch mehr als bei der lackierten – auch eine dunkle Farbe in den Ton. Unangenehme Frequenzen werden eliminiert.

XO 1600i: Spielbarkeit, Stimmung und Ventile

Vom Widerstand abgesehen gibt es nichts besonderes zur Spielbarkeit anzumerken. Die Ansprache ist nicht klotzig, also auch im Piano funktioniert die Trompete gut, alle Töne sind „drauf“. Gerade im obersten Register ist dann nun aber doch eine Ausnahme. Geht ein G3 gut, will oft das Gis nicht recht, das A3 ist sowieso ein Spezialfall. Hier funktionieren die Töne aber so gut sie eben angesichts der persönlichen Spielkunst funktionieren können. You and me – we are the limit!

In Verbindung mit dem flachen TrumpetScout-Mundstück gab es in Bezug auf die Stimmung kaum Probleme. Mit dem tiefen war es mitunter schwerer, das D2 vom Abrutschen abzuhalten.

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Made of steel – zumindest die Kolben, also der Teil der Maschine, der den Luftfluss steuert.

Die Maschine beherbergt Stahlventile, die – das ist quasi die Regel – bei einem neuen Instrument nicht so schnell laufen wie Monelpumpen. Im Test gab es aber kein Steckenbleiben oder einen ausgebremsten Ventildruck. Und mit den Betriebsmonaten und -jahren wird es üblicherweise immer besser.

Zu welchem Schluss kommt man zum Schluss?

Liebe auf den ersten Blick, das wurde nun schon mehrmals erwähnt, die stellt sich bei der XO 1600i Roger Ingram wohl nicht ein. Aber nach einer Gewöhnungsphase lernt man sich besser kennen und möglicherweise funkt es nach einer Aufnahme oder ein paar Gigs, wenn einem die Kollegen anerkennend zureden. Wer sich dem effizienten Spiel sowieso schon verschrieben hat und deshalb mehr Verstand als Herz beim Trompetenkauf walten lässt, der findet in dieser Trompete sicher einen gesinnungsadäquaten Spielgefährten.

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Mit diesem Koffer möchte man am liebsten in eine Dampflok einsteigen oder ein Luftschiff. #timetravel #bigbandera

Für die rosarote Brille könnten aber das Design der Silbervariante (die Anschraubteile sind vergoldet), die liebevoll verpackten Zubehörteile und vor allem der unglaublich ansprechende Koffer im gelungenen 30er Jahre-Retro-Look sorgen. Auch wenn das Optische, wie auf dieser Webseite vollmundig postuliert, bei der Bewertung eigentlich keine Rolle spielen darf, so muss der TrumpetScout doch für Entscheidung des Herstellers applaudieren, vom früheren, ebenfalls schönen Kunstleder-Gigbag auf dieses stilvolle Transportgefäß gewechselt zu haben. Schwingt da ein wenig Retrospektive mit? Eine Hommage an die goldene Ära des Big Band-Sounds?

Nicht vergessen werden darf natürlich der Preis? Knapp unter 1.900 Euro zahlt man bei den einschlägigen Händlern für die lackierte Variante und nicht einmal 2.100 Euro für die Silberausgabe. Ist das zu viel? Sicher nicht.

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What is she offering?,“Bling-bling and easy highness“

Your new girl friend?,“Minimum Zweitfreundin.“ 8/10

Preis?, 1.900 Euro. Ein fairer Preis!
Dauerbeziehung?,“Man muss sich aneinander gewöhnen! Gut Ding will Weile…
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