Traditionsbruch bei Bach: „The Commercial“ Bach LT1901B

Die „Commercial“ Bach ist in aller Munde und war es bereits vor ihrem Erscheinen Ende 2014: Endlich eine Trompete aus der amerikanischen Traditionsschmiede, die das Thema Leichtbau konsequent umsetzt und somit auch die sturen Fans von scharfen Federgewichten zwischen Schilke, Benge und Yamaha für sich gewinnen kann. Kann die neuartige Bach aber wirklich überzeugen? Der TrumpetScout hebt ab zum Testflug.

TrumpetScout_Bach LT1901B_(1)
Mit dieser Bach wurde mit einigen Traditionen gebrochen. Scheinbar. Einige fast vergessene Konzepte wurden lediglich wiederentdeckt.

Bereits vor dem Verkaufsstart der Bach LT1901B wurde in den Social Media die Revolution verkündet: Bach baut eine Trompete, die alles bisher Dagewesene (zumindest Hauseigene) in den Schatten zu stellen vermag – sofern man den hellen Klang präferiert und sich gerne im oberen Register bewegt. Viele bekannte und auch weniger bekannte Trompeter und Facebook-Fleißarbeiter, die den Modell gewordenen neuen Konstruktionsansatz bereits vor Veröffentlichung in die Finger bekommen hatten, haben gepostet, getestet und von großer Überzeugung gesprochen. Entsprechend groß war die Erwartung der Trompeten-Community, entsprechend groß die Spannung beim ersten Anblasen vor Weihnachten 2014. Doch auch jetzt, beim Auspacken des Instruments für den ausführlichen Test, hat das TrumpetScout-Herz höher geschlagen. Der Hype hat Wirkung gezeigt.

Ist leicht wirklich neu? Eine kleine Bach-Geschichte zu LT1901B

Zunächst ein bisschen Geschichte: Es ist nicht so, dass der Begriff „Lightweight“ im Bach-Universum überhaupt nicht vorkommen würde. Die ersten Trompeten aus der New Yorker Werkstatt von Vincent Bach in den 20er und 30er Jahren waren alles andere als Heavy Metal-Hörner, gingen sie wie überhaupt die moderne Trompete mit Pumpventilen aus der legendären leichten French Besson hervor. Erst mit einer veränderten Soundvorstellung entstand die prototypische Bach-Trompete, die heute für Viele die Marke ausmacht: Die Standard-Stradivarius mit dickem Blech und vielen Stützen. Kernig und durchsetzungsfähig, aber auch etwas schwerer zu spielen. Neuauflagen einiger Modelle aus der New York-Zeit brachten in jüngerer Vergangenheit das Leichte wieder aufs Tapet. Beständig bereicherten daneben Diät-Modelle der 180er-Serie (die LRs mit reversed leadpipe, nur einer Stütze am Stimmzug und leichtem Korpus und vor allem die mit dem begehrten Stern versehenen LTs, die mit dünnwandigem Becher und schlankem Ventilstock aufwarten) das Portfolio. Ein ganz neues Modell musste man bis zur Artisan jedoch vermissen – und die glänzte nur durch noch mehr Masse. Zeit war es also allemal für eine Trompete um die Fliegengewichtsszene aufzumischen.

Aus der New Yorker Manufaktur ist buchstäblich ein Global Player geworden. Das zeigt sich auch im Markteing.
Aus der New Yorker Manufaktur ist buchstäblich ein Global Player geworden. Das zeigt sich auch im Markteing.

Commercial Trumpet – was heißt das?

Beim Begriff „commercial“ werden gemeinhin zwei Assoziationen hervorgerufen: Der Hersteller hat entweder vor, mit dieser Trompete eine hohe Rendite zu erzielen oder er sieht ihren Einsatzort bevorzugt beim Einspielen von Jingles für Werbespots – eben englisch commercials . Wie abstrus sich letzteres auch anhört, ein bisschen Wahrheit steckt schon drin: Unter „commercial music“ versteht man in den USA das, was nicht unter klassische, Marsch- und intime Jazzmusik gehört, also das (zugegebenermaßen unscharfe) Negativ davon: Musical, erste Stimme in der Big Band, Brass-Section in Funk, Soul und Latin etc. Der „commercial sound“ ist hell, klar, irgendwie studiohaft clean. In der Tat – so viel sei vorweggenommen -, dieser Beiname, der mehr aussagt als ein Modellcode aus Buchstaben und Zahlen, ist passend gewählt.

Einiges an der Bach LT1901B ist alt, aber die Kombination bringt die Revolution.

Werfen wir einen Blick auf die konzeptuellen Neu- bzw. Eigenheiten der Trompete. Die Innenzüge sind aus Neusilber, die äußeren aus Messing (also komplett verkehrte Welt im Vergleich mit einer normalgewichtigen Stradivarius), beim konventionellen Stimmzug gibt es keine (!) Stützen, die Wasserklappe (zumindest) am runden Stimmbogen ist in der Amado-Variante ausgeführt. Das Mundrohr ist das weitere 43er, Bohrungen stehen zwei zur Auswahl: die im Test geblasene ML mit 11,66 mm und die größere L-Bohrung mit 11,74 mm (die Modellbezeichnung lautet dann LT190L1B). Gewicht gespart wurde auch am Zugstopper des dritten Zuges. Hier fehlt die übliche Justier-Mechanik, lediglich eine Schraube schützt vor Zugverlust. Besonders ins Auge sticht der nach vorn gerichtete zweite Ventilzug. Das ist eine Seltenheit und eigentlich eine Idiosynkrasie der bereits erwähnten French Besson und ihrer Klone (direkt davon abgeleitet sind sie Benge-Hörner und deren Kopien von Kanstul und anderen Herstellern). Diese optische Reminiszenz ist also auch eine Verneigung vor der Mutter aller leichten Trompeten. Damit setzt man natürlich ein Zeichen. Es gibt aber durchaus praktische Vorteile: Wer „Wasser lassen“ möchte, spritzt sich nicht an, während er durch das Rohr pustet.

Um das freie Schwingen des Materials zu verbessern, wurden die Auflageflächen der Stützstreben reduziert. Sichtbar ist das nicht, aber man darf es glauben. Großen Anteil an Sound und Spielbarkeit der commercial hat sicher das Schallstück. Es ist zwar aus einer Legierung gemacht, die heißt aber nicht Messing, sondern Bronze. Es ist sehr leicht und dünnwandig. Und es weist einen quasi ausgestorbenen Querschnitt auf, der nämlich auf Vincent Bachs erster Form beruht, der Nummer 1, die gemäß seinen damaligen Testnotizen besonders gut für das Spiel in der Höhe geeignet sein soll. Deshalb trägt diese LT190 den Zusatz 1B und einen gravierten Stern: Form #1, Bronze und dünnwandig.

Das Herz-Stück - möglicherweise auch das Filetstück der Commercial Bach: der leichte Bronze-Becher in der 1er-Form.
Das Herz-Stück – möglicherweise auch das Filetstück der Commercial Bach: der leichte Bronze-Becher in der 1er-Form.

Was genau den 1er-Rohrverlauf ausmacht, bleibt spekulativ. Ein Vergleich ist schwierig. Die üblichen Formen 72, 43, selten 38, 37 und 25 weisen aber eine Tendenz hin zum Engeren auf. Die Nummer Eins dürfte also viel Widerstand bieten. Abgerundet wird das Schallstück durch den flachen French Bead-Rand, der die Projektion verbessern soll ohne das Spielen zu erschweren. Auch Yamaha wirbt bei der Z-Reihe mit diesem Feature.

Kleinere Eigenheiten sind: die Amado-Wasserklappe am dritten Zug und die rudimentär wirkenden Haltekanten an allen Ventilzügen, um eben jene herauszuziehen. Ein aufgelöteter Knubbel war wohl zu schwer. Am Ende zeigt die Waage bei der TrumpetScout-Gewichtsermittlung 1010 Gramm (mit dem leichteren Amado-Bogen). Das sind 150 bis 200 Gramm weniger als eine durchschnittliche Stradivarius (hier gibt es größere Schwankungen)! Die LT1901B kratzt damit an der absoluten Fliegengewichtsklasse. Für Bach also ein eindeutiges Verlassen bekannter Wege.

Der Sound der Bach LT1901B: dead or alive?

Kommen vor den Spieleigenschaften gleich zum Klang. Im Vergleich mit einem Instrument mit Messing-Becher hat die Bach im tiefen und mittleren Register das klare Nachsehen. Das merkt man beim Spielen hinter der Trompete weniger als beim Zuhören davor. Es scheinen gewisse Frequenzen zu fehlen, der Ton ist zuweilen sehr steril, um nicht zu sagen tot. Oberhalb des Notensystems erwacht der Sound aber zum Leben. Ab dem C3 ist strahlt die Trompete richtiggehend und vermag sich trotz ihres geringen Gewichts aufgrund ihrer Helligkeit in Kombination mit einem klaren Kern durchzusetzen. Das macht die LT1901B natürlich zu einem Wunschwerkzeug für Lead Player, die nicht viel Masse über einen ganzen Abend bewegen wollen und trotz gehört werden. Die Kombination aus leicht und penetrant, ohne aber schrill zu sein, ist nicht leicht herzustellen – und definitiv die größte Qualität der neuen Bach-Trompete.



Um die Brücke von Sound zu Spielgefühl zu schlagen sei auf die Passage im Video hingewiesen, die sich quasi wiederholt – einmal werden die Etüdentakte mit dem eckigen (d-shape) und danach mit dem runden (c-shape) Stimmzug geblasen. Der Klangeffekt ist vergleichbar mit dem durch einen Wechsel von einem flacheren auf ein tieferes Mundstück: der Ton wird offener und dunkler.

Gute Ansprache, leichte Stimmungsschwankung

Die LT1901B ist ein sehr leichtes Horn und bietet dementsprechend von Natur aus eine gute Ansprache. Dass das kaum vorhandene Material gut in Schwingung zu versetzen ist, wird besonders deutlich, wenn man sich im oberen Register bewegt und dabei aber verhältnismäßig leise bleiben möchte. So leicht wie bei dieser Bach ist das noch nie gefallen. Der Widerstand in der getesteten ML-Variante ist in der Mitte angesiedelt (das weite 43er-Mundrohr ergibt mit dem engen Becher eine gute Mischung), tendiert aber gerade mit dem eckigen Stimmbogen gegen groß. Drum kristallierte sich der runde Zug als präferierter heraus. Er verbessert die Ansprache noch einmal deutlich, im Gegenzug verliert man aber auch ganz klar an Slotting-Qualität – und das Einrasten ist bei leichten Trompeten sowieso ein Problem. Nicht anders bei der leichten Bronze-Bach. Gerade die tiefen Töne ab C1 abwärts kann man ganz leicht nach unten hin im Reich der Viertel- und Halbtöne verlieren (siehe Video).

DC steht hier nicht für "District of Columbia" sondern leitet sich aus den Formen der Stimmzüge ab.
DC steht hier nicht für „District of Columbia“ sondern leitet sich aus den Formen der Stimmzüge ab.

Wer ein tiefes Mundstück bevorzugt, kann sich mit der Commercial deutlich nach oben hin verbessern. Auch als Fan von kleinen Mundstücken war es im Test gut möglich mit einem Bach 3C bis zum F3 vorzustoßen. Das gelingt nicht mit jeder Trompete so spielend. Hier hilft der eckige Zug besonders. Mit einem kleinen und flachen Mundstück dürfte es manchmal sogar ein bisschen freier sein, gerade im extremen Bereich (jenseits des G3) wurde es ein bisschen zu eng. Wer den Kauf in Erwägung zieht, sollte also auch die Large Bore-Variante testen. Diese übrigens ist mit inneren Ventilbögen, den sogenannten Wechseln, ausgestattet, die den Durchmesser der ganz seltenen XL-Bohrung haben und mit einem X unter der Ventilzahl markiert sind.

Triple X. Zumindest in der Large Bore-Variante.
Triple X. Zumindest in der Large Bore-Variante.

Das Fazit fällt durchaus Positiv und klar aus: Die LT1901B ist das Ergebnis einer hausinternen Revolution, denn diese Bach ist – wieder – leicht. Revolution heißt im Wortsinn ja auch „auf Anfang“, und am Anfang waren die Trompeten des Österreichers in New York leicht. Ihre Ansprache ist sehr gut, doch geht diese nicht zu Lasten der im Lead-Bereich so oft betonten Projektion. Wie auf Schienen fährt man nicht und im unteren Register muss man Abstriche bei der Tonqualität machen. Aber wen interessiert das schon bei einem „commercial horn“?

[table caption=“TrumpetScout dares an educated guess“ width=“900″ colwidth=“400|900″ colalign=“left|left|center|left|right“]
What is she offering?,“Bright sound, big name“

Your new girl friend?,“Wenn du auf leichte Mädchen stehst.“ 8/10

Preis?,3.800 Euro. Der liebe Euro-Kurs! Wir warten auf die Dollar-Schwäche.
Dauerbeziehung?,“Durchaus! Es braucht keinen langen Atem!
[/table]