Bach 10-1/2S: das neue TrumpetScout-Lead-Mundstück

Manche Trompeter spielen auf einen Mundstück Jahrzehnte oder gleich ihr ganzes Leben. Einige wechseln quartalsweise die kleine Schüssel auf der fieberhaften Jagd nach mehr Ton, Ausdauer oder Höhe. Die meisten stellen aber wohl nach Jahren um, weil sie sich selbst verändert haben. Es gibt aber auch noch eine vierte Möglichkeit…

Eine ungewöhnliche Gravur für ein Bach-Mundstück. Bislang reichte der Buchstaben-Code nicht bis S.

Genauso wie im Artikel über das aktuelle „tiefe“ Mundstück des TrumpetScout sei auch hier vorausgeschickt: Auf dieser Webseite werden Trompeten getestet, aber keine Mundstücke. Physiognomie und Spielweise der einzelnen Spieler sind so individuell, dass des einen Lippenfreude des anderen Lippenuntergang sein kann – vor allem im hohen Register. In diesem Beitrag geht es deshalb nur um die persönlichen Erfahrungen des Autors mit seinem neuen Top-Teil.

Wechsel aus Unzufriedenheit? So kam es zum neuen Lead-Mundstück

Wie einige TrumpetScout-Leser und vor allem -Zuseher wissen, kam seit Bestehen dieses Magazins (und sogar noch länger – wahrscheinlich seit 2010, genau sagen lässt es sich nicht mehr) ein Warburton-Kombinationsmundstück mit 7ESV-Oberteil und wechselnden Stengeln bei den hohen Tönen und den langen Gigs zum Einsatz. Die Ziffer zu Beginn steht bei Warburton für den Innendurchmesser des Mundstücks, 7 entspricht 16 Millimetern. ESV steht für „Extra Shallow V-Cup“ und meint damit auf der einen Seite zwar den seichtesten Kessel, den der Hersteller anbietet, allerdings wieder relativiert durch die leichte Trichterform. Ein ES fühlt sich definitiv flacher an. Der Rand ist ausreichend breit, um nicht einzuschneiden, bietet aber noch genügend Flexibilität – es gibt ihrem Charakter nach deutlich stärkere „Klobrillen“! Anfangs wurde dazu eine NY-, später dann eine 7er- und zuletzt eine 8er-Backbore benutzt. Versuchsweise wurde auch eine eine 9er angeschraubt, mit der der Ton hörbar fetter war, aber die Kraft dementsprechend auch schnell am Ende. Der Kompromiss 7ESV / 8 setzte sich in der Praxis also durch.

Im direkten Vergleich wird deutlich, dass die Gesamtlänge des alten Warburton kürzer ist als die des neuen Bach. Auch der Schaftbereich in der Mundstückaufnahme dürfte beim Bach länger sein, die Gap damit kürzer.

Probleme gab es nur in Verbindung mit bestimmten Trompeten. Mit einigen Modellen harmonierten das Warburton und der mittlerweile entlackte Stengel überhaupt nicht, was zu Stimmungsproblemen führte und zu Nebenfrequenzen gerade bei tiefen Tönen. Ein solches Kombinationsfiasko führte nun auch zum neuen Mundstück. Beim Besuch der Bach-Produktion in Elkhart wollte partout mit dem Warburton keine Freude beim Probieren der Trompeten aufkommen. Die Töne sprachen schwer an und das obere Register war wie versperrt. Der TrumpetScout war ratlos. Abhilfe kam in Form neuer Mundstücke, die Bach gerade erst in den USA vorstellte und die dort zum Werksverkauf auslagen. Ihre bezeichnenden Buchstabe in den USA: ein S für „shallow“ und ein MV für „modified V-cup“. Namenszusatz: Commercial, genau wie bei der neuen leichten Trompete von Bach. Plötzlich strahlten die Trompeten regelrecht.

Das macht die Commercial-Mundstücke von Bach aus

Ein Bach-Mundstück für den knalligen Ton kam für den TrumpetScout noch nie in Frage, wiewohl auch sonst nur für wenige Big Band-, Funk- oder Popbläser. Wer kennt einen Trompeter, der sich auf höchstem Niveau in diesen Genres bewegt und auf einem Bach-Mundstück spielt. Okay, Thomas Gansch und Arturo Sandoval sind die berühmten Ausnahmen der Regel. Grundsätzlich gilt aber: Bach-Hörner ja, Mundstücke nein. Denn selbst ein flacher D- oder E-Kessel bringt (nach TrumpetScout-Meinung) die Trompete nicht zum Singen und die Randkontur sorgt für eine punktuell sehr hohe Belastung.

An genau diesen (Kritik-)Punkten wurde für die Commercial-Serie nun gefeilt oder passender: CNC-gefräst. An der Entwicklung beteiligt war Rich Wetzel, ein amerikanischer Trompeter, der sich vorwiegend im oberen Register bewegt. Er bestätigte auf Anfrage folgende Änderungen: Neben den kleineren und etwas anders geformten Kesseln (der MV-Cup ist leicht voluminöser als der S-Cup, beide sind aber nicht groß, bieten also genügend Widerstand), wurde die Randkontur so modifiziert, dass die Innenkante nun etwas weicher aus-, der Rand also sanfter abfällt und nicht mehr in den Kessel stürzt. Der sogenannte Alpha-Winkel ist nun größer. Dadurch fühlt sich das Mundstück etwas größer an als der angegebene Durchmesser verheißt. (Es stellt sich aber grundsätzlich die Frage, wo man den inneren Durchmesser erfasst, schließlich ist das ganze Mundstückprofil bei modernen Exemplaren verlaufend.) Die Durchmesser sind nominell aber die gleichen wie bei den althergebrachten Mundstücken. Ein 7S z.B. ist also wie auch ein 7C diametral 16 mm groß, wirkt aber eben ein wenig weiter.

Durch die fehlende Versilberung im alten Mundstückkessel rechts scheint der Unterschied groß, doch sowohl Randbreite und -kontur als auch Bohrung gleichen sich zwischen Bach 10-1/2S und und Warburton 7ESV/8.

Die Bohrung, also der engste Punkt im Mundstück, blieb unverändert. Man griff bei Bach auf das Standardmaß von 3,66 mm (#27) zurück – wie übrigens auch in der Warburton-Produktion. Die Backbore, also der Kanal im Stengel, öffnet sich bei den Commercial-Mundstücken hingegen etwas langsamer, was den Widerstand etwas erhöhen dürfte. Mit Bestimmtheit lässt sich das aber nicht sagen, da die Komplexität der Aerodynamik auch in einer Trompete nicht zu unterschätzen ist.

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Eine optisch leicht erkennbare Veränderung betrifft das Äußere: Wie von der Megatone-Serie bekannt, erhalten nun auch die Lead-Mundstücke einen eingebauten Booster, sprich mehr Masse. Das verbessert die Projektion und erhöht das Penetranzvermögen. Der Ton wird aggressiver und kerniger. Naturgemäß leidet die Ansprache dadurch ein bisschen. Das Masseplus jedoch nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei den schon länger auf dem Markt sich befindlichen Megatone-Modellen.

Hier wurde nicht abgespeckt sondern angefressen: Die Commercial-Mundstücke von Bach haben mehr Material, also auch Gewicht.

Zusammengefasst: Die Commercial-Mundstücke sind alle seicht, ihr Rand ist flacher als der regulärer Bach 351-Modelle (so heißen die „normalen“ Mundstücke offiziell), ihr Stengelverlauf ist im Vergleich weniger schnell öffnend und das Gewicht deutlich höher.

Wie fühlt sich das neue Mundstück an?

Die meisten Trompeter sind bei ihren Lippen so sensibel wie eine Briefwaage. Eine kleine Veränderung und die Welt scheint sich nicht wie gewohnt weiter zu drehen. Der Griff zum 10-1/2S erfolgte bei der Premiere einfach nur, weil es gerade da war und die Zeit knapp. Es wirkte ein wenig kleiner im Durchmesser als das gewohnte 7ESV. Und tatsächlich, Bach gibt dafür 15,11 mm an. Das ist schon sehr wenig und nach Zahlen ein gewaltiger Sprung von 16 mm aus betrachtet. Viele Hersteller bewegen sich in Viertelmillimeterschritten durch ihre Nomenklaturen. Da entsprächen 0,89 mm ja schon stolzen dreieinhalb Größen. Durch die sanftere Innenkante subtrahiert der TrumpetScout sensorisch aber maximal ein Viertel. Und auch nach Monaten mit diesem Mundstück und den Gegenproben mit dem alten bestätigt sich – die Differenz ist vernachlässigbar. Auch bestätigt hat sich, dass ein 7S mit nominell 16 mm zu groß ist. Der erste Griff war also ein glücklicher!

Der TrumpetScout hat fürs Erste den inneramerikanischen Wechsel vollzogen.

Klangliche Unterschiede zwischen Bach 10-1/2S und Warburton 7ESV/8

Die Kessel sind vergleichbar, die Durchmesser auch, die Bohrung ist nicht nur ähnlich, sondern exakt gleich. Dennoch wirkt das Bach im Klang in manchen Bereichen voller, ist aber nicht feststellbar ermüdender. Ob das an der Backbore liegt? Oder an der zusätzlichen Masse? Letztere gibt ganz sicher einen Kick beim Forte und in der Höhe, unterbindet aber auch gewisse Frequenzen. Der TrumpetScout findet, dass das Bach auch und gerade in der tiefen Lage einen kräftigeren Sound liefert, nachoben hin heller als das Warburton wird, dessen Stärke wiederum die Mittellage mit ganz eigenen Klangfarben ist. Welches von beiden nun deshalb vielseitiger ist, bleibt Geschmacksache. Der TrumpetScout man könnte mit dem Arbeitsgerät aus Elkhart eher auch beruhigt langen Gigs entgegensehen, selbst wenn diese nichts in der extrem hohen Lage abfordern. Dennoch ist der Ton zuweilen hell und scharf – fürs Blending in der Regelspielsituation damit nicht optimal.

Probleme mit der Intonation gab es beim Bach-Mundstück in Verbindung mit der langjährigen TrumpetScout-Stammtrompete, was auch im Video zu hören ist. Zuletzt kam aber die Olds Ambassador oft zum Zug, zu deren Aufbau das „Einsteckteil“ hervorragend passt. Hier gibt es (leider) immer wieder individuelle Abstimmungsschwierigkeiten.

Bach will mit den Commercial-Modellen all den Trompetern ein Alternativ-Equipment bieten, die auf die ordinären Bach-Mundstücke schwören, aber damit gelegentlich an ihre Grenzen kommen. Für sie soll ein Griff zum „flacheren Eisen“ mit einem Modell aus der Familie quasi so leicht wie möglich gestaltet sein. Der TrumpetScout glaubt nicht, dass ein Transfer ohne Weiteres gelingt, wenn man die Randkontur ändert. Jene ist das Merkmal, das man zuerst wahrnimmt. Das aus und in der Not adoptierte 10-1/2S ist gefühlt nicht so viel anders als das 7ESV (was den Switch für den TrumpeScout natürlich leicht gestaltete). Es könnten demnach Bach-Bläser also auch leicht zu z.B. Warburton greifen, wenn die Unterschiede zwischen Commercial– und Normal-Serie kaum vorhanden wären. Nichtsdestotrotz funktioniert das S-Mundstück hervorragend (zur Beschreibung des MV fehlen Testeindrücke), nicht nur mit Bach-Trompeten! Hinzu kommt der akzeptable Preis: Mit circa 85 Euro liegt man deutlich unter dem vieler Konkurrenten.

On fire – die Verpackung ist nicht zu undramatisch für ein Lead-Mundstück…