What is what der Trompete: Bohrung, Teil 2 – Effekt

Die Bohrung der Trompete – wirklich zu vernachlässigen oder doch ein entscheidender Faktor für Spielgefühl und/oder Klang? In Teil 2 von „What is what“ zum Thema Bohrung macht der TrumpetScout die Probe aufs Exempel und testet zwei Instrumente, die sich nur in eben jener unterscheiden.

In Teil 1 zum Thema Bohrung wurde nicht nur erklärt, was sich hinter dem Begriff der Bohrung genau verbirgt, sondern gleich vorweg die Meinung vertreten, dass die Bohrung als einzelner Parameter landläufig weit überschätzt sei – viele Trompeter assoziieren damit einen großen, gewaltigen Ton und auch schiere Lautstärke. Um nun herauszufinden, welchen Einfluss das Rohrmaß zwischen Maschinenein- und -ausgang tatsächlich hat, verglich der TrumpetScout zwei Trompeten, die in allen Details exakt identisch sind – bis eben auf die Bohrung.

Battle of bores: ML vs. L

Die Wahl fiel auf die populären Xeno-Modelle vom japanischen Qualitäts-, aber auch Großserienhersteller Yamaha. Die YTR-8335 geht mit einer Bohrung von 11,65 Millimetern ins Rennen (ML), die YTR-8345 mit 11,73. Welchen Unterschied machen diese sechs Hundertstelmillimeter oder anders: 0,06 mm aus?

TrumpetScout_Bohrung ML vs L_1
Aus dieser Perspektive ist nicht zu erkennen, ob es sich um die „kleine“ YTR-8335 oder die „große“ YTR-8345 handelt. Lediglich die Gravur auf dem Ventilblock verrät die Bohrung.

Auswirkung der Bohrung auf das Spielgefühl

Kümmern wir uns zunächst um die Auswirkung auf das Spielen: Spürt man den Unterschied hinter der Trompete? Verändert sich der Widerstand, das Einrastverhalten? Nach munterem Trompetenmischen war es dem TrumpetScout nicht möglich, anhand des Anblasens (nicht des Anschauens…) herauszufinden, welche Trompete nun über die Large und welche über die Medium Large Bore verfügte. Keine wirkte größer oder kleiner, keine sprach signifikant besser an. Möglicherweise hat das mit dem flachen Mundstück zu tun, mit dem die Trompeten „zusammenarbeiten“ mussten, um den Verlauf von Ansprache und Ton über die gesamte Range zu analysieren. Möglicherweise kommt bei einem tieferen Exemplar der Unterschied stärker zum Tragen.

Weiß man dann, welche Trompete welche ist, schleicht sich das Gefühl, dass gerade im obersten Register das ML-Instrument bessere Dienste tut. Verlässlich ist dieser Eindruck aber nicht. Der Kopf spielt eine große Rolle. Auf jeden Fall ist der Schluss, der Einfluss der Bohrung auf das Spielgefühl sei gering bis vernachlässigbar, vertretbarer als das Gegenteil. Möglicherweise muss die Schere bei der Bohrung aber auch größer sein als die sechs Millimeter im Test, um sich auf das Blasgefühl auszuwirken.

Unterschied beim Klang: Large wie luftig, Large wie laut?

Begibt man sich nun auf die Vorderseite des Instruments, ist erstaunlicherweise ein großer Unterschied festzustellen. Die Aufnahmen im Video belegen, dass das Large Bore-Instrument im unteren und mittleren Register bei wenig Energie samtiger und zuweilen auch luftiger klingt, also weniger Kern hat als die nächste Verwandtschaft mit engerem Rohr. Fast scheint es, als sei ein anderes Mundstück verwendet worden, die Trompete tendiert mehr in Richtung Flügelhorn-Sound.



Spielt man lauter, gleichen sich die Trompeten einander an, die größere produziert aber irgendwann auch ein bisschen mehr Lautstärke und wirkt einfach größer, was sich Klassiker gerne wünschen, oder etwas ordinärer ausgedrückt: Der Ton wird fetter. Also doch? Large Bore heißt tatsächlich „mehr Bums“? Bevor sich nun alle Verfechter großer Bohrungen voreilig auf die Schulter klopfen und sagen: „Hab ich’s nicht gewusst?“ – das Video, gemacht mit einer Kamera und einem Mikrofon, die nur zwei Meter vom Schallbecher entfernt stehen, verfälscht eventuell die echte Spielsituation. Direkt beim Spieler kann die Trompete voller klingen, ob sie das aber auch noch 5, 10 oder 25 Meter davor tut, ist fraglich. Das weitere Rohr kann die Projektion negativ beeinflussen.

In der extremen Höhe scheint sich ein minimal geringerer Widerstand (den man im unteren Bereich kaum bis gar nicht spürt) bei der YTR-8345 doch bemerkbar zu machen. Man tut sich ein bisschen schwerer und der Klangvorteil schwindet auch. Die Penetranz der engeren YTR-8335 obsiegt ab der dritten Oktave.

Die Essenz des Vergleichs? Der Einsatzzweck entscheidet

Der TrumpetScout hat durch diesen Test verstanden, warum die berühmte Martin Committee in der Large Bore-Variante so viel beliebter ist als in der engeren. Weil Miles Davis sie spielte! Nein, das war natürlich schon vorher klar. Aber er hat kapiert, warum Davis die weitere der engeren vorzog: Sie entspricht mehr seinem Sound-Ideal. Denn tatsächlich begünstigt eine weitere Bohrung den luftigen Subtones-Jazz-Klang. Und auch in der Normallage bei normaler Lautstärke ergeben sich gewisse Vorzüge für das Ohr. Diese können aber auch einen Preis haben, z.B. eine schnellere Ermüdung durch einen höheren Kraftaufwand – dies ist aber ein Thema für einen weiteren Artikel. Für die obere und oberste Lage ist der größere Rohrdurchmesser nicht zwingend zu empfehlen (wenngleich es natürlich Spieler wie Tobias Weidinger und Thorsten Benkenstein gibt, die damit gut zurechtkommen), da klanglich kein großer Mehrwert herausspringt. Interessanterweise machten sich im Experiment mit den beiden Testmodellen keine nennenswerten Unterschiede im Spielgefühl bemerkbar.

TrumpetScout_Bohrung_ML vs L_3
Der eigentliche Mr. „Large Bore Sound“ höchstpersönlich: Miles Davis.

Die Wahl der Trompete soll zwar nie eine isolierte Wahl der Bohrung sein, sondern eine des Gesamtpakets. Wenn es aber – wie bei einigen Herstellern der Fall – die Wahl gibt zwischen größtenteils baugleichen Instrumenten, deren Zünglein an der Waage nur die Bohrung ist, sollte man sich der Trompete besonders stark als Hörer nähern und danach entscheiden, was man mit ihr musikalisch und stilistisch anstellen möchte.