Eine wahre Alleskönnerin unter den Trompeten hat der TrumpetScout zuletzt in einer YTR-6335 von Yamaha (wieder)entdeckt. Doch die mittlerweile 40jährige Universalistin aus Japan hat auch eine jüngere Schwester. Die YTR-6345G ist noch leichter, verfügt über eine größere Mensur und ein Schallstück aus Goldmessing.
Zweieiige Zwillinge mit vielen Jahren Altersunterschied – das sucht man bei Menschen zum Glück vergebens. In der Welt der Trompeten kann das schon einmal vorkommen. Die YTR-6345G ist die nächste Verwandte der YTR-6335 (zur Genese der damit begründeten Modellfamilie und zum Paradigmenwechsel bei Yamaha einfach auch diesen Artikel lesen!) und so etwas wie eine jüngere Zwillingsschwester, die mit dieser Bezeichnung aber erst 13 Jahre später zur Welt kam. 1997 stellte der Industriegigant diese Variante vor und baut sie bis heute. Die Gemeinsamkeiten mit dem Schwestermodell sind zahlreich. Wo aber liegen die Unterschiede zwischen diesen beiden Trompeten aus Yamahas wenig beachtetem ‚Reich der Mitte‘? Darum geht es in diesem Artikel.
Zwei deutliche Unterschiede zwischen YTR-6335 und YTR-6345G
Kommen wir zunächst zum Offensichtlichen: Die Ziffer 4 an dritter Stelle des Modellcodes steht für eine Large-Bohrung. Yamaha gibt für diese Konfektionsgröße 11,73 mm an. Der TrumpetScout maß bei seinem Testinstrument an den zu den drei Ventilen gehörigen Innenzügen zwischen 11,75 und 11,8 mm. Das soll nun nicht heißen, dass Yamaha nicht akkurat fertigt. Die Abweichung dürfte im benutzten Messinstrument zu suchen sein. Was aber Relevanz hat, ist die Differenz zwischen der ebenfalls selbst vermessenen ML- Trompete und ihrer größeren Schwester.
Bei der YTR-6335 lagen die Messergebnisse im Mittel leicht über 11,7 mm. Der Unterschied liegt also bei rund einem Zehntel (Yamaha gibt aktuell 8 Hundertstel an, beim älteren 6335-Modell waren es nur 5). Was heißt das nun? Rein rechnerisch ergibt sich für die Querschnittsflächen beider Bohrungsvarianten eine Differenz von nur 1,86 mm² bei absoluten Flächen von 107,5 mm² bzw. 109,36 mm². Das ist nicht viel. Relativ betrachtet wird es noch weniger: Das Bohrungsmaß der YTR-6345G weicht noch nicht einmal um ein Prozent von dem der ‚kleineren‘ Trompete ab, bei der Fläche beläuft sich das Plus auf unter zwei Prozent. Kann man das wirklich spüren? Der TrumpetScout ist zumindest sehr skeptisch.
Unterschied Nummer 2 ist auch im Modellcode verankert: Das G am Ende steht für ‚Goldbrass‘, also Goldmessing. Der etwas höhere Kupferanteil in der Legierung gibt dem Material seine rote Tönung. Dieses Mehr an Kupfer macht Goldmessing nicht nur deutlich korrosionsfester (weshalb wahrscheinlich das Mundrohr bei beiden Schwestermodellen aus diesem Material gefertigt ist), sondern bewirkt vor allem klanglich viel. Ein Becher aus Messing klingt im Vergleich mit einem Becher gleicher Form, Stärke und Fertigungsweise aus Goldmessing oder gar Kupfer immer lebendiger. (Doch dazu gibt es einen dedizierten Artikel.) Das rötliche Material ist deshalb kein Totengräber für den Sound, es hat einfach andere Qualitäten: Goldmessing gibt dem Ton mehr Zentrum, mehr Stabilität, einen Rahmen und verändert zudem den Anstoß. Gelbmessing erzeugt ein anderes Frequenzspektrum, wodurch der Ton je nach Spielart, Lautstärke und Mundstück für manche Ohren ungehobelt, zu wild oder einfach nur penetrant schreiend wirkt. Wie dick das Material des Bechers gewählt wurde, lässt sich – wie immer – über Messwerkzeuge beim fertigen Instrument schlecht ermitteln. Ein Hinweis könnte eine andere Größe geben, die durchaus mensurabel ist.
Zwei versteckte Unterschiede in der YTR-63X5-Familie
Natürlich fanden die beiden Trompeten mit gleichem Ursprung auch den Weg zur Gewichtskontrolle. Und hier gab es eine kleine Überraschung: Die YTR-6345G mit Goldmessingtrichter – also aus einem Material mit höherem spezifischem Gewicht gemacht – ist rund 10 Gramm leichter. Das ist natürlich keine Welt, wundert aber definitiv. Dazu ist bei der leichteren Trompete noch ordentlich Lack vorhanden, wogegen die schwerere vollkommen nackt auf die Waage stieg. Wurde also der Becher aus dünnerem Blech hergestellt? Möglich ist das, zumal die YTR-6345G als Variante eben erst später von Yamaha im Zuge eines leichten Modellupdates der YTR-6335 nachgereicht wurde. Deshalb sei der Vollständigkeit halber angemerkt: Es könnte auch sein, dass eine YTR-6335 nach 1997 mit etwas kleinerer Bohrung) gleich schwer wie eine YTR-6345G ist – oder sogar noch leichter.
Unterschied 4 ist im Wesentlichen ein Betriebsgeheimnis. Zwar erzählte Thomas Lubitz von Yamaha, dass die größere Bohrung eine Anpassung des Becherschnitts notwendig machte, um Intonationsprobleme als Folge einer simplen Querschnittsvergrößerung im Ventilblock zu eliminieren und den Sound wie gewünscht zu formen. (Das heißt übrigens, dass die knapp 2% mehr Querschnittsfläche sich zumindest auf eine Weise bemerkbar machen!) Er sprach von einer Veränderung des konischen Teils sowie des Trichterausgangs. Was genau justiert wurde, ob der Becher nun weiter oder enger oder sogar beides verläuft – das verriet Yamaha nicht. Eine Messung des Durchmessers am Becherrand ergab eine minimale Abweichung: Die Large-Trompete ist diametral einen Millimeter kleiner.
So spielt sich die YTR-6345G
Was man sofort merkt: Die YTR-6345G ist ein leichtes Horn. Die zehn Gramm mehr machen die kleinere und ältere Schwester keinesfalls zu einem Klotz. Doch gefühlt ist zumindest das gutbenutzte Testinstrument noch einmal agiler und besser in der Ansprache. Hier dürften wohl alle Puzzlesteine zusammenwirken: Wahrscheinlich dünneres Blech beim Becher, etwas mehr Rohrdurchmesser in der Maschine und der etwas andere Becherverlauf. Das Ding ist spritzig, aber genauso für alle Mundstückcharakteristiken geeignet. Mit einem Flügelhornkessel auf einen Trompetenschaft klingt sie butterweich, mit einem mitteltiefen Mundstück ist sie hervorragend auch für das Bläserquintett geeignet und mit einem scharfen Oberteil auch für die Leadstimme in der Pop- oder Big Band geeignet. Für den TrumpetScout ist gerade die Ansprache im obersten Register hervorragend. die Trompete ist weder zu eng noch zu weit. Yamaha dürfte hier eine sehr gelungene Komposition der Materialien und Rohrverläufe gefunden haben. Die Trompete ist definitiv den Mehrpreis gegenüber einer YTR-4335G wert, die auf den ersten Blick sehr ähnlich aufgebaut ist.
Während des Testens ergab sich eine andere Assoziation durch Gewicht und Bauweise: Der TrumpetScout dachte oft an eine Benge 3X+. Ähnlich konstruiert, gebohrt und zurückhaltend auf der Waage. Nur zeigte das Intonationsverhalten – anders als bei den Vintage-Hörnern aus Chicago respektive Burbank – bei der Yamaha keine Blöße und die Ventile waren selbst nach 15 Jahren der Nichtnutzung im speziellen Fall von der ersten Bedienung an ohne Fehl und Tadel: extrem leichtgängig, schnell und fast so dicht wie bei einem Neuinstrument.
Yamaha YTR-63: 35 oder 45G – das ist hier die Frage!
Wenn der TrumpetScout nun die Entscheidung fällen müsste, sich entweder die eine oder die andere zuzulegen – er würde wohl am liebsten davonlaufen. Die kleinere YTR-6335 hat etwas mehr Widerstand und slottet vielleicht ein bisschen besser. Man wird etwas klarer geführt und möglicherweise hat die Trompete etwas mehr Kern. Aber man merkt es an den relativierenden Adverbien: Groß ist der Unterschied nicht. Augenblicklich lässt der über das reine Gewicht hinausgehende Eindruck der allgemeinen Leichtigkeit den Ausschlag in Richtung YTR-6345G erfolgen – trotz der oft schon vorgetragenen Präferenz gegenüber dem gelben Blech. Es ist eine tolle Allroundblasmaschine, die trotz der im konkreten Fall deutlichen Spuren eines längeren Lebens als nicht-scheckheftgepflegtes Kofferinstrument nach einer gründlichen Überholung so viel Spaß an jeglicher Art von Musik macht, dass man sich an dieses Instrument gar nicht zu gewöhnen braucht. Beim TrumpetScout war es Verzückung auf den ersten Ton!
Du bist viel auf den Gebrauchtbörsen unterwegs und fragst dich, wie sich die ganzen Trompeten dort eigentlich spielen? Der TrumpetScout kauft laufend alte Instrumente, um sie dir näherzubringen. Das kostet aber nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Du kannst die Testartikel mit deiner Spende unterstützen. Geht ganz einfach: paypal.me/trumpetscout! Danke – jeder Euro zählt!
Neu bezahlt man für die lackierte Version aktuell um die 2.100 Euro. Gebraucht lässt sie sich nur schwer taxieren – das Angebot ist mau. In gutem Zustand sollte sie (einem) aber definitiv 1.000 Euro wert sein. Falls gut in Schuss und gleichzeitig auch noch jung an Jahren, darf’s auch etwas mehr sein. Für den TrumpetScout eine echte Alternative zu den deutlich massigeren Xeno-Modellen aus dem eigenen Hause bzw. zur schweren eigenen Schwester, der YTR-6345HG.