Valve Alignment – wie wichtig ist die korrekte Ausrichtung der Ventile?

Nur für ganz wenige Dinge in der Trompetenwelt gibt es keine deutsche Bezeichnung. ‚Valve Alignment‘ ist eine davon. Was sich dahinter verbirgt, wie es funktioniert und ob es nützlich ist, erklärt der TrumpetScout in diesem Artikel.

Die Bohrung des Instruments, klar, die interessiert viele Spieler. Eventuell auch das Material der Pumpen oder des Ventilgehäuses. Aber der korrekte Sitz der Kolben im offenen und gedrückten Zustand? Der führt buchstäblich ein Schattendasein und wird deshalb selten diskutiert. „Warum?“, wird sich die eine oder der andere fragen, schließlich sieht man zumindest am zweiten Ventil (hier ist ausschließlich von Perinetinstrumenten die Rede!) mit dem kurzen Zug, ob der Kolben bei Betätigung so sitzt wie er sollte. Aber die Einschränkungen machen es deutlich: Zumeist sieht man es nur beim zweiten Ventil und auch nur, wenn man es gedrückt hält. Darüber hinaus braucht es technische Hilfsmittel. Nur mit ihnen ist zu erkennen, ob alles passt und der optimale Luftdurchfluss gewährleistet ist.

Dieser Artikel befasst sich mit der Diagnose von falsch eingestellten Ventilen sowie den Auswirkungen und der Behebung dieser Fehleinstellungen.

Wie genau funktioniert eigentlich das Perinetventil?

Gehen wir zunächst einen Schritt zurück und schauen uns an, wie ein Perinetventil (eigentlich ‚Périnet‘, da es von François Périnet erfunden wurde) zusammengesetzt ist. Im Wesentlichen besteht es aus fünf Teilen:

  1. einem zylindrischen Gehäuse mit jeweils vier Rohranschlüssen,
  2. einem Kolben, der die Luftführungen beherbergt und die Längsbewegung im Zylinder ermöglicht,
  3. einer Rückstellmechanik, die die Repositionierung in die Ausgangslage gewährleistet (im einfachsten Fall ist das lediglich eine Feder unter dem Kolben),
  4. einem Verbund aus Positionierungsteilen (Deckel oben und unten, Kreuzelführung und Filze) sowie
  5. einer Verlängerung für die Betätigung, bestehend aus Stengel und Drücker

Bei einer gewöhnlichen Perinettrompete wurden drei Ventile zu einem Ventilblock zusammengefügt.

Wird ein Ventil nicht gedrückt, strömt die Luft in das Ventil ein und nach kurzem Weg durch den Kolben wieder hinaus; beim ersten Ventil (das nächste am Mundstück) in das Schallstück, bei den anderen beiden in das jeweils nächste Ventil. Drückt man ein Ventil, wird die Luft umgeleitet: Sie strömt in den Kolben ein, verlässt ihn dann zunächst in einen Ventilzug, kehrt zurück zum Kolben und verlässt dann das Ventil erneut zur nächsten Station. Ein Kolben hat deshalb immer drei voneinander getrennte Kanäle, ergo drei Eingänge und drei Ausgänge, vulgo sechs Löcher. Das Bild unten zeigt am Beispiel des ersten Ventils, wie Luft in Nullstellung (blau) strömt und wie, wenn das Ventil gedrückt wird (rot).

Einmal nimmt die Luft einen längeren Weg (rot), einmal einen kürzeren (blau).

Das garantiert den richtigen Sitz

Damit der Luft der volle Rohrquerschnitt, den die Mensur der Ventile vorgibt, auch zur Verfügung steht, müssen die Rohrstücke im Ventilkolben an seinen beiden Totpunkten mit denen der Verbindungs- bzw. Anschlussrohre vor, zwischen und nach den Ventilen perfekt aneinander ausgerichtet – englisch: ‚aligned‘ – sein. Für die horizontale Passung sorgt die Kreuzelführung (im Bild oben aus Kunststoff). Sie verhindert, dass der Kolben rotieren, sich also wegdrehen kann. Für die vertikale Passung sorgen Anschläge ober- und unterhalb des oberen Ventildeckels. Damit diese Anschläge sowohl beim Drücken als auch beim Loslassen des Ventils keine allzu starken Geräusche entwickeln, sind sie aus flexiblem, dämpfendem Material gemacht: Gummi oder Filz.

Der obere Totpunkt wird exakt erst definiert durch die Dicke des Filzes, das die Kollision von Ventilkolben mit Ventildeckel verhindert.
Der untere Totpunkt ist durch die Dicke des Filzes unter dem Drücker bestimmt. Hier kommt auch, v.a. bei Bach, Gummi zum Einsatz.

Warum ein Ventil nicht (mehr) richtig sitzt

Gerade Filz kann nach Jahrzehnten und millionenfacher Betätigung eines Ventils durch Kompression an Stärke verlieren. Dann rutscht der obere Totpunkt nach oben und der untere nach unten. In beiden Positionen geht Rohrstück nicht mehr perfekt in Rohrstück über. Es entstehen mehrere Kanten im Ventil, mehrere Engstellen und oft auch ein lauteres Geräusch beim Anschlag des Kolbens. Natürlich können die Ventile auch von Anfang an nicht optimal eingestellt oder durch eine unsachgemäße Überholung völlig falsch eingepasst sein.

Schematische Darstellung eines perfekt ausgerichteten Ventilkolbens links und eines versetzt stehenden rechts.

Die potenzierten Auswirkungen von falschen Ventilfilzen

Bedenkt man, dass zwischen zwei Bohrungsgrößen oft nur 0,06 mm Unterschied liegen (z.B. bei Bachs ML- und L-Maschinen), müsste ein Überstand von 0,5 oder gar einem Millimeter für einen Unterschied wie zwischen Tag und Nacht sorgen. In Zahlen: Ein ML-Ventilkolben, der um einen halben Millimeter falsch steht, verliert mehr als 5% seiner gewöhnlichen Querschnittsfläche für den Durchgang der Luft. Bei einem Millimeter sind es gar knapp 11% Verlust. Zurückgerechnet in die gängige ‚Währung‘ des Durchmessers ergibt sich eine äquivalente Bohrungsreduktion von 11,68 mm auf 11,02 mm, also von ML auf (X)S. Dazu kommen ordentliche Kanten, die für Verwirbelungen sorgen können, aber unter Umständen auch als Resonanzpunkte gute Dienste leisten können. So weit die Theorie.

Valve Alignment: ein Extrembeispiel

Der TrumpetScout ergatterte zuletzt eine schon lange gesuchte Trompete aus den 40er Jahren. Da erwartet man naturgemäß kein großes Horn. Doch die ersten Töne hinterließen den unangenehmen Eindruck, dass sich diese Trompete besonders eng blies. Super in der Höhe, aber nicht angenehm im Normalbereich. Eine anderes Reparaturansinnen führte dann zum Instrumentenbauer, der bemerkte, dass die Ventile komplett falsch eingestellt waren. Komisch, den laut Verkäufer wurden gerade neue Filze eingesetzt. Dabei wurde aber nicht auf die akkurate Stärke geachtet, sondern lediglich auf die Eliminierung von Geräuschen. Das Ergebnis: Bei gedrückten Ventilen war der Überstand im Bereich von 2-3 mm. Ein derartige Verengung im Bereich zwischen 22 und 32% musste sich negativ bemerkbar machen, so die Überzeugung des Meisters, die Reparatur entsprechend auch.

Die Folgen der falschen Filzwahl werden hier mehr als deutlich. Links vor dem Valve Alignment (als würde man nicht ganz drücken), rechts danach.

Mit dem Endoskop überprüfte er auch gleich noch die 0-Stellung, also den Durchfluss bei nicht-gedrücktem Ventil. Hier schienen die Originalfilze noch gut zu passen. Die neuen alten Filze wurden gegen passende ausgetauscht und die Passung somit auf Soll-Zustand gebracht.

Endoskopische Überprüfung des Kolbensitzes an OT und UT.

Positive Auswirkungen des Valve Alignment?

Ein direkter Vergleich ’not-aligned vs. aligned‘ war wegen der Covid-Maßnahmen in der Werkstatt leider nicht möglich. Getestet wurde dann sofort zuhause. Die Bedenken, dass die guten Höheneigenschaften mit dem Valve Alignment verschwunden sein könnten, wurden schnell zerstreut. Hinzu kam, dass das untere Register tatsächlich weniger gestopft wirkte. Natürlich wurde aus der engeren Holton keine Trompete vom Schlage einer Wild Thing, aber eine Verbesserung war doch deutlich zu registrieren. Wie bzw. ob sich eine solche Anpassung auswirkt, wenn der Versatz viel geringer ausfällt als im Fall der falschbehandelten Trompete des TrumpetScout, bleibt offen. Eventuell kann das Slotting ganz ohne Kanten sogar etwas schlechter werden, vielleicht die Intonation aber besser. Der Widerstand sollte sich auf jeden Fall nicht vergrößern, eher verringern.

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Die Conclusio fällt so aus: Zumindest beim zweiten Ventil einen prüfenden Blick auf den Sitz des Kolbens zu werfen, das lohnt sich vor allem beim Neuerwerb eines Instruments. Und beim Tausch der zu laut gewordenen Filze darf man gerne überprüfen, ob der Reparateur weiß, worauf er zu achten hat.

Je nachdem, ob die Filze extra ausgestanzt und auch alle Filze ausgetauscht werden müssen, beläuft sich ein ordentliches Valve Alignment grob im Bereich von 50 bis 100 Euro mit Material. Es steckt halt doch mehr dahinter als nur drei neue Ringe unter die Drücker zu klatschen.