Grundlegendes über die Trompete – mit Eric Miyashiro

Mehr als vier Jahre nach dem Interview mit Eric Miyashiro traf der TrumpetScout die Trompetenlegende zum ersten Mal persönlich. Trotzdem steht in diesem Artikel nicht die Person im Vordergrund, sondern Miyashiros Erkenntnisse über den Umgang mit dem, wie er selbst sagt, „very unforgiving instrument“ Trompete.

Wenn Eric Miyashiro in der Stadt ist, geht man als Trompeter hin, und als TrumpetScout sowieso. Leichte Zweifel bezüglich der Ergiebigkeit eines Vortrags des US-Japaners waren im Vorfeld dennoch vorhanden. Denn gar nicht selten wissen die Oberkönner kaum, was sie richtig machen. Und wenn sie es doch wissen, können sie dieses Wissen oft nicht gewinnbringend weitergeben. Dann verkommt der Besuch bei einem Workshop zum reinen Sightseeing oder Selfie-Sammeln. Ja, Eric Miyashiro ist ein Oberkönner. Aber er kann auch erklären.

Die Trompete ist keine Geige…

Miyashiro zum Einspielen

Fürs Einspielen reserviert Miyashiro sehr wenig Zeit. Ein paar Töne mit „Hoo“ [hu] anhauchen, darauf folgen welche mit „Poo“ [pu] und dann ist sofort das Musikmachen dran: Entweder den Soundcheck oder die Probe fürs Aufwärmen im laufenden Betrieb nutzen oder aber sich selbst etwas ausdenken, was alle Bereiche des Trompetenspiels streift. D.h. Zungenstoß in all seinen Varianten, Bindungen, lange Töne mit Fokus auf den Klang sowie natürlich das tiefe und auch das hohe Register. „Create something“, meint der mittlerweile 56-Jährige, und macht das dann auch gleich vor.

…dennoch gibt es Analogien: Der schnelle Bogenstrich ist die große Luftmenge, die zu mehr Lautstärke führt. Für die Tonhöhe ist das aber uninteressant.

Buzzen oder Spielen auf dem Mundstück? Fehlanzeige. Denn das entspricht nicht dem, was wir nachher auf der Trompete machen. Lip Buzzing sei eine ganz eigene Disziplin und auch das Töne erzeugen auf dem Mundstück ist nicht dasselbe wie auf Mundstück in Verbindung mit Trompete. Das kann jeder nachvollziehen, der im tiefen und mittleren Register während des Blasens einfach das Mundstück aus der Trompete zieht. Nur noch heiße Luft ist dann zu vernehmen. „Warum dann üben?“ Miyashiro sieht derlei Übungen nicht einmal als sinnvolle flankierende Maßnahme.

Miyashiro über das Mysterium Luft

Wer kennt nicht die ganzen Ratschläge aus diversen Foren, Videos und von sogenannten Spezialisten, die allesamt immer „more air“, also mehr Luft fordern? „Alles Humbug“, meint auch Miyashiro und bläst somit ins gleiche Horn wie alle Jünger der Shew-Schule, so auch Roger Ingram oder Bryan Davis. Vor allem in der Höhe sei das Streben nach mehr Druck besonders kontraproduktiv. „Be careful with the use of air!“ Denn wenn es nach oben geht, brauche man naturgemäß weniger Luft. Das merkt man als Trompeter sofort , indem man z.B. ein kleines G im Fortissimo spielt und dann ein C3. Beim tiefen Ton geht einem buchstäblich nach kurzer Zeit die Luft aus. Der hohe hingegen lässt sich viel länger halten.

Der Taschentuchtest: Nur tiefere Töne lassen den Streifen vor dem Mundrohr tanzen – hohe nicht.

Miyashiro macht den Unterschied in der Luftmenge anders deutlich, und zwar mit einem Papierstreifen. Den lässt er müde vor dem Mundrohr hängen, nachdem er den Stimmzug gezogen hat. Spielt er jetzt einen tiefen Ton, dann streckt sich das Blättchen im Luftstrom. Spiel er aber einen hohen Ton, tut sich zumindest visuell nichts mehr. Quod erat demonstrandum. Viel Luft wird oben nicht benötigt. Ohne Not den Kompressor geben – davon kann der TrumpetScout ein Lied singen -, das bringt nicht nur nichts, es schadet sogar.

Atmen: Wedge-Breath und der höhere Füllgrad

Das Thema Atmung ist zu komplex, um es in ein paar Zeilen zu komprimieren. Zumindest punktuell soll Miyashiros Ansatz dennoch hier geschildert werden:

  1. Beim Ausatmen muss das Zwerchfell dichtmachen. Dadurch hat die von ihm praktizierte Wedge-Atmung ihren Namen: Man blockiert über einen visualierten ‚Keil‘ den Weg für die gespeicherte Luft nach unten, damit der Überdruck (der durch das Körpergewicht entsteht), nur nach oben ausweichen kann.
  2. Vor einer kurzen Pianostelle macht es keinen Sinn, sich bis in den letzten Winkel mit Luft zu füllen.
  3. Braucht man aber die Extrapower, sollte man sich bis oben hin vollmachen.
Die volle Dröhnung Luft – dem Hatha-Yoga entlehnt.

Widerstand und Reflektion – ein und dasselbe?

Auf einem Flügelhorn ist es schwerer in der Höhe zu blasen als auf der Piccolotrompete. Das sieht Miyashiro so wie die allermeisten Trompeter. Aber woran liegt das? Der TrumpetScout schob das immer auf den geringeren Widerstand bei Mundstück und Instrument (beim Flügelhorn) und dem höheren Widerstand bei der kleinen Trompete. Genauso wie beim Spielen mit Dämpfer: Mit einem Übe- oder engen sonstigen Dämpfer kann man höher spielen, auch wenn das Mundstück ein tieferes sein sollte, als wenn die Trompete ungestopft ist. Der Widerstand bzw. der Gegendruck ist dann doch spürbar größer. Miyashiro kennt das Phänomen genauso, erklärt es aber nicht mit dem tatsächlichen Gegendruck, sondern mit Reflektionen des Schalls. Die sind bei einer Trompete mit Stopfen natürlich stärker als wenn man in einen Park oder aufs Meer hinausspielt. Die Schallwellen kommen im Reflektionsfall also zurück und überschneiden sich mit den ausgehenden. Und das befördert das Spiel. Klingt irgendwie unglaublich oder gar esoterisch?

Der TrumpetScout kennt das Phänomen aus der Praxis sehr gut. Warm-up in einem halligen Raum – die Ansprache in der Höhe ist super. Dann das Konzert in einem toten Saal mit einem Vorhang irgendwo hinter den Leuten – du bläst dich kaputt. Sogar die Profis, die im Probierzimmer des Yamaha Ateliers neue Instrumente testen, sehen sich diesem Umstand ausgeliefert. Plötzlich machen die Schallreflektoren aus Plexiglas, die man allerorten bei der Brass Section sieht, Sinn. Hier geht es also nicht nur um die Vermeidung von Direktschall und besseres Monitoring – es geht um leichteres Spiel.

Miyashiros Mindset

Natürlich kann Eric Miyashro auch zum Thema Einstellung und in der Folge zum sichtbaren Verhalten eines Trompeters einiges erzählen. So z.B., dass zu wenig Gefühl vom Publikum nicht honoriert wird. Buddy Rich forderte einst von seinem jungen Lead-Trompeter mit japanisch-stoischem Gemüt, nach hohen Tönen doch ein bisschen mehr Show zu liefern. Also quasi sich die Trompete vom Mund zu reißen. Schließlich müsse man seine Anstrengung auch sehen können!

Zu weniger Emotion rief dagegen Maynard Ferguson auf (der sich übrigens ganz fantastisch und theatralisch die Trompete von den Lippen schlenzen konnte!) – wenn es um das Verhalten nach einer versemmelten Stelle geht. Keinen Ärger zeigen, nicht wie so viele von uns die Trompete zwanghaft auf Fehler untersuchen oder womöglich noch sichtbar fluchen. Besser: Smile, when your lip is aching! Die Leute nehmen Fehler dann weniger wahr (und als zahlender Gast will man schon zwei Mal nicht auf diese hingewiesen werden) und einen selbst beruhigt es.

Eric Miyashiro übt ständig – und doch nicht mehr

Braucht Miyashiro nach so vielen Jahrzehnten eigentlich noch viel Training? Ja und nein. Zwar benötige er mit fortschreitendem Alter doch mehr Regeneration und Feinjustierung als mit 20, doch isoliertes Üben gebe es beim in Japan lebenden Studio- und Solotrompeter nicht. Er nutze Gigs und Proben zum persönlichen Training und probiere dabei einfach neue Dinge aus, wie z.B. einen anderen Zungenstoß. „Practice under pressure“ nennt er das und schlägt somit die Zeitfliege als auch die Nervenfliege mit einer Klappe. Hat er heute freie Tage ohne Aufnahme, Konzert oder Probe, dann bleibe die Trompete absolut unberührt.

Als Eric Miyashiros Strahl beim Workshop ins Publikum gerichtet wurde, ging so mancher dort in Deckung.

Der Samurai und seine Schwerter

Nach seinen Trompeten über die Jahrzehnte gefragt, antwortet Miyashiro, dass er stets ein Faible für leichte Eisen gehabt habe. Und dass er ein wahnsinniger Equipment-Tüftler gewesen sei. Wie zutreffend das Wort ‚wahnsinnig‘ ist, illustriert eine kleine Anekdote aus den unendlichen Tiefen seines Trompeterlebens: Als er vor dem letzten Umzug sein altes Haus geräumt habe, kam er im ganzen Gebäude auf unglaubliche 450 Mundstücke! Heute weiß er: „Changing the trumpet is like changing the microphone.“ Viel ändert sich also nicht.

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Das Angenehme an Miyashiros Vortrag war, dass hier ein ruhiger Typ ohne missionarischen Eifer und die Arroganz eines Wissenden dozierte. Das Bereichernde waren für den TrumpetScout neue Erkenntnisse – und so etwas wie der OKAY-Stempel unter viele eigene Ideen zum richtigen Trompetenspiel und smarten Üben.

Zum Schluss gab’s vom Meister dann noch eine wichtige Botschaft, die viele von uns neben den ganzen Gedanken an Technik und dem Wunsch nach theoretisch korrekter Ausführung allzu gerne vergessen. Mit der sanften Stimme eines japanischen Weisen, wie man ihn aus Filmen kennt, und einem Lächeln, das man erst ein wenig suchen muss, sagt er: „Please have fun!“