Dass Teile der Trompete durchgeglüht werden, also stark erhitzt, ist nicht außergewöhnlich. Das kann während des Herstellungsprozesses zufällig passieren oder absichtlich durchgeführt werden, um die Eigenschaften des Metalls durch die Temperaturbehandlung zu verändern. Wie sieht es aber mit der gegenteiligen Therapie aus, dem Tiefkühlen? Der TrumpetScout hat seine Trompete zum Versuchsobjekt gemacht.
Nachdem sich Teil 1 der Tuning-Reihe einer relativ bekannten Art der Modifikation widmete, geht es in diesem Artikel nun um eine zumindest in Europa noch nicht besonders verbreitete Methode, die Trompete zu verbessern: der Tieftemperaturbehandlung. Wie es dazu kam? Die Arbeit am TrumpetScout-Magazin trug maßgeblich dazu bei…
Vor wenigen Jahren erwarb der TrumpetScout eine amerikanische Trompete, die wie eine Bach Stradivarius aussah, aber in Wirklichkeit eine deutsche B&S war, die getunt wurde: die Sonare 800. Zum Kauf gereizt hat, dass ein Blackburn-Mundrohr verbaut war und – das Schallstück tiefgekühlt wurde, so zumindest die Beschreibung damals. Heute liest man, dass bei Sonare sogar die ganze Trompete gefroren werde. Zu welchem Zweck? „Um Spannungen im Material abzubauen, die während des Herstellungsprozesses gewöhnlich entstehen“, so der Text auf der Webseite. Die extrem schwere Trompete hatte ein erdbebensicheres Slotting, einen penetranten Strahl und der Problemton A3 war damit sehr sicher zu meistern. Lag das am Mundrohr oder eben an der Kryo-Behandlung? Das Thema geriet zunächst in Vergessenheit.
Der Tüftler Rüdiger Baldauf brachte den Eis-Verweis
In den Gesprächen mit Rüdiger Baldauf für dessen Porträt kam es aber wieder zum Vorschein. Er erzählte von einem Mann nahe der holländischen Grenze, der sich mit dem Thema „Entspannung durch Kälte“ intensiv beschäftige und auch seine, Baldaufs Instrumente mittlerweile alle behandelt habe. Vor allem beim Flügelhorn hätte sich das bezahlt gemacht, die Ansprache wäre nun viel besser. Daraufhin wurde „Mr. Freeze“ alias Georg Selders kontaktiert und er erzählte von seiner Methode und deren empirisch ermittelter Wirkung.
Wie das Tiefkühlen der Trompete funktioniert…
Selders hat sich über das in den USA weiter verbreitete und seit zehn bis 15 Jahren bekannte Thema informiert und mangels Anbieter in Europa dazu entschlossen, selbst als Kryo-Dienstleister tätig zu werden. So hat der Tüftler – und Trompeter! – vom Niederrhein mit Temperaturverläufen zu experimentieren begonnen. Ergebnis ist ein bestimmter Prozess, währenddessen das komplette Instrument (also zusammengebaut und mit Ventilen) in einer mit Stickstoff betriebenen Gefriertruhe zunächst langsam (ein bis zwei Grad pro Minute) auf -180 Grad Celsius abgekühlt wird, dann verschiedene Temperaturwellen durchmacht und schließlich wieder langsam auf +35 Grad Celsius erwärmt wird. Die Behandlung dauert ungefähr einen Tag. Genaueres verrät Selders nicht.
…und was die niedrige Temperatur bewirkt
Alleine schon beim Gedanken an -180°C zieht sich bei einigen Menschen alles zusammen. Bei der Trompete ist das nicht anders, warum soll die Tiefkühlung also zu einer Entspannung des Materials führen? Beschäftigt man sich mit Tieftemperatur-Physik, erfährt man, dass bei extrem niedrigen Temperaturen Ordnungsprozesse auf molekularer Ebene ablaufen. (Selbstironisch könnte man also behaupten, Kälte ist ein ur-deutsches Phänomen.) Diese Neuordnung soll sich positiv auf das Schwingungsverhalten der Trompete auswirken.
Nicht nur Baldaufs Einschätzung und die positive Erfahrung mit dem amerikanischen Instrument haben den TrumpetScout schließlich dazu bewogen, die „Operation Blechfrost“ in Angriff zu nehmen. Auch Andy Haderer ließ schon mehrere Instrumente (auch seine aktuelle Trompete) kältebehandeln und war stets sehr angetan vom Ergebnis. Aber in erster Linie sprach ein minimales Risiko für den Entschluss: Der Lack war schon ab, konnte also keine Risse bilden (was er laut Selders aber auch sonst nicht tut), und ansonsten war nichts zu befürchten – außer, dass keine Veränderung zu verzeichnen ist.
Am Telefon erklärte Georg Selders im Vorfeld zur Veranschaulichung, dass er privat eine alte Bach besitze, die sich immer sehr gut blasen ließ, jedoch optisch sehr mitgenommen war. Irgendwann gab er diese zur Instandsetzung, worauf Beulen herausgearbeitet und Verbindungen neu verlötet wurden. Leider war die Trompete daraufhin eine andere – die neue Ausrichtung und die mechanische Bearbeitung (Verdichtung durch Hammer und Kugel) des Materials hatten zu Spannungen geführt, woraufhin das Instrument nur noch sehr schlecht ansprach. Als er mit dem Tiefkühlen der Instrumente begann, war die vormals gute Bach ein willkommenes Testobjekt. Und siehe da, nach der Behandlung spielte sie sich wieder wie einst – sah nur besser aus.
Bessere Ansprache durch die gesamte Range
Im Januar dann machte sich das TrumpetScout-Horn auf den Weg in die Kältekammer und kam bald darauf äußerlich unverändert wieder zurück. Wenn man eine Veränderung nicht sieht, ist die Chance größer, dass man sie sich auch nicht einbildet – auch wenn man von ihr weiß: Bei Selders wird dieses Wissen gefestigt in Form eines Zertifikats mit Herstellerbezeichnung und Seriennummer, das jedem temperaturbehandelten Instrument beigelegt wird. Trotz großer Skepsis bis zum ersten Anspielen nach der Kryo-Therapie, muss der TrumpetScout anerkennen, dass sich eine positive Veränderung eingestellt hat: Die tiefen Töne sprechen besser an – vom Gefühl her ist die Trompete ein bisschen größer geworden – und die extrem hohen kommen sicherer. Gerade das schon oft zitierte A3 hat einiges an Kratzbürstigkeit verloren, wodurch man als Spieler die Angst vor diesem Ton verliert. Es scheint, als habe man durch die Kälte den unliebsamen Widerstand der Trompete gebrochen, ihren „guten“ Widerstand aber beibehalten.
Was kostet die Kältebehandlung? Kein Vermögen!
Man muss sich jetzt nicht festhalten. Die Kryo-Behandlung kostet bei Selders für eine normale Trompete bzw. ein Flügelhorn 195 Euro, für eine Piccolo-Trompete 145 Euro (sie braucht weniger Platz in der Stickstofftruhe). Dazu kommen die Frachtkosten, wenn man das Instrument nicht selbst vorbeibringen kann. Das ist nicht viel für eine solche Tuning-Maßnahme, die zwar unsichtbar, aber nicht wirkungslos ist. Da es noch kaum Wettbewerber gibt, kann hier kein Vergleichspreis gegeben werden, zumal der Effekt durch ein anderes Verfahren wieder ein anderer sein kann. Das extreme Kühlen ist komplexer als das Entlacken.
Tieftemperaturbehandlung: eine Maßnahme für jeden?
Man sollte dennoch nicht mit zu großen Erwartungen an das Unterfangen Kälte-Tuning gehen. Wie bereits indirekt anklang, ist der Grad des Effekts vom Ausgangsmaterial abhängig. Wenn eine Trompete von Natur aus wenig Spannungen durch unsachgemäßes Löten oder nach revidierten Traumata aufweist, sind die Auswirkungen nicht so stark zu spüren wie bei einem Horn, dass Stresssymptome zeigt. Dennoch kommt jedes Instrument potenziell in Frage, alt oder neu spielt dabei keine Rolle. Selders erzählt auch von der extremen Aufwertung einer günstigen China-Bassposaune, die sich nach dem Frosturlaub wie sehr gute Produkte namhafter Hersteller blasen ließ (wenngleich z.B. Stimmungsprobleme natürlich nicht beseitigt werden). Kaputt machen kann man nichts und der Preis liegt auf Niveau einer Entlackung. Im Idealfall bringt dieses Tuning aber viel mehr, zumindest auf Seite der Spielbarkeit.