Im Bereich Lead-Mundstück scheinen amerikanische Spezialhersteller ein Monopol innezuhaben. Marken wie Warburton, Gary Radtke oder Monette sind sehr dominant – und leider auch sehr teuer. Führt an ihnen aber tatsächlich kein Weg vorbei? Der TrumpetScout hat sich auf die Suche nach günstigen Mundstückmodellen als Alternativen gemacht.
2018 scheint wider Erwarten und wider selbst aufgestellte Regel ein Jahr des Mundstücks zu werden. Erst wurde das im letzten Jahr neu erstandene eigene Lead-Mundstück gerippt, dann gab es einen Beitrag über den Test im ureigenen Interesse der vielgepriesenen Monette-Mundstücke, zuletzt ein Experiment mit einem modifizierten Flügelhornmundstück, das den Trompetenklang entschärfen soll, und jetzt das: So etwas wie eine Kaufhorizinterweiterung, wenn es es um flache Kessel und scharfen Klang geht. In vielen Köpfen scheint ‚Lead-Mundstück‘ nämlich automatisch mit amerikanischen Spezialmarken (die nur Mundstücke fertigen) konnotiert zu sein, und jene bitten – auch aufgrund des Imports und der Kleinserien – oft kräftig zu Kasse.
Doch noch einmal klar und deutlich: Das ist kein (Vergleichs-)Test! Das Axiom ist unumstößlich: Ein Mundstück muss zum Spieler passen und was dem einen mehr Range, mehr Ausdauer, mehr Volumen und satteren Klang beschert, kann für den anderen der beherzte Tritt aufs Bremspedal bedeuten. Wer aber Alternativen zu den üblichen Verdächtigen sucht, kann hier fündig werden.
Der Trumpetscout und seine Lead-Mundstück-Historie: Schilke als Start
Voraus ein wenig (persönliche) Geschichte. Der TrumpetScout hatte lange Zeit keine Ahnung davon, was ein Mundstück bewirken kann. Zwar gab es in der Schulzeit schon das Internet, in puncto Inhalt war es damals aber noch sehr löchrig und das Trompetenwissen verbreitete sich bei weitem nicht schnell wie heute. Vom eigenen Lehrer jedem Schüler (!) verordnet wurde damals ein Schilke 14A4a. Gewiss nichts Schlechtes (auch Schilke-Mundstücke kosten in der Regel deutlich unter 100 Euro – für den TrumpetScout war nur noch nichts wirklich Passendes bislang dabei!) und vielleicht für Kinder gar sinnvoller als ein 7C – gepasst hat es trotzdem nicht. Jahrelanger Begleiter wurde dann ein mit einem Exzenterschleifer (der mit grobem Holzschleifpapier versehen war!) selbstbearbeitetes Yamaha mit tiefem Kessel. Das hatte den damals für nötig erachteten ‚Bite‘, also die extrem harte Innenkante, war aber so scharf, dass das Mundstück zweifelsohne auch zu Verletzungen hätte führen können. Beim Vorspielen für den Wehrdienst als Korpsmitglied machte ein freundlicher Soldat auf diese Gefahr aufmerksam. Nachträglich Danke an dieser Stelle!
Das Goldene: Denis Wick 5E
Dann kam ein Denis Wick 5E. Es war schön klein in Bezug auf den Durchmesser, was der TS-Physiognomie einfach entgegen kommt), genügend seicht für Lautstärke, Höhe und hellen Klang, wirkte aber auch im unteren Register nicht wie ein Restriktor. Dafür verantwortlich dürfte die relativ große Bohrung von 3,74 mm sein. Der Rand war nicht zu dick, was Grip und Flexibilität verschaffte, aber auch auch ein bisschen Ausdauer kostete. Weiteres Plus: Das Ding kostete damals nur um die 50 Euro und war vergoldet, weshalb es sich schnell warm anfühlte. Schade nur, dass unter dieser Vergoldung keine oder kaum eine Versilberung aufgebracht war. Die Bartstoppeln schmirgelten das Gold alsbald ab. Auf Kulanz gab es von Denis Wick aus England dafür zwei Mal einen kostenlosen Ersatz!
Erst circa sieben Jahre später wurde das von Denis Wick einst als „Screamer“ titulierte Mundstück ersetzt. Grund dafür war, dass dem TrumpetScout damit sehr schnell die Kraft ausging, was in den Jahren ohne viele Engagements nicht auffiel. Das lag größtenteils an fehlender Ausdauerübung, aber wahrscheinlich auch an der etwas weiteren Bohrung. Ein oder zwei Zehntel können hier eine Welt bedeuten. Auf jeden Fall lehrte das 5E, dass ein Innendurchmesser von 16 mm (auch wenn nicht klar ist, wo man sich noch im Kessel befindet oder ab wo bereits auf dem Rand) persönlich gut passt. Wer es weiter mag: Je kleiner die Zahl, desto größer der Innendurchmesser. Beim 4E beträgt er 16,5 mm, beim 3E 16,75mm. Heute kostet die vergoldete Version über 80 Euro, die versilberte zwischen 50 und 60 Euro. Immer noch nicht viel. Wer mit der größeren Bohrung zurechtkommt, findet hier sicher ein sehr universelles, aber doch eben auch höhentaugliches Mundstück.
Der Wechsel zu Warburton: das 7ESV
Bei einem Kollegen mit riesiger privater Mundstücksammlung wurden sowohl das Problem mit der Ausdauer als auch die eigenen Vorlieben vorgetragen. Aus seinen Schatzkisten wurden daraufhin mehrere Modelle extrahiert und am Ende blieben nach einer Testreihe noch zwei Modelle übrig: ein Gary Radtke 63Z* und ein Warburton 7ESV mit NY-Backbore. Beides waren Vertreter der Mundstückmodelle, zu denen hier eben genau Alternativen aufgezeigt werden sollen. Sie kosten einfach sehr viel Geld. Für die aktuell extrem populären GRs, die nicht nur so bekannte High Note-Heroen wie Eric Miyashiro und Louis Dowdeswell spielen, muss man bei uns über 200 Euro hinblättern, für die modularen Warburtons sind immerhin auch fast 160 Euro für Stengel und Top fällig. Der TrumpetScout entschied sich dann wegen des etwas schmaleren Randes für das 7ESV und wechselte dann nur die Backbore: Zuerst auf den Stengel #7 und dann auf den weiteren mit der #8. Die #9 wurde auch getestet, klang deutlich fetter, aber der Ton forderte natürlich auch wieder seinen Tribut.
Das Bach-Intermezzo: Commercial 10-1/2S
Notgedrungen ausgewichen ist der TrumpetScout erst im letzten Jahr, nach sieben Jahren der Treue gegenüber dem Warburton-Mundstück (das übrigens in so gut wie allen TS-Testvideos vor Mai 2017 zum Einsatz kommt), als er zu Besuch bei Bach in Elkhart war. Komischerweise funktionierte das altgediente Mundstück einfach nicht mit den Stradivarius-Trompeten. Glücklicherweise hatte man gerade eine neue Serie aufgelegt, die zum ersten Mal echte Lead-Mundstückqualitäten mit dem Namen Vincent Bach vereinte: die Commercial-Reihe. Das 10-1/2S (für weiterführende Ausführungen einfach dem Link folgen) passte auch vom Durchmesser genau und wurde gleich eingepackt. Für jenes und sein Schwestermodell mit den Buchstaben MV muss man zwischen 80 und 90 Euro berappen. Das ist nicht nichts, aber noch im Rahmen. Der Nachteil entpuppte sich erst beim Spielen in der Section und in Verbindung mit bestimmten Trompeten. (Zumindest) das S-Modell hat eine sehr enge Backbore und die drückt in der Höhe deutlich nach oben.
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Neue Alternativen aus Deutschland: JK Exclusive Lead
Während der Recherche für einen anderen Artikel stieß der TrumpetScout auf eine ganz neue Mundstückserie eines jedoch sehr arrivierten Herstellers. Josef Klier, kurz: JK, ist im Klassikbereich stark vertreten und genießt hier eine besondere Reputation weit über die Landesgrenzen hinaus. ‚Flache Eisen‘ gehören aber nicht zu seinen prominentesten Produkten. 2018 wurde aber eine Serie auf den Markt gebracht (die momentan aber weder in Katalogen noch auf der Webseite des Herstellers zu finden ist), die genau dieses Manko beheben soll. Der TrumpetScout entschied sich für ein Exclusive Lead 10S (es gibt noch ein um 0,2 mm tieferes R). Das ist mit 3,6 mm weder groß noch klein gebohrt, hat etwas weniger Masses als ein klassisches Exclusive-Modell und spielt sich sehr flexibel. Für den TrumpetScout gibt es für die extreme Höhe zwar passendere und auch klanglich aggressivere Mundstücke, aber der Sound ist universell und das Einrastverhalten gut.
Aus dem Traditionsbetrieb: Tilz steuert das Ambassador U1 bei
Für diesen Artikel musste natürlich auch bei Tilz in den (Online-)Katalog geschaut werden. Mit der Prämisse 16 mm Innendurchmesser und flacher Kessel fanden sich immerhin noch vier Mundstückserien. Alle Achtung! Aus den zugeschickten vier Modellvertretern stach sofort eines heraus, und zwar das Ambassador U1. Bereits am Telefon ‚warnte‘ man vor dem verlangten kleinen Durchmesser. Und ja, die 16 mm hier fühlen sich enger an. Wahrscheinlich hätte das Modell U2 mit 16,5 mm tatsächlich besser gepasst (das nur als Hinweis für Interessenten). Erstaunlicher ist aber die äußerst enge Bohrung mit lediglich 3 Millimetern! Das ist fast schon ein Nadelöhr. Der Unterschied zu den ‚Löchern‘ der anderen Modelle ist mit bloßem Auge glasklar zu erkennen.
Das steigert auf den Widerstand enorm, was sich wiederum positiv auf den Support im Altissimo-Register auswirkt (man kann damit je nach Spielertyp ausdauernder blasen und auch leichter hoch), aber deutlich negativ auf das mittlere und unterste Register. Da macht das Ding eher zu. Dieses Mundstück ist unter allen probierten ganz klar das mit dem radikalsten Konzept – eine reinrassige, kompromisslose Schreischüssel mit entsprechend giftigen Frequenzen und wenig Flexibilität. Die kostet aber nur um die 60 Euro. Da Tilz als einziger der hier angeführten Hersteller nicht per CNC-Fräse fertigt, sondern noch traditionell an der Drehbank, dürften hier kleine Änderungen wohl am ehesten machbar sein. Der TrumpetScout würde hier gerne einmal noch die nächstweitere Größe testen.
Kein Weg führt vorbei an Yamaha: Shew Lead und EM1
Neben Bach hat es nur ein echter Instrumentenhersteller in diese Kollektion der Alternativen geschafft, und das ist Yamaha. Von den Japanern gibt es drei sogenannte Signature-Modelle (also solche, die nicht nur den Namen bekannter Künstler, sondern metaphorisch gesprochen auch deren Handschrift tragen), die in Augen des TrumpetScout in die Kategorie ‚Lead-Mundstück‘ fallen. Eines davon konnte der TrumpetScout während seiner Hamburg-Reise probieren, als er Benny Brown traf. Der produziert seine trommelfellzerfetzenden High Notes auf dem Modell Vizzutti. Das hat einen Durchmesser von 16,67 mm, ist sehr flach und an der Kehle nur 3,56 mm weit. Für den TrumpetScout war das aber nicht die erste Wahl aus dem Nippon-Regal. Besser passten da die Modelle EM1 und SHEW-LEAD. Ersteres fühlte sich aufgrund des Durchmessers (16,02 mm) sofort ideal an, ist ebenfalls sehr flach und etwas weiter gebohrt (3,65 mm). Das macht sich sofort bemerkbar – in gutem Tonvolumen und guter Ansprache durch alle Register. Kein Wunder, dass einer wie Christoph Moschberger auf einem ähnlichen Modell (EM2 mit weniger scharfer Innenkante) alles spielt.
Überraschung dennoch beim etwas größer gebauten (16,54 mm innen) Mundstück des Lead- und Jazz-Trompetengiganten Bobby Shew. Optisch gänzlich unauffällig, das EM1 weist dagegen eine ungewöhnliche, da terrassierende Außenform auf, entpuppt sich das Shew Lead an den TrumpetScout-Lippen als Volumenwunder. Trotz engerer Bohrung als beim EM1 (3,56 mm) brüllt es damit gefühlt 15% lauter als mit den Vergleichsmundstücken aus dem Becher. Der Klang ist aber auch heller, um nicht zu sagen gar grell. Ob das Shew Lead bei jedem anderen auch so effizient ist, lässt sich bezweifeln. Sebastian Höglauer, den der TrumpetScout während der Testphase zum Interview traf, meinte zum geschilderten Phänomen: „Das Mundstück ist wahrscheinlich gar nicht effektiver als die anderen, aber es passt vielleicht gerade auf deine Physiognomie.“
Alle drei Mundstücke von Yamaha kosten im Handel um die 55 Euro, sie gehören also mit zu den günstigsten Alternativmodellen. Das steigert die Versuchung des Probierens im Musikgeschäft natürlich noch zusätzlich.
Einiges, aber noch nicht alles
Für diese eingangs bereits als Horizonterweiterung angekündigte Aufstellung von Mundstückmodellen, die den prototypischen Anforderungen an ein Lead-Mundstück entsprechen, wird kein Anspruch der Vollständigkeit erhoben. Es gibt sicher ungezählte kleine Hersteller, die ihre Produkte auch in der Preisrange zwischen 50 und 90 Euro feilbieten und auch neben Schilke noch den ein oder anderen namhafteren und trotzdem leistbaren Hersteller aus den USA (z.B. Marcinkiewicz).