This is where the magic happens – Besuch im Yamaha Atelier Hamburg

Der japanische Gigant Yamaha steht spätestens seit Entwicklung der Xeno-Serie auch für Trompeten höchster Güte. Das Spitzenniveau ist aber weder Zufallsprodukt noch hält es sich von alleine. An der Yamaha-Qualität beteiligt sind sogenannte Ateliers, die in enger Zusammenarbeit mit Profimusikern die Entwicklung vorantreiben. Der TrumpetScout besuchte Europas einziges Atelier in Hamburg.

 

Ein Atelier ist eine Künstlerwerkstatt. Dort arbeitet man in der Regel nicht für Künstler, sondern dort arbeiten die Künstler selbst. Die Beschäftigten des Hamburger Yamaha-Ateliers würden das wohl bestreiten und stattdessen eher sagen, sie arbeiteten mit Künstlern. Understatement Made in Japan. Zumindest Thomas Lubitz und Eddie Veit, die sich dort (auch) mit Trompeten beschäftigen, eilt dennoch ein Ruf voraus, der großes Können vermuten lässt – und ‚Kunst‘ und ‚Können‘ haben nun mal denselben Ursprung. Dieser Ruf ignoriert im Übrigen auch Grenzen des Endorsement. Das heißt: Nicht nur Yamaha Artists schwärmen von der Kompetenz der beiden Herren. Vom Wissen und der Erfahrung der Blechspezialisten und von der genauen Tätigkeit bzw. den Aufgaben des Ateliers wollte sich der TrumpetScout ein eigenes Bild machen.

Das Atelier in Hamburg ist aktuell eines von vieren weltweit

Integriert im Yamaha-Hauptsitz Europa in Rellingen, nordöstlich von Hamburg, befindet sich das europäische Bläser-Atelier der Japaner. Es ist neben jenen in Tokio, New York und Los Angeles eines von weltweit nur vier des Herstellers. In Hamburg ist es Teil eines unscheinbaren, wenn auch nicht kleinen Gebäudekomplexes, wie er in vielen Industriegebieten hierzulande, aber genauso gut in den USA stehen könnte. Zweckmäßig und gut klimatisiert. Lediglich eine Glastür im Gebäude verheißt unaufgeregt, dass man nun heilige Hallen betritt. Einen Showroom, vor allen Dingen im wahrsten Sinne des Wortes, gibt es hier nicht. Die Räumlichkeiten sind nicht auf Repräsentation getrimmt, sondern auf Zweckmäßigkeit und die zu erledigende Arbeit. Was aber genau ist denn die Aufgabe dieses Ateliers?

Eine bescheidene Glastür bildet den Eingang ins Reich der Tüftler und Tuner im Bereich Blasinstrumente bei Yamaha in Deutschland.

Thomas Lubitz steht Rede und Antwort

Der TrumpetScout ist eine volle Stunde zu früh an Ort und Stelle. Die öffentliche Verkehrsanbindung außerhalb des Stadtgebiets ist nicht perfekt. Das muss sie auch nicht sein, denn Publikumsverkehr ist nicht Teil des Konzepts. Yamaha verkauft hier weder Instrumente, noch stellt man sie aus und einen für jedermann zugänglichen Reparaturservice gibt es auch nicht. Trotz massiver Verfrühung heißt Eddie Veit den Journalistengast freundlich willkommen und bald schon kommt ein gut gelaunter Thomas Lubitz daher und klärt die wichtigste Frage (Was macht ihr hier eigentlich?) so: „Die Instrumente werden großteils in Japan entworfen. Wir fungieren dabei als Impulsgeber und personalisieren die Serieninstrumente für unsere Profiklientel.“ Man kann den Ateliers also eine Doppelfunktion zuschreiben: Sie ergründen vor Ort, was der Markt verlangt, betreiben also ein Scouting in enger Zusammenarbeit mit Musikern. Zugleich nehmen sie aber kleine Adaptionen vor, um ein Serieninstrument perfekt an die individuellen Bedürfnisse eines Profis anzupassen.

Thomas Lubitz erklärt, was Yamaha in Hamburg macht…

Um die erste Aufgabe besser verständlich zu machen, tauchen wir ein wenig in die Geschichte der Instrumentensparte von Yamaha ein. Die Japaner wollten vor einem halben Jahrhundert beim Aufbruch in neue Märkte wissen, wie diese ticken und warum bestimmte Marken und Modelle dort so erfolgreich sind. Für diese Marktforschung brauchte es Leute vor Ort. Jene waren zunächst selbst Japaner, die man in die Welt entsandte. New York, immer schon wichtiges Zentrum sowohl klassischer als auch Jazz-Musik in den USA, wurde vor 1985 Jahren als ‚Fühlerpunkt‘ auserkoren. Doch sogar noch zuvor entstand eine europäische Niederlassung – 1977, vor über 40 Jahren und noch im geteilten Deutschland zunächst in Hamburg einer Villa an der Alster. Gegen Ende der 80er Jahre zog man dann wegen Entwicklungsarbeiten mit Musikern im süddeutschen Raum nach Frankfurt am Main um.

…und was er machte, bis er zu Yamaha kam.

Nach und nach band man aber Instrumentenhersteller aus den jeweiligen Ländern in die Lern- und Entwicklungsarbeit mit ein – an sich nur logisch, dass man von denen lernen möchte, die in einer Handwerkstradition selbst groß geworden sind und auch bereits gute Verbindungen zu Musikern aus ihren jeweiligen Regionen haben. Thomas Lubitz kam 1991 als erster Europäer zu Yamaha, nachdem er in Baden-Württemberg eine Schule mit Schwerpunkt Materialkunde besucht, dann Metallblasinstrumentenmacher gelernt und später bei Ganter in München gearbeitet und seinen Meister gemacht hatte. „Mein erster Arbeitskollege damals war Hiro Okabe. Der hat es vom Instrumentenbauer dann bis zum Vize-Präsidenten des gesamten Yamaha-Konzerns gebracht“, sagt Lubitz mit einem Lächeln und skizziert quasi in einem Fast-Nebensatz einen Großteil der Yamaha-Personalphilosophie. Wer gut ist, kann Karriere machen, egal, von wo aus er startet.

Inspiration holen und Anstöße geben

Heute sind zumindest in Rellingen – wohin man 2009 auch aus Gründen der besseren Lagersituation übersiedelte – keine Japaner mehr direkt am (Um)bau von Blechblasinstrumenten beteiligt. Neben zwei Holzspezialisten, einem für Schlaginstrumente und sechs Mitarbeitern im Service für Reparaturen im Gewährleistungsumfang arbeiten mit Thomas Lubitz und Eddie Veit zwei Deutsche aus eher südlichen Gefilden im Atelier in Hamburgs Norden. Mehr denn je sind sie das Ohr der Marke für Verbesserungsvorschläge vonseiten der Musiker. Sie geben damit nicht mehr nur Anregungen und Eindrücke weiter, sondern reichen aktiv Ideen für neue Modelle ein. „Vor allem in Bereichen, die europaspezifisch sind wie Bariton, Euphonium und Horn, geben wir wichtigen Input.“ Ein neues Trompetenmodell aus europäischer Feder kommt jedoch höchstwahrscheinlich noch im Herbst in die Läden. Details sind aber noch unter Verschluss.

Eddie Veit an seiner Wirk- und Werkstätte. Er war der federführende Architekt eines bald erscheinenden Trompetenmodells und spielt es auch persönlich.

8335LA und 9335CHS sind beispielhafte Produkte der Atelierarbeit

Wie wichtig die Arbeit der Ateliers in der Welt ist, zeigt ein Blick auf die Yamaha-Flaggschiffe. Sie wurden vor Ort in engster Zusammenarbeit mit Musikern in aller Welt entwickelt und ganz auf deren Bedürfnisse abgestimmt. Die sehr populäre YTR-8335LA entstand, als das Atelier in Los Angeles eröffnet wurde und, das ist bekannt, in Kooperation mit Wayne Bergeron. Wie kompromisslos die Entwicklung solcher Top-of-the-line-Instrumente der Custom-Serie abläuft, lässt sich an der LA wunderbar verdeutlichen. Yamaha baute Bergeron ein Instrument, das seinen Bedürfnissen entsprach, und ausschließlich seinen. Für das Werkzeug eines vornehmlichen Studio- und Lead-Trompeters ist sie nicht gerade typisch, da eher dunkel und mit geringem Widerstand. Für viele Spieler ist jenes Set-up auf Dauer tödlich, wenngleich die Trompete äußerst flexibel in Bezug auf Klang und Dynamik ist und hervorragend anspricht. Einen anstrengenden Abend darauf stehen nicht viele durch. Trotzdem ging das Modell so in Serie.

Würde Thomas Lubitz heute noch selbst Trompete spielen (was er aus Zeitgründen nicht mehr schafft), wäre die 9335CHS das Instrument seiner Wahl. Sie gefällt ihm unter einem technischen Gesichtspunkt am meisten.

Dasselbe bei den ‚Königinnen unter den Perinettrompeten‘, den Instrumenten der 9000er-Serie. Die YTR-9335CHS wurde gemeinsam mit John Hagstrom konzipiert und gezielt auf den Konzertsaal des Chicago Symphony Orchestra hingetrimmt. „Der ist einfach nicht so gut“, erklärt Lubitz ohne Umschweife (und relativiert später in „schwierig für Blechbläser“), „deshalb brauchte die Trompete deutlich mehr Obertöne.“ Außerdem wollte Hagstrom eine B-Trompete, die seiner primär genutzten C-Trompete klanglich sehr nahe ist. Also bekam er mit dem MB1 ein Mundrohr, das eigentlich von der Mensur her für C-Trompeten gedacht ist. Hinzu kam, dass man beim CSO auf alten Instrumenten mit enger Bauweise spielte. Als Folge wurden die Stege zwischen Mundrohr bzw. Schallbecher und Maschine verkürzt. Kurzum: Eine echte Maßanfertigung. Dass diese auch außerhalb des Chicagoer Konzertsaals und ja und sogar außerhalb des Genres (man trifft das Instrument auch in der Big Band sehr häufig an) so gut funktionierte, war vielleicht ein Zufall. Ziel war, das beste Instrument für Hagstrom zu bauen. Für die New York Philharmonic brauchte es tatsächlich einen anderen Klang und mehr Flexibilität. So entstand die sich deutlich unterscheidende YTR-9335NYS, auf der wiederum Allen Vizzuttis Trompete basiert.

Große Namen in Yamahas Diensten: Renold Schilke, Bob Malone & Bobby Shew

Da Yamaha-Trompeten in der TrumpetScout-Vita als Weggefährtinnen eine große Rolle gespielt haben wie auch als Testobjekte, gibt es viele Fragen, bei deren Beantwortung Thomas Lubitz mit seinem beachtlichen Tiefenwissen in Bezug auf die Produktgeschichte glänzen kann. Bis zur 6335H waren alle Profitrompeten sehr am klassischen Schilke-Design orientiert, die Z-Modelle sind es bis heute noch. Wie kam es dazu? „Schilke wollte Instrumente nach seinen Vorstellungen auch für den Schülermarkt herstellen lassen und kam deshalb auf Yamaha zu. Das war natürlich auch in unserem Sinne.“ Auch wenn die Japaner von Haus aus viel Wert auf Fertigungsqualität legten, so war es doch auch Renold Schilke selbst, der seine persönlichen hohen Maßstäbe in puncto Intonation und Gleichmäßigkeit einst auf die japanische Fertigung übertrug.

Die Entwicklungsgeschichte von Yamaha kennt Lubitz genau – er ist aber auch seit mehr als 27 Jahren ein Teil davon.

Mit Bob Malone, dem ‚Mundrohrpapst‘ und heutigen Direktor des Yamaha Ateliers in Los Angeles, verbindet Lubitz und Yamaha schon eine längere Kooperationsgeschichte. Malone hatte bereits vor seiner Festanstellung Anteil an der Entwicklungsarbeit wichtiger Modelle. Nur ein Beispiel ist einer der Verkaufsschlager schlechthin („Das Z-Modell ist eines der weltweit erfolgreichsten Modelle.“), das Shew-Horn. Zunächst gab es die YTR-6310Z, deren Schallstückform noch direkt von Schilke stammt. Seit vielen Jahren steht auch eine weiterentwickelte Variante zum Verkauf, die YTR-8310Z. Mehr Marketing als Mehrwert? Mitnichten. „Bobby Shew kam auf uns zu, da für ihn das ursprüngliche Set-up einfach nicht mehr passte.“ Man änderte daraufhin das Material des Mundrohrs, seine Größe und verbaute ein schweres Ventilgehäuse. Auf Bobby Shews neuerem Modell basiert übrigens auch Eric Miyashiros Custom-Trompete 8340EM.

Über die Evolution der Modelle

Überarbeitungen dieser Art gab es übrigens schon viele – und nicht immer zur Freude der Fans. Das weiß auch Thomas Lubitz. Das erste Chicago-Modell beeindruckte durch extremes Slotting und sehr hellen Klang. Die nächste Evolutionsstufe bekam dann einen runderen Stimmzugbogen und eine Maschine mit anderer Materialstärke. Nicht weil Yamaha das so wollte, sondern weil Hagstrom, der als ‚Entwicklungshelfer‘ Pate stand, mehr Differenz zu seiner C-Trompete wünschte. Hier ist man also konsequent.

Veränderungen an bestehenden Modellen gehen laut Thomas Lubitz vornehmlich von Künstlern aus, mit denen sie ursprünglich entwickelt wurden.

Die Chicago– und die New York-Trompeten basieren übrigens auf den Xeno-Trompeten der 8000er-Serie, die Yamaha in den 90ern endgültig zu einem ernsten Anbieter von Perinettrompeten für alle Belange machten. Zuvor bediente man primär die Lightweight-Schiene in der Schilke-Tradition, plötzlich konnte man auch Bach die Stirn bieten. Kenzo Kawasaki designte die Modellfamilie, die Kern und Obertonreichtum vereint und deshalb zurecht heute eine Art Benchmark setzt, ursprünglich in Japan. Weiterentwickelt (mittlerweile gibt es eine vierte Generation!) wurde sie aber auch von den Ateliers in Hamburg bzw. in den USA.

Halten Sie den zweigeteilten Ventilstock der Xenos für ein neuralgisches Bauteil, was den knackigen Sound und die gute Ansprache anbelangt? Lubitz sieht das deutlich differenzierter. Viele Komponenten machen das Gesamtprodukt. Dennoch: „Wenn eine kleine Stoppschraube schon einen fühl- und hörbaren Unterschied macht, was bewirkt dann erst eine Veränderung am Maschinenstock?“ Dabei verweist er darauf, dass Yamaha neben einteiligen Ventilblöcken (z.B. in der YTR-6310Z) gar unterschiedliche zweiteilige produziert: Die einen haben ein Oberteil aus Neusilber (eben in den Xenos), die anderen sind aus ein und demselben Material, aber eben zusammengefügt(z.B. in der YTR-8310Z) – nur sieht man das natürlich nicht.


Volle Transparenz: Yamaha hat die Reisekosten nach Hamburg übernommen. Dies ist nicht unüblich. Die Berichterstattung erfolgte dennoch frei und die Erstellung des Artikel wurde nicht vergütet. Die finanzierst nur du mit einer Spende – Schon 5 Euro genügen: paypal.me/trumpetscout Danke! 


Im Zuge der Fachsimpelei kommen wir vom Hundertsten ins Tausendste, denn Möglichkeiten gäbe es viele. „Wichtig für unsere Entwicklungsarbeit ist, dass wir uns nicht in Spielereien verlieren – form follows function, selbst bei einer Wasserklappe.“ In der Tat, Yamaha-Trompeten scheinen trendresistent und kommen schnörkellos daher. Es sollen in der Research & Development-Arbeit aber auch Glückstreffer vermieden werden. Jede Veränderung muss rückbaubar und vor allem reproduzierbar sein.

Worin unterscheiden sich Profi- und Einsteigertrompeten?

Doch bevor gebaut wird, wird bei Yamaha erst einmal berechnet. Nicht die Produktionskosten, sondern der Rohrverlauf. „Es gibt in der Branche noch keine allzu lange Tradition der wissenschaftlichen Herangehensweise. Yamaha hat aber schon früh mit akustischen Instituten zusammengearbeitet und kann heute auf viel Know-how zurückgreifen.“ Vor allem beim Thema Stimmung macht man nämlich in Japan keine halben Sachen. Egal ob Profi- oder Schülerinstrument, die Intonation muss bestmöglich sein. Das heißt aber nicht, dass man z.B. nicht mit den Zügen korrigieren muss. „Wenn eine Trompete beim D1 keine Korrektur erfordert, dann stimmt es an anderer Stelle nicht.“ An der Fertigungsqualität wird laut Lubitz auch nicht gespart. Wo dann? „Im Profibereich geht es um Kontrolle, aber vor allem um Klang und Dynamik. Man muss lauter und zugleich auch leiser spielen können.“

Wie genau entsteht ein neues Modell?

Wenn eine Idee aus einem Atelier Instrumentenform annimmt und eine echten echten Bedarf decken kann, wird zunächst getüftelt. „Trotz aller Erfahrung und Rechenmodelle kommt man um’s Probieren und Gegentesten nicht herum. Eine Maßnahme kann auch mal einen unerwarteten Effekt nach sich ziehen.“ Steht ein Prototyp, wird er vervielfältigt. Fünf bis zehn werden gebaut. Dann werden die Spezifikationen in die Fabrik übermittelt. Von dort kommt dann ein ‚Nachbau‘. „Erst wenn sichergestellt ist, dass die Jungs in Japan alles genau so machen wie wir hier und das Instrument zu 100% das gleiche ist wie unseres, dann ist die Entwicklung abgeschlossen.“ Vom Konzept bis zur Marktreife dauert dieser Prozess mindestens zwei Jahre.

Die Werkstatt im Atelier ist nicht besonders groß. Die Impulse, die von hier ausgehen, haben aber große Wirkung.

In den letzten zwei Dekaden hat sich Anzahl der Trompetenmodelle im Perinetsegment bei Yamaha deutlich gesteigert. Dem Musiker sollten mehr Möglichkeiten geboten werden, um das genau für ihn passende Instrument zu finden. Man kann aber nicht mit jedem neuen Modell insgesamt auch mehr Trompeten verkaufen. Muss da nicht auch einmal eine Trompete aus dem Sortiment fliegen? Klar spiele Profitabilität auch eine Rolle. Eingestellt werde ein Modell aber nur, wenn es keiner kauft und deshalb auch keiner vermisst. Lubitz nennt ein klares Beispiel für eine berechtigte Streichung: Die extrem günstige YTR-1335 wurde eingestampft, dafür kam aber die sehr beliebte YTR-3335 auf die Modellliste.

Yamaha macht Stückzahlen, die aber eigenständig

Klarerweise stolz ist man bei Yamaha auf die Unabhängigkeit der Produktion. Anders als so manch kleiner Hersteller, der in vermeintlich individueller Manufakturarbeit größenbedingt wichtige Komponenten wie Maschine, Schallstück oder gar Mundrohr von Zulieferern beziehen muss, wird jedes Bauteil nach eigenen Vorstellungen gefertigt. Die Fertigungstiefe schätzte Lubitz auch bei seinem früheren Arbeitgeber Ganter in München. „Da hat zwar die Herstellung eines Instruments mal einen ganzen Monat gedauert, aber dafür hob man sich klar von den vielen Wettbewerbern in Deutschland ab.“ Im Großen dürfte es nicht anders sein: Viele Marken lassen in Taiwan produzieren – viele Teile begegnen einem deshalb immer wieder unter verschiedenster Flagge.

Die zweite große Aufgabe: Tuning von Trompeten

Neben der ausführlich beschriebenen Entwicklung gibt es für das Atelier eine weitere wichtige und beinahe tägliche Aufgabe: die Anpassungsarbeit für Yamaha Artists. Laut Lubitz wird hier vornehmlich der Klang gemäß den persönlichen Vorstellungen der Künstler modelliert. Ein bisschen zerstört er damit zunächst die Hoffnungen seines Interviewers, auf Geheimnisse des Tunings im Hinblick auf bessere Ausdauer und veränderten Widerstand zu stoßen. Schließlich ist bekannt, dass Rüdiger Baldaufs LA-Modell auch für Nicht-Bergerons auf Dauer spielbar sein soll. „Wir bearbeiten die Innenkanten, aber wir verändern nicht den Widerstand der Luft. Der wird einzig durch die Bohrung im Mundstück bedingt.“ Der TrumpetScout kann das kaum glauben. Wirklich nicht? Lubitz lacht. „Nein, wirklich nicht. Aber die akustischen Wellen werden von Kanten reflektiert. Machen wir die Innenkanten schärfer, können wir Frequenzen beeinflussen und auch das Spielgefühl. Die Schallwelle, die zurückkommt, unterstützt die Lippenarbeit oder behindert sie. So eine Reflexion kann also durchaus von Nutzen sein. Wir nennen das den positiven Widerstand.“

Der TrumpetScout durfte auf einem von Eddie Veit für den eigenen Gebrauch gefertigten Mundstück spielen. Anpassungen von Mundstücken gehören auch zum Tagesgeschäft.

Man kann also doch den Widerstand erhöhen. Nur geschieht das nicht durch einen echten Rückstau, sondern durch eine Schallwelle, die sich zurück in Richtung der Lippen bewegt. Preis dafür ist aber immer auch eine Veränderung des Klangs. 100% Bergeron-Sound geht also nur auf einem nicht-modifizierten Bergeron-Horn (und wahrscheinlich nur mit Bergeron hinter dem Mundstück).

Wer nicht in der privilegierten Situation ist, Yamaha Artist oder Profikunde zu sein, sein Instrument aber dennoch individualisiert haben möchte, der kann sich an eine der zertifizierten Tuning-Werkstätten bestimmter Händler (siehe Liste unten) wenden und sich damit auch eine weite Anreise sparen. Der Besuch im Atelier mit den zwei für das gesamte europäische Blech verantwortlichen Herren Lubitz und Veit macht klar, dass man sich in Rellingen einfach nicht auch noch der Privatkunden annehmen kann.

Angewandtes Wissen

Am Ende des Gesprächs führt Thomas Lubitz auch noch durch die Räumlichkeiten. Da gibt es einen speziellen Testraum, dessen Grundfrequenz den Trompetenton klarer wahrnehmen lässt (aber auch schnell ermüdet!), ein Instumentenlager für Messen und Ausstellungen und natürlich die Werkstatt. Da der TrumpetScout sich über Stimmungsprobleme mit einem seiner Mundstücke beschwert, dass allgemein die Stimmung extrem anhebt, aber nicht durchgehend gleich, prüft Lubitz die Backbore. Sein Urteil: „Sehr eng und konisch, das drückt in der Höhe nochmal zusätzlich.“ Wir überprüfen das später mit dem Stimmgerät. Es gibt dem gebürtigen Schwaben recht. Noch eine Frage: Könnte ich meine Conn aus den 30ern durch gezielte Eingriffe besser intonieren lassen? „Vielleicht. Aber wenn ich etwas an der Intonation ändere, dann auch am Klang. Macht das bei so einem Instrument Sinn?“

Okay, eine geht noch: Herr Lubitz, wie wird man eigentlich Yamaha Artist? Er lächelt schon vor der Antwort. „Es gibt da zwei Möglichkeiten. Entweder man kommt auf uns zu oder wir auf die Person. Ersteres ist oft ein wenig problematisch!“ Nach einer kurzen rhetorischen Pause und einem Grinsen fährt er, der schon ungefähr sein halbes Leben bei Yamaha arbeitet, so fort, wie man es von einem Schwaben in einem japanischen Unternehmen eigentlich nicht anders erwarten darf: „Wir bezahlen niemanden dafür, dass er unsere Instrumente spielt. Es ist absolut wichtig, dass der Musiker zu 100% hinter dem Instrument steht und nicht jedes halbe Jahr die Trompete wechselt.“ Aufrichtigkeit, Konstanz, Zuverlässigkeit, Verzicht auf Schnellschüsse. Man fordert, was man selbst geben kann. Bezeichnend für Yamaha und die Arbeit im Atelier.

 

Eine Liste der Yamaha-Fachwerkstätten im D-A-CH-Raum, bei denen man Customizing wie im Atelier in Hamburg vornehmen lassen kann: