What is what der Trompete: Projektion

Jeder Musiker will gehört werden, Trompeter ganz besonders. In manchen Umgebungen und Situationen ist das aber besonders schwer. Dann wird schnell der Ruf laut nach einer Trompete, die gut projiziert. Was aber ist das genau, Projektion und welche Faktoren beeinflussen dieses Phänomen? Der TrumpetScout hat nachgesehen: bei Trompete und Spieler.

Ein großer Saal, ein großes Publikum, eine große Band. Alles ist da, nur kein Mikrofon. Bei  einem Big Band-Gig ist das keine Seltenheit (bis auf das Publikum vielleicht…). Wer sich hier Gehör verschaffen will, braucht die richtige Strategie – schiere Kraft, die zu größerer Lautstärke und damit zu mehr Durchsetzungsvermögen verhelfen soll, ist nicht die Lösung. Die eingesetzte Energie muss effizient genutzt werden, sie soll den Sound zielgerichtet nach vorn schleudern, eben projizieren.

Was bist du: Regner oder Spritzer? Beides hat seine Berechtigung, je nach Situation und Absicht.
Was bist du: Regner oder Spritzer? Beides hat seine Berechtigung, je nach Situation und Absicht.

Von einer fundiert physikalischen Erklärung soll aus Gründen des Unvermögens Abstand genommen werden, drum muss eine simple, aber hoffentlich einleuchte Darstellung helfen. Der in der Bläsermechanik so oft zur Illustration herangezogene Gartenschlauch kann auch in diesem Fall helfen. Man stelle sich also einen Schwenksprinkler (in Fachkreisen Regner genannt) vor, der bevorzugt eingesetzt wird, um Rasenflächen zu wässern. Der spritzt bei einem gewissen Wasserdruck X gemütlich im Umkreis von ein zwei bis drei Metern rund um seine Position. Wird ans Ende des Schlauches nun eine enge Düse geklemmt, dann kann ein Strauch gezielt beschossen werden, der gut und gerne zehn Meter weit entfernt steht – trotz unveränderten Drucks. Rechts und links vom Strahl und vor allem hinter Düse bleibt aber alles trocken. D.h., die Energie wurde schlicht gebündelt. Das funktioniert auch bei der Trompete, aber wie?

 

1. Die Trompete: ein Stellrad der Projektion

Ausnahmsweise kann man einzig durch die Wahl der richtigen Trompete bzw. des Mundstücks in puncto Projektion einen relativ großen Effekt erzielen. Ein Beispiel aus dem Leben des TrumpetScout: Der hatte sich auf dem Flohmarkt eine alte Selmer Radial 75 zugelegt (ab und zu sieht man sie in der Titelbildgalerie dieser Webseite); eine schöne und vor allem sehr schwere Trompete aus den 60ern. Die Ansprache war dementsprechend nicht sehr gut und auch die Größe des Sounds war nicht überzeugend. Sich selbst hat man nicht gut gehört. In der ersten Band-Probe mit diesem Oldtimer war aber das Staunen groß, als die Kollegen (ohne Augen für Equipmentveränderungen wohlgemerkt) sich nach dem ungewohnten Sound und die dazugewonnene Lautstärke erkundigten. Die Auflösung: Die Trompete war nur hinter dem Mundstück leise und schmalbrüstig, vor dem Becher aber umso brachialer. Eine wichtige Erkenntnis an dieser Stelle ist also: Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung als Spieler und der Fremdwahrnehmung als Zuhörer im Publikum. In der Regel gibt es einen Zusammenhang zwischen der Projektionseigenschaft und der Rückmeldungseigenschaft einer Trompete: Je weniger man sich selbst hört, desto besser hören einen die Menschen vor einem.

Die Trompete: breit vs. eng und leicht vs. schwer?

Zurück zur konkreten Ursache im Beispiel: Die Selmer-Trompete war aus extrem dickwandigem Material gemacht und besaß einen recht engen Becher. Dies machte sie zu einer guten Düse für die Energie des Bläsers. Durch ihre stabile Konstruktion ging auf dem Weg des Rohrverlaufs nicht viel Energie in Vibration „verloren“.

...oder eher diese Stelle? Zwei Wunde Punkte bei der Tuning Bell-Konstruktion.
Schilke-Trompeten strahlen trotz geringen Gewichts nicht schlecht ab. Das hier gezeigte Modell ohne direkte Stabilisierungsstreben zwischen Becher und Mundrohr empfiehlt sich jedoch nicht.

Ganz anders die sogenannten „Papiertrompeten“. Die mit unter einem Kilo Gewicht extrem leichte Benge Claude Gordon beispielsweise war wegen der Leichtigkeit des Spiels, der superben Ansprache und des flirrenden Klangs ein sehr beliebtes Horn und wird auch heute noch gern verwendet – allerdings nicht in Live-Settings, sondern ausschließlich im Studio oder bei guter Mikrofonierung. Harry Kim spielte diese Trompete beispielsweise in der Phil Collins-Brass-Section, aber auch in der elektrisierenden Bläsermannschaft von Earth, Wind & Fire waren solche Modelle anzutreffen. Kein Problem, denn derart riesige Hallen wie bei Auftritten dieser Herrschaften spielt sowieso niemand unverstärkt aus.

Der TrumpetScout ist natürlich kein Trompetenbauer und wagt sich hier auch nicht mit einer dogmatischen Aussage auf dünnes Eis. Es gibt Trompeten, die gut projizieren, deren Design dies aber nicht vermuten lässt. Tendenziell aber (noch einmal: nicht grundsätzlich!) helfen ein enger Becherschnitt (ein Bach 1er oder25er Trichter dürfte besser projizieren als einer der Nummer 72), Kupfer als Schallstückmaterial, genügend Stützen und etwas mehr Gewicht bei der Verbesserung der klanglichen Weitwurf-Eigenschaften. Übertreiben darf man es dabei nicht – eine 2-Kilo-Trompete mit den Schwingungseigenschaften eines Granitblocks verspricht sicher keine Reichweite wie eine Mittelstreckenrakete.

Mundstück, Booster und schweres Geschmeide

Fast noch extremer als bei der Trompete selbst macht sich Gewicht beim Mundstück bemerkbar. Es gibt einige Trompeter, die mit einem schweren Mundstück spielen (so z.B. Thomas Gansch mit seinem Bach 3B Megatone). Dieses unterdrückt frühe Schwingung im Verstärkungsapparat Trompete und sorgt dafür, dass die Energie länger erhalten bleibt. Wahlweise kann man sich auch für einen sogenannten Booster entscheiden, also ein flexibles Zusatzgewicht, das zumeist am Mundstückstengel befestigt wird. Der Effekt ist der gleiche: Der Ton gewinnt an Kern und wird merklich penetranter. Dafür büßt man an Ansprechverhalten ein, der Widerstand erhöht sich, als positiver Punkt ist in aller Regel ein verbessertes Slotting zu verzeichnen. Der TrumpetScout hat das mit einem selbstgemachten übertrieben großen Booster getestet. Irgendwann ist es aber nicht mehr schön, Bandleader und Kollegen beginnen einen zu hassen!

Kein Booster mehr, sondern ein Totschläger für Ton und Kapelle. Zusatzgewicht am Mundstück macht sich stark bemerkbar. Hier muss umsichtig experimentiert werden.
Kein Booster mehr, sondern ein Totschläger für Ton und Kapelle. Zusatzgewicht am Mundstück macht sich stark bemerkbar. Hier muss umsichtig experimentiert werden.

Weitere Stellen für die Platzierung von Gewichten sind prinzipiell unbegrenzt vorstellbar. Ob eine massive Mundstückaufnahme, Heavy Caps, also schwere Ventildeckel, Clip-On-Gewichte an den Zügen oder dem Becher – alles geht und verbessert in der Regel die Projektion.

Stützen: leicht, aber effektiv

Eine weitere, feinere Möglichkeit die Projektion (und mit ihr verbunden Einrasteigenschaften) zu manipulieren, liegt im Bereich der Stützen – sei es zwischen Mundrohr, Becher und Maschine, den Rohren der Ventilzüge oder anderswo. Viele Besitzer einer klassischen Bach Stradivarius z.B. löten die Stütze(n) im Bereich des Stimmzugs aus – die Ansprache verbessert sich, die Projektion wird aber schlechter. Wer zu wenige Stützen hat, kann sie anbringen, zum Test am besten eine variable Stütze zum Schrauben. Große Wichtigkeit kommt besonders der vorderen (dem Trichter näheren) Verbindung zwischen Mundrohr und Becher zu. Rückt sie gegen die Maschine (gerne bei reversed konstruierten Stimmzügen), schwingt die Glocke freier, rückt sie weiter vor, verbessert das die Projektion. Auch hier gilt: nur verallgemeinert!

Wer ein Instrument mit wenig Stützstreben hat, kann mit variablen schauen, welche Veränderung sich einstellt. Das geht nicht nur beim Stimmbogen.
Wer ein Instrument mit wenig Stützstreben hat, kann mit variablen Stützen schauen, welche Veränderung sich durch mehr Stabilität einstellt. Das geht nicht nur beim Stimmbogen.

 

2. Der Spieler: ein ebenso wichtiger Faktor

Projektion hat auch zu tun mit dem, der projizieren will. Dabei spielt die Soundvorstellung im Kopf des Spielers eine wichtige Rolle. Will ich breit und fett klingen oder bevorzuge ich den punktuellen Klang? Für den TrumpetScout prägende Hörerlebnisse waren Konzerte mit dem amerikanischen Virtuosen Adam Rapa. In kleinerer Besetzung solierte er neben Thomas Gansch und dem englischen Hochton-Ass Bryan Davis. Mit Abstand war sein Ton in der ersten Reihe am größten. Bei einem anderen Konzert an gleicher Stelle mit Big Band war Rapa sowohl solistisch als auch als Leadtrompeter aktiv. Wieder in erster Reihe deckten sich die Eindrücke bezüglich seines Sounds. Ganz anders weiter hinten im Saal: Kollegen bezeugten einen spürbaren Abfall der Lautstärke, wenn Rapa die Leadstimme von seinem bekannten österreichischen Kollegen an der ersten Stimme übernahm: Andy Haderer. Dieser war zudem der zweite Gastsolist, klang aber „unter“ der Bühne nicht so stark. Hier trafen augenscheinlich zwei unterschiedliche Spielertypen zusammen, mit unterschiedlicher Philosophie – und auch unterscheidlichem Equiment (Rapas riesige Monette-Trompete ist hinreichend bekannt, Haderer spielte auf der feinen Yamaha 9335 Chicago).

Das Bild im Kopf: Rufen, nicht plärren

Neben der Vorstellung des Sounds spielt die Annäherung an die Aufgabe des Projizierens eine große Rolle. Wer möchte, dass seine Stimme in der Entfernung gehört wird, der schreit nicht wie ein Teenager, dem das Taschengeld gestrichen wurde, der ruft zielgerichtet. Wie so oft beim Spielen eines Kesselinstruments hilft dieses Bild dabei, eine minimale Veränderung bei der Tonerzeugung zu bewirken, die man über eine dezidierte Veränderung von Lippenöffnung, Zungenstellung o.ä. gar nicht bewusst herbeiführen könnte. James Morrison bedient sich dieser Analogie auf verständliche Weise in seinen Lehrvideo zum Thema Projektion:

Lautstärke: Find the sweet spot

Es klang oben bereits an: Nicht die schiere Laustärke ist entscheidend für die Reichweite und die Tragfähigkeit des Tons. Auch wenn um einen herum alle Trommelplatzen, draußen kann die Bemühung zu einem Lüftchen verkommen, alle Energie ist umsonst eingesetzt. Nach kurzer Zeit geht der Spieler ein, sein Ton leidet und auf Dauer nehmen vielleicht auch die Lippen Schaden. Um die optimale Resonanz des Instruments zu erzielen und mit dem optimalem Schwingungsverhalten auch die beste Projektion ist laut Roger Ingram, einem der größten Leadplayer überhaupt, ein Level von lediglich 70-80% der maximalen Kraft nötig. Seine Aufnahmen sprechen für ihn: Sein Ton wirkt nie fett und nach Ellenbogen, aber immer präsent und über der Band schwebend. Ein wichtiger Hinweis also, dem nachzugehen im Selbstversuch lohnt: den Punkt zu finden, an dem die Trompete am besten klingt und projiziert. Gerne auch im Kreise der Kollegen. Ein Überblasen ist – wie das Präfix bereits impliziert – auf jeden Fall zu vermeiden.

Mr. Laserbeam - treffsicher und strahlend, vielleicht auch so gut heraushörbar wegen der Frequenz seiner Töne: Roger Ingram.
Mr. Laserbeam – treffsicher und strahlend, vielleicht auch so gut heraushörbar wegen der Frequenz seiner Töne: Roger Ingram.

Fassen wir also noch einmal zusammen: Projektion ist keine Frage der Lautstärke, sondern der Soundvorstellung, der Spielweise, aber auch des Equipments – alles Rädchen, an denen man leicht drehen kann.