Eine umgebaute Conn Connstellation sieht man nicht alle Tage. Eine „Tuning Bell Conversion“ vielleicht nur einmal im Leben. Dennoch kann der TrumpetScout verraten, was so eine Metamorphose kostet und wie sich die Verwandlung auswirkt. Plus: Er berichtet über ein spielerisch hartes Wochenende und echte Lippenarbeit.
Dieser Artikel ist ein Blogbucheintrag aus dem Leben eines Trompeters wie er echter nicht sein könnte! Da die Begebenheiten, die dazu Anlass gaben, zeitlich nahe beieinander lagen, widmet er sich nicht nur einem Thema, sondern zwei völlig unterschiedlichen.
Im Oster-Urlaub mit einer geborgten Trompete
Ostern ist für die meisten Menschen die Zeit für einen Besuch in der Heimat, bei Familie und alten Freunden. Beim TrumpetScout ist das nicht anders. Anders als bei vielen anderen Trompetern ist aber, dass im TrumpetScout-Elternhaus ein anderer und ebenfalls recht übefleißiger sowie experimentierfreudiger Trompeter zur Miete wohnt. Das kann zuweilen auf die Nerven gehen, wenn z.B. beim Mittagsschlaf oder abendlichen Lesen Bindeübungen aus dem unteren Stockwerk die Ruhe abrupt zunichte machen, und hält natürlich auch den akustischen Spiegel vor: So nehmen einen also die wahr, die mit einem im Haus wohnen. Es gibt aber auch Vorteile: Man kann sich über das Thema Trompete unterhalten – und sich Instrumente ausborgen. Mit einer Trompete am Ziel reicht ein Mundstück im Reisegepäck.
Zur Verfügung stand eine Connstellation 38B. Jedoch nicht im Originalzustand, sondern modifiziert, um nicht zu sagen: ‚getunt‘ – den diese Conny besitzt nun einen verstellbaren Schallbecher, eine sogenannte ‚Tuning Bell‘. Ausgangspunkt ist ein Instrument schätzungsweise aus den 60ern (die „Elkhart“-Gravur und deren Ausführung verweisen darauf) und dem Gravurzusatz nach zu urteilen, musste sich diese einmal im Bestand der Bundeswehr befunden haben.
Aus der einfachen Coprion Bell wird eine Tuning Bell
Grund für die Anschaffung einer Connstellation war die besondere Bauweise, die viel Platz für die haltende Hand bzw. die Finger lässt, und der Wunsch nach einem dunklen, aber kernigen und vollen Ton. Viel ‚Halteraum‘ gewähren alle 38B-Modelle und auch die klangliche Anforderung erfüllen die meisten. Dennoch reifte beim Eigentümer schnell der Wunsch nach Veränderung. So begab er sich zu Musik Gillhaus nach Freiburg, um die schwere Connstellation umbauen zu lassen – und zwar so, dass der der Becher verschiebbar ist: Man spricht dabei von einer ‚Tuning Bell‘. Der gewünschte Effekt dieser Veränderung? Der konventionelle Stimmzug kann ganz eingeschoben bleiben, es kommt somit zu weniger Verwirbelungen an Kanten im Luftstrom vor der Maschine (wo durch die Ventilbetätigung sowieso ständig Turbulenzen auftreten). Somit soll sich die Trompete freier bzw. leichter blasen. So weit zumindest die Theorie. (Man vergleiche dazu den Testartikel zur Schilke S42L.)
Doch beginnen wir mit den Umbaumaßnahmen: Um einen verstell- bzw. verschiebbaren Schallbecher zu bekommen, muss der starr verbaute zunächst herausgelötet werden. Das heißt, die Stützen zwischen Mundrohr sowie Maschine und Schallstück müssen entfernt, danach der Becher aus dem Maschinenausgang genommen werden.
Um die Glocke axial verschieben zu können, braucht es zunächst eine Hülse, in der der zylindrische Teil des Schallstücks laufen kann und geführt wird:
Wahrscheinlich diffiziler dürfte die zweite variable Aufnahme des Bechers zu bauen gewesen sein, nämlich jene bei den Ventilen: Hier wurde auf dem konischen Rohr des Bechers eine U-Profil zentriert befestigt, sodass es unter- und oberhalb der Führungsplatte am Maschinenstock ohne Spannung und große Widerstände in Längsrichtung zu bewegen ist:
Dort fixiert eine Schraube auch die Position des Bechers:
Die sowohl strukturelle als auch klangliche Stabilität ist damit aber noch nicht wiederhergestellt, wenngleich die Platte am Maschinenstock nun an zwei Punkten verlötet ist. Zwei neue Stützen sind deshalb nötig: Das Mundrohr wird stabilisiert durch eine steile Strebe die vom Mundrohreingang zur ersten Ventilbüchse führt, da eine feste Verbindung mit dem Becher, der nun wie ein Zug im gesamten Rohrverlauf sitzt, nicht mehr möglich ist:
Zwischen dem zylindrischen Rohr, in das das Mundrohr übergeht, und dem vorderen Teil des Schallstücks kann genauso wenig wieder eine starre Stütze angebracht werden. Dort befindet sich nun eine Klemm-Spreiz-Stütze, die das zylindrische Rohr quasi „umarmt“ und je nach Einstellung gegen den Becher drückt:
Die Kosten der Umbaumaßnahmen beliefen sich vor wenigen Jahren auf überschaubare 150 Euro. Natürlich sind hier – wie auf den Bildern zu sehen ist – keine kosmetischen Arbeiten vorgenommen worden. Nichts wurde neu lackiert oder gar vernickelt. Das Experiment stand im Vordergrund – die Trompete ist so am besten wieder rückbaubar.
Wie spielt sich die Tuning Bell Connstellation?
Es war nun schon der zweite Urlaubsflirt mit diesem modifizierten Instrument und man kann sagen: Die Zuneigung wächst! Die Stimmung ist gut, der Widerstand angenehm gering und wirklich jeder Ton ist „drauf“. Trotz der kleinen Bohrung ist das untere Register leicht ansprechend und voll, aber auch die oberste Lage ist sehr zugänglich und man fühlt sich wohl und sicher. Dazu kommt ein kräftiger Ton und mächtiges Volumen frei von schrillen Frequenzen. (Vor allem ein Vergleichstest mit einer sich ebenfalls im Haus befindenden Bach Stradivarius 43G aus den frühen 90ern, die – ein weiteres Experiment – von Martens mit einem engeren Messingbecher ausgestattet wurde, machte deutlich, wie warm, breit und schlicht angenehm der Klang dieser 38B ist.) Im Vergleich mit der 38B, die für den Testartikel vor einem Jahr zur Verfügung stand, ist diese Connstellation noch vielseitiger, agiler und definitiv auch leichtgängiger. Sie erfüllt ganz einfach alle Erwartungen, die man an eine Bilderbuch-Conny haben kann. Aber liegt das jetzt am Umbau oder war schlicht das Ausgangsmaterial sehr gut?
Das lässt sich für den TrumpetScout natürlich nicht beantworten, da er die Trompete vor dem Umbau nicht anspielen konnte. Aber: Interessant ist doch, welchen Einfluss die Position des eigentlich obsolet gewordenen Stimmzugs auf das Ansprechverhalten dieses Instruments hat. Auf Position 0 – also ganz in die Trompete geschoben – ist der Widerstand undefiniert und das Einrastverhalten nicht so sauber wie wenn der Stimmzug knapp einen Zentimeter ausgezogen ist. Zieht man ihn weiter, verschlechtern sich Ansprache und artikulatorische Eigenschaften wieder, bleiben aber stets besser als auf Position 0. Die vorübergehende Verbreiterung des Innenrohrdurchmessers bei gezogenem Stimmzug schadet also nicht, sondern nützt eher. Die Kante bzw. die sich auftuende Gap begünstigt ein sicheres Spiel. Im Grunde keine Überraschung, sondern vielmehr – siehe Thema Gap – quod erat demonstrandum.
Warum dann also umbauen? Das ist eine berechtigte Frage, die nicht leicht zu beantworten ist, zumal eben die Trompete vorher nicht gespielt werden konnte. Für Spieler wie den TrumpetScout selbst, die in der Regel den Stimmzug sehr weit ausziehen müssen, ergibt sich durch den diesen Umbau die Möglichkeit, über den Becher ‚vorzustimmen‘ und die Feinjustierung dann am eigentlichen Stimmzug vorzunehmen, sich dabei aber immer in der komfortablen Zone rund um einen Zentimeter vor der 0-Position. Abgesehen davon ist dieses Unikat aber eine der besten Connstellation-Modelle, die der TrumpetScout jemals gespielt hat!
Anderes Thema: der Belastungstest für den TrumpetScout
Das Wochenende nach Ostern bescherte, kurz nach der Rückreise nach Österreich, drei Gigs an zwei Tagen. Dem samstagnachmittäglichen Spiel im Quintett während einer kirchlichen Trauungszeremonie und einem kleinen Konzert im Anschluss mit vornehmlich Polkas und Walzern (ja, das sind die Stücke, bei denen es gerade im Quintett wirklich gar keine Pausen gibt!) folgte ein Ball in einer ‚holzfreien‘ Blasmusikbesetzung. Die drei Stimmen des hohen Blechs wurden zwar auf vier Spieler aufgeteilt, sodass ein Pausieren während der Stücke möglich war, aber eine Nettospielzeit von vier Stunden war in dieser Nacht dann doch gegeben. Die Mischung aus Flügelhornparts und sehr hohen Solostellen stellte dabei durchaus eine hohe Belastung dar.
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Der nächste Tag brachte in gleicher Besetzung sogar noch mehr ‚Lip Time‘. Bei sechseinhalb Stunden Bruttospielzeit dürften es über fünf Stunden auf der Bühne gewesen sein. Dennoch: Die Lippe hat gehalten und es hat keinen echten Einbruch gegeben. Das war angesichts der rund 10 Stunden Trompete in 30 Stunden wirklich überraschend, zumal der TrumpetScout von sich – wie wahrscheinlich einige andere Ball- oder Tanzmusikspieler auch – das Phänomen der ‚Wellen-Fitness‘ gewohnt ist: Man spielt eine Stunde und spürt bereits die Ermüdung. Nach dem zweiten Set denkt man: „Das geht heute nicht gut!“ Im dritten bessert sich der Zustand wieder und im vierten will man eigentlich nicht mehr aufhören und denkt statt ans Sparen ans Oktavieren.
Beim TrumpetScout war erst (zum Glück!) im allerletzten Stück so etwas wie ein ausfranzender Ton zu bemerken, wobei zuvor noch ein schönes G3 als Schlusston sauber einrastete. Das war eine neue und natürlich positive, bestärkende Erfahrung.
Lockerheit ist Trumpf
Hier dürfte wie so oft der Kopf ein Rolle gespielt haben: In einem Bierzelt (auch wenn es in diesem Fall eine Halle war!) ist die Aufmerksamkeit des Publikums nicht so schmerzhaft spürbar, auch wenn sich dort viele Blasmusikfreunde und -kenner tummeln. Das entspannt, und zwar den ganzen Körper. Abgesehen davon wurde am Tag zuvor mit Bedacht nur ein Schonprogramm gefahren. Auch das hilft ungemein und ist jedem vor einem fordernden Konzert anzuraten. Sich schnell Kraft trainieren kann man so kurz vor einem Einsatz sowieso nicht mehr. Dann geht man am besten so frisch wie möglich ins Rennen!
Locker sollte man auch in der Nacharbeit eines solches Marathons agieren. Auch wenn der TrumpetScout über Jahrzehnte jeden einzelnen Tag spielte: Nach so einem Kraftakt – der zwar viel Spaß machte, aber eben für die Lippen auch viel Arbeit bedeutete – kann man, wenn man diese Beanspruchung nicht gewohnt ist, ruhig einmal einen oder gar zwei Tage Pause machen. Hier ist es wie im Sport auch: Nach einem Berglauf mit brennenden Schenkeln kann man es sich ruhig einmal zwei Tage auf der Couch gemütlich machen und maximal zum Kühlschrank gehen.