Der TrumpetScout ist mit Conn Connstellations aufgewachsen, und deren dunkler Nickelglanz hat ihn schon immer fasziniert. Lange schon fragte er sich deshalb: Was würde passieren, wenn man eine moderne Trompete einfach vernickelt? Nun hat er es ausprobiert. Über die Kosten und den Effekt einer Vernickelung.
Versilberte Instrumente übten auf den TrumpetScout nie die Faszination aus wie auf den Großteil der Trompetenwelt. Dafür hat es ihm seit dem ersten Anblick einer Conn Connstellation deren edle Erscheinung angetan. Kein heller Widerschein wie bei den Hörnern mit Silberhaut, sondern Reflex und Schlucken von Licht gleichzeitig. Dunkler Glanz ohne samtene Bürstenoptik, wie ein abgetönter Spiegel.
Statt Raw, Silber oder Gold – Nickel soll es sein!
Nun rührt der spezielle Klang einer Conny nicht nur von ihrem Äußeren her. Sie vereint viele Besonderheiten unter einem einzigartigen architektonischen Konzept (u.a. mit riesigem Becher aus dickem Kupfer). Doch interessanterweise verzichteten all jene, die sich eine 38B für ein Trompetenmodell zur Vorlage nahmen (Kanstul, Adams und auch einige deutsche Hersteller) auf die Nickelhaut. Der TrumpetScout wollte es hingegen genau anders machen. Nichts sollte bei seinem Testprojekt an die berühmte Vorlage erinnern – nichts bis auf eben den dunklen Silber-Teint und die lackierten Züge. Also wurde eine Trompete gesucht, die nicht nur technisch einwandfrei war, sondern obendrein weder Korrosion noch Erosion durch Speichel und Handschweiß aufwies. Nur so würde sich der Aufwand lohnen (Korrosion würde sich unter einer Beschichtung getarnt fortsetzen) und nur so könnten auch die Kosten für die Vorbereitung für eine Beschichtung klein gehalten werden.
YTR-6335 – ein leichtes Messinghorn als Basis
Zunächst fiel die Wahl auf eine YTR-3335, die dem TrumpetScout nach wie vor sehr gut gefällt, ein entlacktes Modell bot sich für kleinen Preis an. Jedoch war die Überlegung dann, ob es sinnvoll wäre, eine Tuning-Maßnahme vorzunehmen, deren Kosten den Wert des Ausgangsinstruments deutlich übersteigen. Denn wenn die Trompete wieder veräußert werden soll (sehr wahrscheinlich, da nach dem Treatment für den TrumpetScout einfach zu schön, um sie ohne Samthandschuhe auch zu benutzen!), bezahlt niemand ein Vielfaches des regulären Gebrauchtpreises. Bei einem von vornherein höherwertigen Instrument fällt der Aufschlag relativ geringer aus. So fiel die Wahl dann auf eine am Internethorizont auftauchende YTR-6335, die sich in fantastischem Zustand befand und sogar ebenfalls bereits entlackt war.
Vernickelung – Schichtstärke, Gesundheitsrisiken und Kosten
Nachdem das Testinstrument gefunden war, galt es herauszufinden, welche Schichtstärke angebracht ist. Einfach nur dick, das konnte nicht der richtige Weg sein. Denn eventuell wäre bei einer zu wuchtigen Panzerung nicht mehr klar, ob ein Effekt vom Material oder einfach nur von der Gewichtszunahme herrührte. Zudem warnten Spezialisten vor der Vernickelung: Es sei schade um das gute Instrument. Die Vernickelung würde den schönen Klang vernichten. Süffisant bis bedrohlich fielen die Kommentare aus.
Die Recherche nach Yamahas (nur in Amerika verkaufter) Mariachi-Trompete YTR-5335MRC führte dann zum Yamaha Atelier in Hamburg. Dieses Modell hat zwar einen versilberten Korpus, aber vielleicht hat man sich ja bei Yamaha mit der Nickeloption während der Entwicklung beschäftigt – schließlich ist die 38B aufgrund ihres dunklen, vollen Klangs bis heute eben die Mariachi-Trompete schlechthin? Dort wollte man aber keine Empfehlungen für Schichtstärken aussprechen, verwies stattdessen auf die REACH-Verordnung der EU, wonach Nickel nicht mehr dort verwendet werden darf, wo ein längerer Hautkontakt in Betracht kommt, da einige Menschen allergisch auf das Metall reagieren. Deshalb werden bei uns neue Instrumente nicht mehr vernickelt. Spätestens hier war dem TrumpetScout klar – auch wenn er selbst nie mit Nickelinstrumenten Probleme hatte und früher Modeschmuck meist vernickelt wurde -, dass das Nickelkleid auch noch mit einer Lackhaube versehen werden muss.
Nun aber zurück zur Schichtstärke: Seit dem Artikel zu Lackierung, Versilberung und Vergoldung kennt der TrumpetScout übliche Schichtstärken bei den Edelmetallen. Sie bewegen sich meist im Bereich zwischen 25 bis 35 Tausendstelmilliter (Mikrometer μm). Der Galvanisierungsbetrieb kann nach eigener Auskunft zwischen 15 und 50 μm auftragen (wahrscheinlich auch mehr). Mit den bedenklich Stimmen im Hinterkopf fiel die Entscheidung auf 20 μm. Ein Effekt sollte auf jeden Fall zu spüren, die Vernickelung deckend und genügend robust sein. Dennoch durfte die Trompete in Ihrem Schwingungsaffinität nicht extrem beschränkt werden. Nickel ist einfach ein relativ hartes Metall – deutlich härter als Gold und Silber, aber auch härter als Kupfer und Zink. So ging die Trompete dann zur Galvanisierung.
Und was kostet das Experiment? Natürlich ist Silber viel teurer als Nickel. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels lag zwischen beiden Metallen beim Preis der Faktor 70. Allerdings werden ja nur ein paar Gramm gebraucht und der viel größere Aufwand liegt bei den Arbeitskosten – für den Galvanisierer, aber vor allem für den Instrumentenbauer, der die Trompeten in den beschichtungsfähigen Zustand bringt. Hier fließen je nach Ausgangszustand ein paar bis viele Stunden in die Präparierung. Die Oberfläche sollte so glatt wie möglich sein, um später auch ein ansprechendes Ergebnis zu erhalten. D.h. Dellen müssen entfernt, sonstige Schäden behoben und die gesamte Oberfläche auf Hochglanz poliert werden. Dann müssen Staub und Fett rückstandsfrei weichen. Für das Tauchbad braucht es zudem noch Ventildeckel, die man gewissermaßen opfert. An diesen wird das Instrument fixiert. Sie erhalten damit auch ihre Portion vom Nickelguss, aber sind nicht deckend beschichtet. Prinzipiell kann man sagen: Je besser die Substanz, desto günstiger wird das Unterfangen. Mehrere hundert Euro muss man aber mindestens rechnen. Es kann aber auch leicht in den vierstelligen Bereich gehen. Die Lackierung am Ende ist auf jeden Fall der günstigste Posten.
Operation nickel trim: das Ergebnis in technischer Hinsicht
Auf Vorbereitung und Galvanisierung folgte die Lackierung. Die Züge und Ventildeckel wurden nicht vernickelt, sondern verblieben in poliertem Messing, wobei auf einen ganz neuen Satz moderner Yamaha-Caps zurückgegriffen wurde. So ergibt sich eine betörende Kombination, die natürlich an die Connstellation-Trompeten erinnert. Einen optischen Makel gab es jedoch zu beweinen: Auf dem zylindrischen Rohr nach dem Mundrohr war und ist eine kleine dunkle Stelle zu erkennen. Hier muss in der Vorbereitung etwas übersehen worden sein. Kein Zinkfraß, aber irgendeine Oxidation, auf der der Nickel nicht griff. Ansonsten sieht die Trompete fast aus wie eine neues Instrument und ist eigentlich zu schön, um angefasst zu werden. Aber damit nun wirklich genug zur Optik, die in den TrumpetScout-Artikeln traditionell nur eine marginale Bedeutung hat, sofern sie nicht mit Funktion verbunden ist.
Interessant war der Gang zur Waage: Vor der Vernickelung wog die Trompete exakt 1.000 Gramm. Nach der Verhüllung des nackten Blechs? Wieder 1.000 Gramm. Jetzt kann man mit der geringen Schichtdicke in Kombination mit dem um 15% geringeren spezifischen Gewichts von Nickel gegenüber Silber kalkulieren: 25 μm Silber auf einer Trompete wiegen circa 25 Gramm. 20 μm Nickel bedeuten einen Abschlag von 20% und dann noch einmal 15%, da Nickel da härter, aber trotzdem leichter ist. Dann blieben aber immer noch 17 Gramm Mehrgewicht. Dann könnte man noch 2 Gramm für die unlackierten Züge abziehen. Und vielleicht sind die neuen Ventildeckel um einiges leichter? Oder aber bei den Polierarbeiten wurde ordentlich Material abgetragen. Gehen wir von 15 Gramm aus, wären das 1,5% Trompete, die sich in Luft respektive Staub auflösen. Fakt ist: Die lackierte YTR-6335N wiegt so viel wie die rohe YTR-6335, aus der sie geschlüpft ist. Umso interessanter zu sehen, welchen spielerischen und tonlichen Effekt einzig das Oberflächenmaterial hat – ohne ein natürliches Plus an Masse und andere verfahrensbedingte Einflüsse wie ein extremes Erhitzen z.B. durch eine Hämmerung.
Bevor wir zum Klang der gespielten Trompete kommen, soll auf das Resultat des ‚Schnipptests‘ eingegangen werden. Dabei schnippt man mit dem Fingernagel gegen den Becherrand. Das Ergebnis hier ist eindeutig: Der Trichter der lackierten YTR-6335 schwingt zweifelsfrei länger, lauter und freier als der der vernickelten Schwester. Davon darf man nun keine Güte ableiten – denn es gibt einige gut klingende und populäre Instrumente, deren Becher beim Schnipptest eher klingen wie Sektgläser aus Plexiglas. Aber man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten: Dafür verantwortlich ist die Nickelschicht.
Von nackt zu Nickel – eine klangliche Metamorphose
Der Vergleich einer Sache mit einer zeitlich früheren Variante derselben ist immer schwer anzustellen. Beide Vergleichsobjekte existieren nicht simultan. Hier ist also Skepsis gegenüber der eigenen Wahrnehmung angesagt. Um es zumindest ein wenig einfacher zu haben, hat sich der TrumpetScout deshalb eine andere (wenn auch lackierte) YTR-6335 besorgt. Sie hat auch schon einige Jahre auf dem Blechbuckel (wenn auch mit deutlich höherer Seriennummer), ist bis auf das Zwanzigstel gleich gebohrt und wiegt lediglich 10 Gramm mehr.
Ohne den Vergleich mit diesem Instrument hätte der TrumpetScout nach Erhalt der Nickel Lady ad hoc so geurteilt: Die Trompete hat jetzt leicht mehr Widerstand, ein etwas engeres Frequenzband, aber dafür mehr Kern. Die Klangfarbe kam dabei nicht in den Sinn, will sagen: heller oder dunkler wurde die Trompete scheinbar nicht, auch wenn der dunkle Glanz dazu verleiten könnte, das zu glauben. Es fühlte sich vielmehr so an, als würde man eine Stimmzugstütze einlöten, wo vorher keine war – nur nicht ganz so krass im Effekt. Die Ansprache hingegen – das war die große Befürchtung – litt nicht, zumindest nicht spürbar.
Im Vergleich mit der lackierten YTR-6335, die möglicherweise nach der Konsolidierung des Modellportfolios bei Yamaha 1997 mit einer etwas anderen Maschine und aus dickerem Blech gefertigt wurde (sie fühlt sich schwerer an als die 10 Gramm Differenz vermuten lassen), scheint der Unterschied geringer auszufallen. Der Widerstand ist praktisch gleich, der Sound bei der 6335N um ein bisschen kompakter, abgeschlossener. Beide Trompeten knurren in der tiefen Lage im Fortissimo angriffslustig und singen auch in der Höhe. Möchte man Subtones erzeugen, scheint die lackierte Variante die geeignetere zu sein. Von einem „Tod dem Klang durch Nickel“ kann also keine Rede sein – obwohl die Trompete, die es so nicht mehr gibt, dem TrumpetScout noch etwas lebendiger in Erinnerung war. Die Hartmetallfassade hat das Instrument aber natürlich zu einem anderen werden lassen. Anders, aber nicht schlechter.
Effekt der Vernickelung: die Tendenz zum Brennglas
Einige Kollegen haben auf den beiden gespielt, wodurch sich ein Bild abzeichnete, das ein Blindtest mit Ms. TrumpetScout rund 5 Meter vor den Instrumenten bestätigte: In 8 von 10 Szenarien wurde die vernickelte Trompete als die erkannt, deren Klang einen zielgerichteter trifft. Sie ist deshalb aber nicht zwingend lauter in einem überschaubaren Raum, aber definitiv fokussierter. Man könnte dadurch von besseren Projektionseigenschaften sprechen – womit wir wieder beim Effekt der oben bereits genannten Stütze beim Stimmzug sind.
Dieses Experiment war nicht billig – der TrumpetScout hat für Vernickelung, Lackierung und die notwendigen Vorarbeiten natürlich bezahlt. Wenn du kannst, unterstütze diese Tests und die Arbeit an den Artikeln mit einer Spende: paypal.me/trumpetscout! Danke – kein Betrag ist zu gering!
Für extremere Veränderungen hätte man wahrscheinlich einfach dicker auftragen müssen. In der angewandten Dosierung bewirkt die Vernickelung vermutlich, was eine höhere Blechstärke auch bewirkt hätte – nur eben ohne mehr Gewicht.
Ein Unikat für die Vitrine? Besser nicht
Der TrumpetScout hat es anfangs bereits angedeutet und es sich schon vor der Inangriffnahme des Projekts gedacht: Wenn die Nippon-Nickel-Trompete fertig ist, ist sie zu schön, um auch gespielt zu werden. Daneben ist der TrumpetScout-Keller voll mit Instrumenten. Deshalb geht die YTR-6335N nach ein paar Monaten in den Verkauf – trotz Ihrer Einzigartigkeit. Der TrumpetScout ist einfach kein Sammler, sondern ein Tester. Und wenn jemand anders mit dem Unikat auch spielerisch die Erfüllung findet, so ist dies sowieso die beste Variante.