Keine Einbußen bei der Sicherheit im oberen Register, keine geringe Lautstärke, kein schwächlicherer Klang – aber verbesserte Ausdauer. Geht das überhaupt? Der TrumpetScout hat sich nach Alternativen beim wichtigsten Ausrüstungsgegenstand umgesehen: dem Mundstück.
Das Bindeglied zwischen Mensch und Trompete, der Teil, in dem die Tonerzeugung tatsächlich passiert, ist beim TrumpetScout seit einigen Jahren ein Warburton 7ESV-Kessel in Verbindung mit verschiedenen Stengeln. Es zeichnet sich aus durch einen geringen Durchmesser (16 mm), einen relativ schmalen Rand und einen steilen Übergang von Rand hin zum Kessel aus. Diese gefühlt scharfe Kante sorgt für das sogenannten „Bite“-Gefühl: Das Mundstück fixiert sich quasi von selbst auf den Lippen, verrutscht nicht und dieses Schraubzwingenartige erzeugt Sicherheit. Nachteil: Schmaler Rand und scharfe Kante belasten die Lippen sehr, der Druck verteilt sich auf verhältnismäßig wenig Fläche. Rasche Ermüdung, im Extremfall gar Verletzung, ist die Folge.
Spielraum innerhalb der schmalen Kompromisszone
Mehr Rand verschlechtert die Griffigkeit des Mundstücks, ein flacherer Winkel aus dem Kessel heraus vergrößert gefühlt den Kesseldurchmesser, und wer auf einen kleinen Kessel Wert legt, kommt damit auch nicht zurecht. Man muss also Prioritäten setzen oder bereit sein, einen Kompromiss einzugehen. Unter Umständen bringt ein leicht breiterer Rand viel mehr Ausdauer als er Einbußen auf der „Bite“-Seite bringt. Es hilft nur testen…
Der erste Alternativkandidat ist das Modell Haas von Hammond Design. Es ist mit 16,46 mm ein wenig weiter als das Warburton (zur Erinnerung: 16,00 mm), nicht ganz so seicht (ESV steht bei Warburton für „extra shallow V-shape“) und zeigt einen weicheren Rand-Kessel-Übergang. Die Parameter des Mundstückoberteils ähneln beim „Haas“ also denen des 7ESV von Warburton, differerieren aber genügend um die Auflagefläche zu vergößern und damit die Ausdauer zu verbessern. Wie schaut es aber mit der Komponente Widerstand aus, die sich maßgeblich auf die Soundqualität, aber auch Höheneignung auswirkt?
Widerstand: Kessel, Seele und Backbore
Der Kessel ist wie bereits erwähnt beim Haas nicht ganz so flach wie beim 7ESV, weißt aber auch ein V-Form auf. Sein Volumen dürfte kaum größer sein als beim Pendant von Warburton. Das Potenzial zur Kompression, das Voraussetzung für leichteres Spielen in der Höhe ist, ist damit vergleichbar. Einen starken Unterschied erkennt man bei der Seele, der schmalsten Stelle des Mundstücks. Was auf Englisch bildhaft throat (dt. ‚Kehle‘) heißt, ist beim Mundstück von Hammond sehr viel enger. Augie Haas, der Namensgeber, schreibt auf seiner Webseite, dass es sich um die Kehle #28 handelt. Hammonds Liste endet auf der engen Seite jedoch bei 27! Es wird wohl kaum kleiner gehen. Dennoch wirkt das Mundstück beim Spielen nicht wie verstopft. Das kann aber auch nicht an einer besonders weiten Düse (so sei hier der vielen nur als backbore bekannte Schaftverlauf genannt), denn auch hier ist die #1 das Engste, was der Hersteller zu bieten hat. Der Vorteil liegt laut Hersteller im Klang: „A tight backbore for a bright and edgy sound.“
Beim Warburton kamen bisher zum Einsatz die auf Effizienz getrimmte NY-Backbore (angelehnt an ein Maynard Fergusons Giardinelli-Mundstück) und die weiteren Stengel mit den Nummern 8 und 9. Kleinere Nummern machen den Ton zwar schärfer, aber auch leiser und dünner. Im obersten Register ist der Widerstand im Einzelfall dann schlicht zu groß.
Ein Gigtest steht zwar noch aus, aber das Hammond Haas hat einen guten ersten Eindruck hinterlassen – und der ist bei Mundstücken mehr wert als bei Trompeten! Der Preis ist übrigens auch nicht unerfreulich. 100 Dollar dirket bei Augie Haas gehen in Ordnung. Insidertipp: Es gibt eine hohe Fertigungsstreuung.
Good for Wayne could be your pain
Das zweite Testmodell kommt vom ebenfalls amerikanischen Mundstückspezialisten Gary Radtke. Es handelt sich dabei um ein Mundstück der Signature-Serie für den Studiogott Wayne Bergeron und heißt schlicht WB Studio.
Dieses Hauptwerkzeug der lebenden Leadtrompetenlegende ist natürlich für den Einsatz im oberen Register gemacht. Sein Durchmesser entspricht dem des Referenzmodells von Warburton ganz genau, fühlt sich aber vornehmlich durch den viel breiteren Rand anders an. Die Angabe „Bite: Soft“ verrät bereits eine Idee des Konzepts: die Lippen sollen geschont werden.
Der entscheidende Unterschied macht sich aber erst beim Spielen unter Druck bemerkbar. Der Widerstand ist beim GR trotz des kleinsten angebotenen Kessels sehr viel geringer als bei 7ESV und Haas, was sicher vielen TrompeterInnen das Bühnenleben in der Höhe und auf die Dauer zur Hölle macht. Das Mundstück wirkt – wie übrigens Wayne Bergerons Trompete auch – sehr offen. Ihm scheint das ganz offensichtlich nichts auszumachen. Die Tauglichkeit für viele andere ist – milde gesprochen – zu bezweifeln.
Der breite Rand ändert nichts daran: Diese Alternative ist keine – zumindest in den Augen des TrumpetScout. Der Preis unterstreicht das freundlicherweise. Auf Wayne Bergerons Webseite kann man das Meisterstück erwerben – für satte 230 Dollar plus Versand.
Fazit
Abschließend muss das Urteil nach nur kurzem Test lauten: Das Ansetzgefühl ist bei allen dreien ähnlich. Das GR tanzt durch seinen breiteren Rand noch am ehesten aus der Reihe. Beim Spielen werden die Unterschiede deutlicher: Warburton und Hammond gehen sehr leicht und brauchen durch ihren relativ hohen Widerstand wenig Luft, das GR wirkt gar nicht wie ein typisches Leadmundstück, es setzt dem Luftstrom nicht sehr viel entgegen. Es ist auch mit Abstand das Schwerste. Sein eingebauter Booster dürfte die Schwingungen bei der Klangerzeugung reduzieren und somit bei der Projektion gegenüber den Leichtgewichten von Warburton und Hammond besser abschneiden. Zumindest in der Theorie. Das Haas zeigte schwächen bei der Tonqualität von C1 bis D1. Als entlastendes Leadmundstück hat es dennoch vorerst das Rennen gemacht – und sich für einen Langzeittest qualifiziert.