Wer braucht noch Oboen? Die Klassiktrompete B&S 3125/2

Mit seinen der populären Bach Stradivarius nachempfundenen Challenger-Modellen begründete der deutsche Hersteller B&S vor 20 Jahren eine Erfolgsgeschichte. Der TrumpetScout orderte – mit Hintergedanken – für einen Test die exotische Modellvariante mit 25er Becher und großer Bohrung. Wurde er dabei überrascht oder haben sich die Erwartungen erfüllt?

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Auf den ersten Blick könnte man glauben, eine Bach zu sehen. Auf den zweiten ist aber klar, dass es sich um eine B&S der Challenger-Serie handelt. Das 25er Modell errät man jedoch nicht auf Anhieb.

B&S geht es mit seinen Challenger 2-Modellen (darunter lassen sich die in Varianten erhältlichen Spitzentrompeten subsummieren, die sich an der legendären Stradivarius orientieren) nicht anders als Bach auch: Am beliebtesten sind die Modelle 43 und 37. Aber warum eigentlich?

Den TrumpetScout hat die „Stiefschwester“ der Reihe besonders interessiert, weil interessante Leute damit interessante Musik machten. In Max Raabes Palastorchester kam die 25L zum Einsatz, Roy Hargrove spielte sie, angeblich ist die Kombination für Jörg Brohm die richtige als Leadtrompeter der Bundeswehr-Big Band und Aneel Soomary setzt für die hohen Töne noch immer auf seine Bach Stradivarius 25 aus Mount Vernon-Tagen. Die Erwartungshaltung war also folgende: Trotz Large Bore-Ventilstock wird diese Trompete wegen des engen Bechers viel Widerstand bieten (mehr als die ML-Modelle), dafür gut projizieren und viel Kern bieten. Und in der Höhe sollte auch einiges möglich sein, wenn man sich auf den Gegendruck gut einstellen kann. Ob sich das bewahrheitet, sei genauso aufgeschoben wie die Beantwortung der Frage nach der im Vergleich mit den Schwestern geringeren Popularität. Widmen wir uns zunächst den technischen Eigenheiten.

Was macht die B&S 3125/2 aus? Zunächst die Zahlen!

Die Bilder sprechen eine klare Sprache: Sieht man von der Mundstückaufnahme ab, sind Challenger 2 und Bach Stradivarius einander zum Verwechseln ähnlich. Die Maschinenzüge und die Stimmzugaufnahme wurden (das kann man in der versilberten Variante zwar nicht so gut erkennen) mit Neusilber bewehrt, der Stimmzug selbst weist eine D-Form auf, zwei Stützten stabilisieren den Stimmbereich, das Ventildeckel-Design ist ‚Strad-like‘ und auch der Daumensattel bzw. der Fingerring erinnern an das Vorbild. In anderen Details gibt es aber doch Abweichungen: Das Wasser wird über zwei konventionelle Klappen abgelassen (also nicht eine Klappe plus ein Zug am dritten Ventilrohr) und den dritten Zug hindert eine simple Schraube am Herausrutschen (statt eines Justierungsgestänges).

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Der Durchmesser der Glocke beträgt 122,5 Millimeter, entscheidend für Tonqualität und Ansprache ist aber der engere Verlauf des 25er Bechers. Auch wenn hier eine Linie innen seitlich zu sehen ist, befindet sich die Naht unten.

Als Material für das Mundrohr kommt Messing zum Einsatz, genauso wie auch für das Schallstück. Dies ist – darauf legt man bei B&S Wert – nicht nur einteilig und verlötet (es gibt ja auch die einteilige, aber elektrolytische Herstellung), sondern tatsächlich handgehämmert. Dies garantiert die Ausdünnung zum Becher hin – und soll damit die Ansprache verbessern.

Was bisher gesagt wurde, gilt für viele Challenger 2-Modelle (wenngleich es auch Reversed-, Goldmessing- und andere Ausführungen gibt). Das Besondere ist an der 3125/2 die weitere Maschinenbohrung (11,73 statt 11,66 mm – wenngleich die gemessenen Werte beim Testinstrument bei Ventil 1 und 2 nach unten in Richtung der Standardgröße abwichen) und eben das kleinste Schallstück mit der Nummer 25.

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Auf den Ventilkolben prangt ein L. Die Kreuzelführung ist aus Kunststoff.

Das Gesamtgewicht von 1.130 Gramm entspricht bis auf ein paar Staubkörner dem der Bach.

B&S 3125/2: Large Bore heißt nicht immer „großes Horn“

Die Bohrung ist nicht alles. Nein, die ehrlichere Aussage wäre eigentlich: Die Bohrung ist unbedeutend. Stimmt auch nicht ganz, aber diese Large Bore-Trompete von B&S ist ein wunderbares Beispiel, um die in vielen Köpfen verankerte Gleichung große Bohrung = wenig Widerstand = fetter Sound zu widerlegen. Wie von einem Mitarbeiter von B&S wunderbar arithmetisch untermauert, steht eine Veränderung von wenigen Hundertstelmillimetern im Durchmesser auf einer Länge von maximal 30 Zentimetern in der Maschine (wenn alle Ventile gedrückt werden, was selten passiert) einem Meter Rohrverlauf bestehend aus Leadpipe, Stimmbogen und Schallbecher gegenüber. Ist eigentlich klar, dass dieser Meter die Musik macht.

So wurde gleich beim Anblasen klar, dass es sich um kein Kanalrohr handelt, das Luft förmlich frisst. Im Gegenteil: Mit dem flachen Mundstück, das für sich schon viel Widerstand erzeugt, entstand gar ein Gefühl der Enge. Mit dem – übrigens im Video bis auf die letzten Sekunden ausschließlich benutzten – 7CMundstück (beigelegt ist eines der Größe 3C) war aber ein TrumpetScout-subjektives Idealmaß erreicht, das eine gesunde Mischung aus guter Ansprache, Treffsicherheit und Effizienz versprach. Das 25er Schallstück sorgt für einen Widerstand weit hinten. Diese Art von ‚Engstelle‘ (die natürlich nicht wirklich die engste der ganzen Trompete ist, nur im Vergleich mit anderen Trompeten) ist nicht zu vergleichen mit einem engen Mundrohr, das sich wie ein Staudamm direkt nach dem Mundstück verhält. Das könnte ein Grund dafür sein, dass auch ganz tiefe Töne sehr gut ansprechen.

Spielbarkeit und Stimmung der großen kleinen Challenger 2

Fangen wir mit der Mechanik an: Die Monel-Ventile sehen nicht nur Bach-artig aus, sie gehen auch vergleichbar gut. Das erwartet man aber. Interessanter wird es bei der Ansprache. Wie bereits gesagt wurde, ist das Instrument nicht so offen, dass sich das Gefühl einstellt, es spiele von alleine. Dennoch muss man trotz der vielen stützenden Elemente, des nicht gerade geringen Gewichts und des kleinen Bechers keine Hürde überspringen, um einen Ton erzeugen. Das lässt sich uneingeschränkt für die tiefe und mittlere Lage behaupten. Schwieriger wird es im oberen Register. Zwar sollte der erhöhte Widerstand da helfen, in den zwei Testwochen hielt sich aber der Eindruck, dass es graduell nach oben hin schwieriger wird, egal ob mit dem tiefen oder dem flachen Mundstück. Dass – wie eingangs erwähnt – einige Meister der hohen Töne das ganz anders sehen, muss als veritable Gegenstimme akzeptiert werden.

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Ein Stimmbogen in D-Form, zwei Stützen plus kleine Verstrebungen wie die im dritten Zug sorgen für Stabilität – und zusätzlichen Widerstand.

Intonationsprobleme gab es keine nennenswerten. Wer mit dem tieferen Mundstück spielt, was sich bei diesem Instrument beinahe aufdrängt, und das aber wie der TrumpetScout nicht ständig macht, wird merken, dass die stets kritischen Töne wie D2 oder E2 mit Sorgfalt angespielt werden müssen, damit man nicht abrutscht. Das ist aber kein Spezifikum dieses B&S-Modells.

„I feel love“ – der Klang der B&S 3125/2

Aber nun endlich zu dem, was einen zum Kauf dieses Instruments bewegen könnte: Kommen wir zu seinem Klang. Die Challenger 2 kam mit einer anderen B&S-Trompete ins Haus, wurde jedoch alsbald ausschließlich gespielt – und ausschließlich mit dem tieferen Mundstück. Mezzoforte war die beliebteste Gangart und schöne Melodien bzw. klassische Literatur das bevorzugte Programm. Warum? In der Mittellage und bei mittlerer Lautstärke entwickelt diese Trompete wahre Sirenenqualität – und damit sind nicht Alarmsirenen gemeint, sondern die aus der Odyssee, die einen mit ihrer Schönheit in den Bann ziehen. Der TrumpetScout dachte zuerst an Klarinettenklang, korrigierte dann aber doch hin zu Oboe. Wer nun von ‚hölzern‘ sprechen möchte, stolpert damit über die Gepflogenheiten unserer Sprache. Das Wort ist genauso negativ besetzt wie ‚blechern‘. Im Grunde geht es aber um diese Opposition: Auch andere, die die versilberte 25er im Blindtest hörten, kamen zum gleichen Ergebnis: „Die klingt gar nicht wie eine Trompete. Mehr wie eine Oboe.“ Hätte der TrumpetScout sie im Trompetenschrank, wäre sie sicherlich die erste Wahl für Trompetenduette und oder Stücke wie Bachs berühmtes Air. Einen ganzen Trompetensatz in einem Orchester sollte man damit ausrüsten. Aber dann wären die Holzbläser vielleicht beleidigt…



In der oberen Lage und mit flachen Mundstück ist klanglich vor dem Instrument kein nennenswerter Unterschied auszumachen. Die Trompete ist dann hell und klar, wenn auch nicht so laut wie manch dickwandigerer Kollege. Grundsätzlich hat sie in jeder Lage Kern und wenig Breite, was sicher den baulichen Maßnahmen wie Becherverlauf, Stimmzugform und Stützkorsett zu verdanken ist. Für die lyrische Qualität „im Reich der Mitte“ (was Lautstärke und Höhe anbelangt) versagen aber diese Beurteilungsraster. Sie ist ihr Alleinstellungsmerkmal – und irgendwie magisch (auch wenn diese Magie das Video nur bedingt einfangen kann).

Zum Schluss: Die Beantwortung der Fragen

Warum ist die 3125/2 nicht so beliebt wie die 3143/2 oder 3137/2 von B&S? Nicht, weil die Large Bore zu groß ist, vermutlich weil zu eng. Außerdem passen die 37er und 43er besser zu einer weitverbreiteten Trompetenklangvorstellung und lassen sich eben auch freier spielen. Damit hängt auch die nicht erfüllte Erwartung des TrumpetScouts zusammen. Er glaubte, eine kleine Trompete mit viel Widerstand und guter Projektion zu finden, die sich für den Einsatz im hohen Register eignet. Tatsächlich bot sie einigen Widerstand, war aber in der Höhe dennoch vergleichsweise zäh zu spielen. Dafür entpuppte sich das Instrument als ein regelrechtes Klangwunder in der Mittellage, das die Grenzen seiner Blechgattung bei Bedarf hinter sich lassen zu können scheint und verstehen lässt, warum z.B. auch ein Jazzer wie Roy Hargrove zu einem ähnlich gebauten Instrument griff.

Für knapp 1.800 Euro in der lackierten Ausführung und knapp 2.000 Euro im Silberkleid erhält man mit dieser Challenger 2 eine besondere Trompete im soliden Holzkoffer, die zu 100% Made in Germany ist. Kein schlechter Deal.

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What is she offering?,“Sweet wooden tones“

Your new girl friend?,“Ganz sicher, wenn du ein Holz-Fan.“

Preis?,1.800 Euro. Das ist nicht viel für eine oboeske Deutsche!
Dauerbeziehung?,“Bei Bedarf! Die Klangvorstellung muss passen?
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