Um keine andere Trompete wurde in jüngerer Vergangenheit solch ein Wirbel gemacht wie um die 6335RC von Yamaha. Im Doppeltest muss sich die sogenannte „Commercial“ messen mit Ihrer Markenschwester der gleichen Preisklasse: der neuesten Version der 8310Z. Stimmt der TrumpetScout mit ein in den allgemeinen Jubelchor?
Es mag wie eine dramatische Überspitzung anmuten, wenn man den Vergleich zwischen der YTR-6335RC und der YTR-8310Z überschreiben würde mit „Eddie Veit gegen Bobby Shew„. Gute Gründe dafür gäbe es aber allemal.
Schließlich ist die YTR-6335RC eine Herzensangelegenheit des deutschen Blech-Masterminds mit Dienstort Rellingen bei Hamburg. Seine Vision: eine Trompete für alle Genres und Einsatzzwecke zu bauen, mit der man zudem leicht und ausdauernd spielen kann. Ende 2018 startete die Vervielfältigung des deutschen Prototypen in Japan.
Die „Shew“ hingegen wurde bereits Ende der 80er Jahre nach den Wünschen des Trompetenweisen aus Albuquerque konzipiert und ging 1991 als YTR-6310Z in Serie. 2004 erblickte dann die weiterentwickelte 8310Z das Licht der Trompetenwelt und nun, 2019, deren Evolutionsstufe. Streng genommen müsste sie also 8310Z 02 heißen. Als drittes Shew-Horn wurde sie allerdings mit 03 etikettiert. Auch Shews Idee ist eine der Universalität: Lead- und Jazz-Solospiel sollten auf ein und demselben Instrument möglich sein. Der Einsatz in der Klassik oder traditionellen Blasmusik war also kein Klangkriterium.
Trotz der plakativen Überschrift: Der Yamaha-Artist und der Yamaha-Entwickler sind natürlich keine Kontrahenten. Ihre Konzepte unterscheiden sich dennoch stark voneinander. Und auf diese Unterschiede soll dieser Artikel eingehen.
M vs. ML, ultraleicht gegen mittelschwer
Die Bobby Shew-Modelle waren von Anbeginn an Trompeten mit Medium-Bohrung – und somit Angehörige einer aussterbenden Art: Ventilstöcke mit 11,3 mm Rohrinnendurchmesser sind eine Seltenheit und heute fast ausschließlich bei den Ahnen der Z von Schilke anzutreffen. Kleiner geht es bei modernen Trompeten nicht mehr und so könnte man angesichts des aktuellen Spektrums gut und gerne von einer ‚Small Bore‘ sprechen. Die RC (die Buchstabenergänzung steht übrigens für ‚reversed [leadpipe]‘ und ‚commercial‘) hingegen setzt auf das Allerweltsmaß von 11,65 mm. Regelmäßige TrumpetScout-Leser wissen allerdings, dass diesen Zahlen alleine nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden darf.
Wer sich darüber hinaus die Maschine genauer anschaut, erkennt weitere Differenzen. So sind die Führungen bei RC aus Kunststoff und bei der Bobby Shew aus Messing. Unterschiedlich sind auch die Ventilknöpfe und oberen Ventildeckel. Die Shew-Trompete der dritten Generation erinnert hier optisch an eine Bach Stradivarius. Bei der jüngsten Generation setzt Yamaha beim Material (auch bei den unteren Deckeln) ausschließlich auf schwingungsfreudigeres Messing. Gespart wurde Gewicht bei den Stengeln zwischen Drücker und Ventilkolben.
Mehr Effekt dürfte allerdings die Zweiteiligkeit der neuen Z-Büchsen haben, wenngleich beide Teile aus Messing gefertigt sind. Bei Bachs 190er-Reihe hat diese Veränderung viel Positives bewirkt. Warum nicht auch bei der Yamaha?
Wer genau hinschaut, erkennt auch, dass die Stützen innerhalb des Ventilstocks bei der neuen 8310Z filigraner sind als bei der 6335RC. Im Vergleich mit der Vorgängerin hat man hier abgespeckt.
Das führt unter anderem in Summe zu einem der gravierenden Unterschiede zwischen den beiden hier getesteten Trompeten, nämlich dem beim Gesamtgewicht: Die RC ist mit 1.049 Gramm in der unteren Mittelklasse anzusiedeln, die Shew hingegen mit 962 Gramm unstrittig ein Superfliegengewicht. Da ein Zusammenhang zwischen Gewicht und Ansprache tendenziell stets gegeben ist, bringt sich die Z bei diesem satten Unterschied auf der Waage theoretisch in eine günstigere Startposition im Rennen um den Sieg in der Response-Wertung.
Ungleiche Glocken – und weitere Unterschiede zwischen 6335RC und 8310Z
Hinzu kommt, dass die 6335RC eine Stütze im Stimmzug hat (die Z traditionell nicht!) und über einen engeren Becher in die Welt hinausschmettert, der aus dickerem Material gemacht zu sein scheint.
Selbst mit bloßem Auge ist das geringere Trichtermaß bei der RC (123 mm gegenüber 127 mm bei der Z) deutlich zu erkennen, vom Farbunterschied ganz zu schweigen: Bei der Shew schwingt Gelb-, bei der Commercial Goldmessing. Auch wenn bei der Testtrompete eine Naht von außen nicht zu erkennen war, so ist der Becher der 6335RC doch aus zwei Teilen gefertigt, wogegen jener der 8310Z aus einem Stück gemacht wird.
Traditionell ist der Becherrand bei der Z sehr flach (der sogenannte ‚French Bead‘ bezeichnet einen halbrunden Draht, um den das Trichterende gestülpt wird), der bei der RC hingegen ist er stärker.
Vom Ende zum Anfang: Die Mundstückaufnahme der YTR-6335RC ähnelt der der YTR-3335, wenngleich diese im Fall der Commercial etwas an Gewicht zulegte. Der Receiver des Shew-Modells sieht zumindest so aus wie der bei vielen Profimodellen von Yamaha.
Die Mundrohr weisen bei beiden Trompeten einen Rotstich auf. Demnach wurde also hier Goldmessing benutzt. Bei der Form der Leadpipe spricht Yamaha bei der RC vom Typ Y01. Was das bedeutet bzw. ob dieser Typ auch in anderen Modellen zum Einsatz kommt, ist jedoch unklar.
Der Wrap der Bobby Shew 3rd Gen. scheint um einen knappen Millimeter enger (5,3 cm gegenüber 5,4 cm) zu sein als bei der RC, ist jedoch noch immer deutlich weiter als bei den ursprünglich ideengebenden Schilke-Trompeten.
Das Kriterium schlechthin: die Ansprache
Im Vorstellunsgvideo der YTR-6335RC erklärt Entwickler Eddie Veit seinen Ansatz und sein Hauptziel für dieses Trompetenmodell. Die Leichtigkeit des Spielens und eine direkte Ansprache standen im Fokus. Spielt die RC hier wirklich in einer eigenen Liga? Für den TrumpetScout ist das, ganz ohne Umschweife, nicht der Fall. Nun muss man fairerweise sagen, dass vor den Testtagen mit den Yamahas eine extrem offene und leichtgängige Flip Oakes Celebration über Wochen das tagtägliche Horn war – mit XL-Bohrung, leichtem und sehr weitem Becher. Danach fühlt sich alles andere zugeschnürt an.
Dennoch: Im direkten Vergleich mit der neuen Shew hat die Commercial in puncto Ansprache das Nachsehen. Sie reagiert schneller. Auch wenn Yamaha auf den optimierten Anschluss des Schallstückes an die Maschine verweist („Gap bei der Maschinen/Schallstückverbindung“) – der wohl etwas stärkere und engere Becher sowie das insgesamt um 9% höhere Gewicht dürften sich schlicht nicht negieren lassen. Trotz engerer Bohrung spricht die Z nicht nur direkter an, sondern bläst sich auch offener. In dieser Kategorie liegt die Shew also vorn.
The Sound – Was bedeutet eigentlich ‚commercial‘?
Um dem Anspruch gerecht zu werden, für alle musikalischen Anforderungen zwischen Orchestergraben, Bierzelt und Latin-Bühne gewappnet zu sein, muss eine Trompete (und natürlich auch der Spieler…) im übertragenen Sinne mehrere Gesichter haben. Sie muss dunkel und hell klingen, flirren und auch solide strahlen können, Kern haben, aber, wenn nötig, auch luftig sein. Tobias Mair, der für Yamaha den Entwicklungsprozess der 6335RC als Tester begleitete, erhebt genau diesen Anspruch, da er bei seinen Engagements ein sehr breites Spektrum abzudecken hat. Laut Interview wird die Commercial diesem gerecht: „Ob Oberkrainer, Big Band oder symphonisch – es macht jeden Tag Spaß, auf diesem Instrument zu spielen.“
Der TrumpetScout würde jedoch nicht von einer besonderer Wandelbarkeit sprechen, sondern eher von einem guten Kompromiss. Im Vergleich mit der 8310Z ist die RC eine deutliche Spur dunkler, aber ist deshalb weder eine reinrassige Orchestertrompete noch ein finster-samtiges Horn für sphärischen Jazz. Form des Bechers und wohl auch das Material ergeben ein nach vorne gerichtetes ‚Abstrahlbild‘ und einen klareren, zentrierteren Ton als bei der Shew. Das macht sich vor allem in der oberen Lage stark bemerkbar. Hinter der Trompete wirkt das vielleicht anders, da die Z viel Feedback gibt. Vorne klingt sie heller, aber auch etwas dünner. Ob die 8310Z damit nicht eigentlich passender wäre für den Begriff ‚commercial‘, unter dem in den USA eigentlich fast alles subsummiert wird, was weder zur Klassik noch zum traditionellen Combo-Jazz noch zur Brass-Musik gehört? Wahrscheinlich.
Bei der europäischen, wenn nicht gar deutschen 6335RC ist mit Kommerz aber eben auch etwas anderes gemeint. Märsche, Polkas, Walzer – die gesamte traditionelle Blasmusik des Kontinents macht einen Großteil der Live-Unterhaltungsmusik in Deutschland, Österreich, der Schweiz und vielen Ländern Osteuropas aus. Da darf und muss eine Trompete etwas mehr Mitten und Solidität haben. Hier trifft die Commercial mit ihrem rötlichen Blech sicher ins Schwarze. Sie klingt kerniger, voller, reifer. Es ist einfach mehr da. Nicht nur unter dem Aspekt der Allround-Eignung würde der TrumpetScout der Veit-Trompete in der Klangwertung den Punkt geben. Zwischenstand also: 1:1.
Effizienz: Gibt es die Marathon-Trompete?
Tobias Mair spricht von der 6335RC als einem „Geschenk für die Ausdauer“. Und es war auch eine der Intentionen von Eddie Veit, eine Trompete zu konstruieren, die den Spieler entlastet und auf der auch Amateure sehr lange Gigs besser durchstehen.
Ein Schlüssel für Ausdauer ist für den TrumpetScout ein hoher Widerstand, den man als Spieler für sich nutzbar macht. Andy Haderer, der augenblicklich auf der Commercial spielt, ist der beste Beleg dafür. Der Meister der Effizienz präferiert eher enge Trompeten und kann aus deren Spieleigenschaften wie wohl kaum ein Zweiter Profit schlagen.
Auch wenn Yamaha selbst die Offenheit der 6335RC proklamiert, so ist es gerade ihr hoher Widerstand, der sie zu einem Marathon-Instrument designiert. Dem TrumpetScout blieb zu wenig (Umstellungs-)Zeit, um dies in der Praxis zu verifizieren. Sicher ist, dass dem Spieler nicht einfach so mehr Zeit im grünen Bereich geschenkt wird – dazu muss die Spielweise passen. Dann aber dürfte sich die Trompete revanchieren!
Bei der etwas größer wirkenden 8310Z dürften die Dinge aber nicht großartig anders liegen. Auch sie bietet ausreichend Widerstand, wenngleich der vielleicht sogar etwas gefälliger implementiert ist. Das Konzept Large-Stimmzug, M-Bohrung und danach wieder ein großer, leichter Becher gefiel dem TrumpetScout, zumindest auf Anhieb, besser. Ein Gleichstand in dieser Kategorie ist aber mehr als legitim.
6335RC oder 8310Z: Welche würde der TrumpetScout wählen?
Genau diese Frage wurde dem TrumpetScout von einigen Lesern gestellt. Um nicht um den heißen Brei herumzureden: Ausgehend vom Spielgefühl wäre es die 8310Z. Sie kostet um die 2.100 Euro und damit rund 300 Euro mehr als die 6335RC, was sie aber nicht in eine andere Preisliga verschiebt. Klanglich wäre aber die Commercial die erste Wahl, vor allem wenn das Motto lautet „Eine für alles“. Die Intonation ist bei beiden Instrumenten Yamaha-typisch ohne Tadel und taugt daher nicht als distinktive Kategorie.
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Damit steht am Ende wieder ein Gleichstand. Um dennoch eine echte Entscheidungshilfe zu geben: Wer Trompeten mit hohem bzw. höherem Widerstand noch nie mochte, wird mit beiden Modellen keine Freude haben. Wer damit umgehen kann bzw. wegen eines offenen oder großen Mundstücks sogar eine engere Trompete sucht, der sollte sich mit diesen Trompeten näher beschäftigen.
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What are they offering?,“A fair amount of resistance!“
Your new girl friend?,“Das hängt von deinem Blow ab!“
Preis?,2.000 Euro. Für die Commercial etwas weniger. Für die Shew etwas mehr.
Dauerbeziehung?,“Gute Frage! Man muss harmonieren!“
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An dieser Stelle auch wichtig: Vielen Dank an Musik Danner in Linz für die Bereitstellung der Instrumente.