Junges Horn, alte Qualitäten? Die Conn Vintage One (1B)

Wirklich neu ist die Vintage One von Conn nicht mehr, aber gemessen an der über 100jährigen Trompetengeschichte der Marke gerade einmal der Pubertät entkommen. Ein ausführlicher Test und Hintergrund-Check soll beleuchten, wie viel Tradition und welche Qualitäten im aktuellen Spitzenmodell des Conn-Sortiments schlummern.

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Eine strahlende Schönheit, die aber nicht auf den ersten Blick an DIE klassische Conn-Trompete erinnert. Das ist die Conn 1B Vintage One.

Der TrumpetScout hatte im Leben schon einige Connies, wie Conn-Trompeten – vornehmlich vom Modell Connstellation – unter Trompetern liebevoll genannt werden. Das lag zuvorderst am ersten wirklich prägenden Lehrer. Der spielte seit drei Jahrzehnten alles auf einer 38B, war aber vornehmlich bekannt für seine extreme Höhe. Kein Wunder, dass er gerne sagte: „Andere Trompeten machen nach oben hin zu, aber die Connstellation ist anders. Je höher es geht, desto mehr macht sie auf.“ Das wurde natürlich für bare Münze genommen, so gut wie alle Schüler spielten irgendeine 38B. Höher spielen konnten sie deshalb natürlich nicht. doch es war schon etwas dran an der Einzigartigkeit der für viele prototypischen Conn-Trompete. Spielte jemand ein Solo auf dem vernickelten Schwergewicht, konnte man das tatsächlich blind erkennen. Die Trompete war sehr klangdominant.

Irgendwann in den 90ern war dann Schluss mit der Produktion der 38B, die zwar am Ende ihres Lebens noch eine entsprechende Gravur trug, sich aber von den Modellen der 50er bis 70er Jahre, die den Ruhm begründeten (wenngleich keine wie die andere spielte), spürbar unterschied. Grund waren sicher auch die vielen Eigentümer-Wechsel. Der glorreiche und einst weltgrößte Instrumentenhersteller verkam zu einem Markenspielball in einem sich durch Übernahmen auf wenige Player konzentrierenden Marktumfeld. Seit 2003 gehört C.G. Conn zum Giganten Conn-Selmer und ergänzt dort neben ehemaligen Konkurrenzmarken wie Bach, King oder Holton dessen Portfolio.

Rückbesinnung: die neue alte Conn-Trompete

Doch noch zuvor, in der Ära des Eigentümers United Musical Instruments (UMI), wurde kurz nach der Jahrtausendwende die Conn Vintage One vorgestellt, eine Trompete, die den alten Zauber wieder beleben sollte. Die Marketing-Strategen waren da eigentlich ihrer Zeit voraus, schließlich ist das Attribut ‚Vintage‘ (zumindest bei uns) erst in den letzten zehn Jahren zur Alltäglichkeit (Vintage-Sound, Vintage-Möbel, Vintage-Look etc.) geworden. Also schon mal ein guter Anfang in puncto Rückbesinnung – schließlich war man bei Conn früher ja auch stets avantgardistisch, wenngleich eher im Bereich der technischen Innovationen.

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Wohl so etwas wie ein primäres Erkennungsmerkmal einer Conn: die senkrechten Stützen im ganz „zeitstabilen“ Design.

Beim Design beleben auf jeden Fall die orthogonalen Stützen zwischen Mundrohr und Becher das alte Bild der unverwechselbaren Conn, die Mundstückaufnahme erinnert an ganze alte Modelle aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Äußerlich anders als bei der berühmten Connstellation: Es gibt keinen Trigger am ersten Ventilzug, keinen Wide wrap und das Mundrohr endet ungefähr da, wo auch der Becherbogen seinen Scheitelpunkt hat.

Conn Vintage One: Einteiliges, aber gehämmertes Schallstück

Bleiben wir beim Becher. Conn hat da schon sehr früh experimentiert und – womöglich als erster Hersteller – elektrolytisch nahtlose Schallstücke in Serie erzeugt. Auch waren zweiteilige Konstruktionen auch bei den Top-Modellen üblich. Bei der Vintage One geht man den konventionellen Weg: Ein passend zugeschnittenes Metallstück wird zu einem Schlauch verlötet und dann in Form gebracht. Zur Verfügung stehen die Materialien Messing (wie in der Testversion der Conn 1BSP, wobei „SP“ die versilberte Oberfläche anzeigt) und Goldmessing (Conn 1BR) – mittlerweile nicht mehr lieferbar ist Sterlingsilber. Durch diesen Fertigungstyp ist zwar eben wieder weiter weg von einer Connstellation (den Namen gibt es übrigens noch für das deutlich günstigere Modell 52B, das – heute aber eher auch Kostengründen – einen nahtlosen Becher hat), aber die alleine macht eben nicht das Vermächtnis der Conn-Trompetenhistorie aus.

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Keine Eigenheit, sondern eine Folge der Zusammenlegung: Den eigentümlichen Verlauf und weiten Bogen des ersten Zuges kennt man z.B. auch von der Neuauflage der King Silver Flair.

Bei der Maschine werden Konzernverwandschaften deutlich: Der Ventilblock sieht sowohl bei der Conn 1B, der eben erwähnten 52B und der King Silver Flair 2055T gleich aus – wenngleich bei der Vintage One die Bohrung mit 11,66 Millimetern am kleinsten ist. Der Verlauf des ersten Ventilzugs mit großem Abstand zwischen den beiden Rohren und einer ins Auge stechenden „Schräglage“ ist allen Instrumenten gleich. Jene ist Folge eines verkürzten Ventilwegs, der den Luftstrom weniger lang unterbricht. Es wird also schneller umgeleitet.

Warum nun aber eine ML-Bohrung? Conn hat doch vor allem die kleinen Maße ausgezeichnet. Siehe oben: Oft, aber nicht nur. Abgesehen davon ist die Bohrung eben nicht so wichtig, wie viele Spieler glauben – warum sie dann mit einem heutzutage exotischen Maß abschrecken und den Verkaufserfolg damit unnötig gefährden?

Feinabstimmung ist bei der Conn 1B „inklu“: MWV und Wechselstimmzug

Die Ventildeckel liegen bei gedrücktem Ventil nicht auf dem Zylinderdeckel auf, sondern versinken zumindest teilweise darin. Das kann sich für den ein oder anderen ein wenig merkwürdig anfühlen. Einen echten Unterschied macht das aber nicht. Sehr wohl Einfluss auf das Spielgefühl und auch auf das Einrastverhalten nehmen dagegen Gewichte an den Büchsen, worüber der TrumpetScout bereits gesondert Berichtete. Diese Gewichte sind bei der Vintage One Teil des Lieferumfangs. Man geht bei Conn sogar noch einen Schritt weiter: Masse lässt sich modular, in Bausteinen anbringen. Dank dem „Modular Valve Weight System“ (MVW) hat der Spieler vier unterschiedliche Beschwerungen pro Ventil zur Verfügung, indem er auf die Standarddeckel unten entweder kein oder ein Gewicht schraubt oder gleich zu einem Heavy Cap greift oder gar dieses noch mit zusätzlichem Metall massiger gestaltet.

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This is MVW! Ganz links ist das Anschraubgewicht, in der Mitte der Heavy Cap und rechts die Kombination von beidem. Der normale Deckel verblieb während der Aufnahme bei der Trompete.

Das ist aber noch nicht alles. Im oben sichtbaren Täschchen finden nämlich nicht nur die Gewichte Platz sondern auch noch ein alternativer Stimmzug. Conn gibt dem Spieler seines aktuellen Flaggschiffs also zwei Formen an die Hand und dafür kann man sehr dankbar sein. Keine Maßnahme, die so minimalinvasiv ist (nicht nur voll reversibel, sondern überhaupt nicht aufwändig), hat einen solch großen Effekt. Der D-Bogen erhöht den Widerstand, verbessert das Slotting und zentriert den Ton spürbar, der C-Bogen dagegen reduziert den Widerstand, verbessert das Ansprechverhalten und macht den Ton flexibler.

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Gewusst? Zwei Stimmzüge können aus einer Trompete zwei machen.

Diese beiden Stellräder erlauben eine sehr individuelle Anpassung ohne Arbeitseinsatz oder Wertminderung. Vorab ein Lob für diese Möglichkeit.

Amado- und konventionelle Wasserklappen + Zuglösung

Weitere äußere Merkmale sind: Ringe statt Daumenhaken und Daumensattel (es befinden sich also derer drei an den „Haltestellen“), kein Auslassventil am dritten Zug (stattdessen ein weiterer Zug wie bei der Bach Stradivarius), dafür dort eine einfache Feststellschraube, und zwei Ventilarten an den Stimmbögen. An der D-Variante befindet sich eine konventionelle Klappe und am C-Pendant ein Amado-Auslass.

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Das Spielgefühl der Conn 1B Vintage One

Das erste Anblasen war… desillusionierend. Mit welchem Bogen das geschah – vergessen. Die Trompete war nicht zu klein, bot aber auch nicht das tolle Ansprechverhalten eines sehr großen Horns. Der Effekt: „Bonjour tristesse!“ Der TrumpetScout hatte sie vom Test vor vielen Jahren einfach attraktiver in Erinnerung. Außerdem machte die Stimmung Probleme und so kam es, dass ein zeitgleich zum Test daliegendes Instrument bald die ganze Spielzeit in Beschlag nahm.

Als andere Trompeter aber auf der 1B spielten, lobten sie deren Offenheit und Leichtigkeit im oberen Register. Sie bekam dann endgültig wieder Chancen, als es Zeit für das Testvideo wurde. Gerade im direkten Vergleich wurde deutlich, dass es sich um eine sehr ausgewogene und universelle Trompete handelt, die sowohl im unteren Bereich funktioniert, in der Mitte und auch ganz oben. Im Grunde hatte sich der erste Eindruck nicht wesentlich verändert, nur die Perspektive auf die Feststellung „Widerstand mittendrin“. Welche Dimension das Schallstück hat und was sich hinter der Bezeichnung „46“ des Mundrohres verbirgt (auf besonderen Wunsch lassen sich heute noch #34 und #50 direkt beim Hersteller ordern, anfangs waren sie anscheinend regulär lieferbar), blieb dem TrumpetScout verschlossen. Das Zusammenspiel der Komponenten und das Gewicht im oberen Mittelfeld (1.120 Gramm) ergibt auf jeden Fall ein ausgewogenes Produkt.

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Alles alt: das Design der Zwinge und auch die urige Modellbezeichnung der Vintage One von Conn.

So kam es, dass dann plötzlich die Liebe entflammte und die Vintage One ausschließlich gespielt wurde – bis zur Rückgabe. Oft war übrigens der runde Stimmbogen eingeschoben, weil damit die Trompete besser ansprach. Für die maximale Effizienz war aber immer das D-Rohr die erste Wahl, für die maximale Höhe natürlich ebenso. Notiz am Rande: Das A3 liegt der Conn 1B in den Genen.

Ein Wort zu den Ventilen: Gehakt haben sie nie, aber es gibt Vertreter, die sich besser anfühlen und auch schneller laufen.

Der Sound der Conn 1B: Alt, traditionell oder einfach amerikanisch?

Als der TrumpetScout die 1BSP – augenscheinlich handelt es sich beim Testinstrument um die Silberversion –  einem befreundeten Trompeter bei der „Blinderhörung“ präsentierte, sagte jener nur: „Amerikanisch halt.“ Und ja, dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Die Vintage One ist hell, metallisch, hat aber mehr Kern als eine Getzen und ist weniger nasal als eine Benge. Eigentlich kommt eine klassische Bach dem Klang schon nahe. Das kann man mögen (wie viele Spieler auf der Welt), kann es aber auch langweilig oder gar penetrant und unangenehm finden.



Fanfaren liegen dem Instrument naturgemäß und die ganze Bandbreite von dem, was man gemeinhin als Brass-Musik versteht. Man kann jeder Trompete warme Töne entlocken, so auch dieser Conn. Die große Stärke des Modells sind solche Klangfarben aber nicht. Vielleicht in der 100 Euro teureren Goldmessing-Ausführung? Als 1B(SP) lautet die Devise aber sicher: Damit besser in der Big Band blasen als ein Flügelhorn ersetzen wollen. Universeller, da breiter als die zeitgleich getestete XO 1600i ist sie auf jeden Fall, dafür trägt sie aber – ohne Zusatzgewichte – den Schall weniger schneidend ins Publikum.

Vintage aber nicht angestaubt: die Conn 1B Vintage One ist ein vielseitiges Instrument

Zu welchem Schluss haben den TrumpetScout die Wochen mit der neuen Connie gebracht? Der Name zumindest ist eine Hypothek, denn eine Nummer 1 gab es beim Hersteller mit den „B-Trompeten“ offiziell nicht. Somit schließt die Vintage One eine uralte Lücke, legt sogar so etwas wie einen Grundstein a posteriori in der Modellnomenklatur. Eine zu große Last? Nein, eigentlich nicht. Die Trompete ist nicht nur durch die immensen Verstellmöglichkeiten ( 3 hoch 4 mal 2? – das sollen die Mathematiker lösen… ) vielseitiger als eine Connstellation, sie stimmt auch, wenn man sich an sie gewöhnt hat, klingt in jeder Lage souverän und geht in der Höhe ab wie Schmitts Katze. Insofern behielt der alte Lehrer doch teilweise recht: „Viele Trompeten machen nach oben hin zu, aber eine Conn, die geht auf.“

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What is she offering?,“MVW, 2nd tuning slide, easy upper register“

Your new girl friend?,“Eine anpassungsfähige Begleiterin.“ 9/10

Preis?,2.600 Euro. Kein schlechter Kurs!
Dauerbeziehung?,“Was spricht dagegen? Du kannst an ihr herumschrauben!
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