What is what der Trompete: Tonerzeugung dank Bernoulli-Effekt

 Am Anfang war der Ton. So könnte man eine Trompetenbibel beginnen. Die gibt es aber nicht, und außerdem müsste es richtig heißen: Am Anfang war die Luft. Denn bei der Trompete wie auch bei allen anderen Blechblasinstrumenten schwingen die Lippen mithilfe bewegter Luft. Aber wie ganz genau, das wird hier erklärt.

Das Besondere an Instrumenten wie Trompete, Tenorhorn, Tuba etc. ist: Genau wie beim Singen ist der Körper selbst das eigentliche Instrument. Und auch wenn die Lippen unseres Mundes exponierter sind als die Stimmlippen (oder auch: Stimmbänder), also prinzipiell besser überprüfbar, so geht die Tonerzeugung doch im Verborgenen vonstatten, schließlich verdeckt ein Mundstück stets die Sicht. Gerade weil diese Vorgänge non-visuell sind, ist es sehr wichtig, eine Vorstellung von ihnen zu haben – und zwar eine, die den Fakten entspricht.

Stimmbänder und Lippen funktionieren nicht nur gleich, sondern teilen sich auch die Charakteristik, dass man bei ihnen bei ihrer Arbeit nicht ohne weiteres zusehen kann.

Und damit sind wir direkt am wunden Punkt: Im Artikel zum Thema Funktion und Wirkung des Mundstücks hat der TrumpetScout u.a. auch erläutert, wie diese Tonerzeugung vonstatten geht: Im Mundraum wird ein gewisser Druck aufgebaut, der irgendwann zu hoch wird und die Lippen zur Entlastung aufdrückt bis der Druck ein gewisses Niveau unterschreitet und sich dann die Lippen wieder schließen. Das alles rasend schnell im Wechsel, hunderte bis tausende Male in der Sekunde. Problem dabei: Leider war das nicht richtig. Zumindest nicht so ganz.

Der Bernoulli-Effekt

In Wahrheit sind die Lippen zunächst nämlich nicht geschlossen, wenn man entspannt durch sie ins Instrument bläst – und das heißt ohne Ton. Es baut sich also kein Druck auf, der geschlossene, gewissermaßen abdichtende Lippen gewaltsam aufdrücken muss. Vielmehr hängen die Lippen im Luftstrom wie Fähnchen im schwächsten Wind (siehe Abbildung unten links). Schwingungen entstehen keine. Egal ob im Mundstück oder ohne Rand bzw. beschränkende Ansatzmaske. Offen ist gewissermaßen die Null-Position.

Erhöht sich nun die Geschwindigkeit der zwischen den Lippen vorbeiströmenden Luft, ist ein Phänomen zu beobachten, dass unsere Erwartung vollkommen widerspricht: Die Lippen schließen sich (siehe Abbilung unten rechts). Und genau das ist der Bernoulli-Effekt.

Der Bernoulli-Effekt dargestellt mithilfe zweier Papierfähnchen in der Draufsicht, zwischen denen hindurchgeblasen wird. Durch den Luftstrom bewegen sie sich aufeinander zu. Dasselbe passiert auch bei den Lippen.

Was? Die Lippen schließen sich, obwohl ich sie gewissermaßen aufblase? Exakt! Das ist zunächst schwer zu glauben und auch zu verstehen. Man spricht deshalb auch vom hydrodynamischen Paradoxon. Gleicht man diese Information aber mit dem ab, was man z.B. über die Wirkweise von Spoilern bei Fahrzeugen, von Tragflächen bei Flugzeugen und Booten oder von Segelflächen bei eben windgetriebenen Schiffen weiß, wird die Sache doch nachvollziehbarer: Dort wo Wind oder Wasser (allgemein: Gas oder Flüssigkeit) schneller vorbeigleiten, entsteht ein Unterdruck. Das drückt den Sportwagen auf den Boden, hebt das Flugzeug an oder zieht das Segelboot in eine Richtung. Genauso ist es auch bei den Lippen: Ab einer gewissen Geschwindigkeit zieht es sie zueinander hin. Für die Tonerzeugung heißt das: Am Anfang steht niemals verschlossene (wie bei den sogenannten Verschluss- oder Plosivlauten), sondern immer leicht geöffnete Lippen.

Unterdruck an der Engstelle: Kann das sein?

Auch wenn es bei Auto, Flugzeug & Co. klar ist, bleibt ein Rest Zweifel: Wenn es die Fähnchen wie auch die Lippen zusammenzieht, muss ja dort, wo sie sich fast berühren der geringste Druck herrschen. Widerspricht dass nicht jeder Vorstellung von einer Düse? Beim TrumpetScout die letzte Skepsis ausgemerzt hat ein Versuch, den man zuhause gut nachmachen kann: Dazu drückt man einen Tischtennisball mit dem Finger zunächst auf den Kessel und bläst dann konstant – entgegen der normalen Richtung – in den Stengel. Den Finger kann man dann wegnehmen – der Ball bleibt kleben (auch wenn er eventuell rotiert). D.h., die Luft presst sich zwar rund um den Rand am Ball vorbei, ist dabei aber so schnell, dass ein Unterdruck entsteht. Der Ball wird angesogen. Und zwar so gut, dass man auch nach unten pusten kann ohne den Ball zu verlieren.

Ein Unterdruck macht noch keinen Ton

Wenn sich die Lippen berühren und so verweilen würden, dann wäre in der Tat ‚Schicht im Schacht‘. Luft könnte nicht mehr fließen. Und hier darf die alte Erklärung tatsächlich noch einmal zum Zuge kommen. Machen die Lippen dicht, wird der Fluss unterbrochen und der Druck steigt wieder an. Dann lassen die Lippen voneinander ab, die Luft kann wieder fließen und das Spiel beginnt von vorn. Dieser schnelle Wechsel von Unter- und Normaldruck und somit zwischen Öffnen und Schließen erzeugt dann einen Ton mit exakt der Frequenz, wie es zu Verschlüssen in einer Sekunde kommt. In diesem Video mit zwei Blechplatten entsteht zwar kein Ton, jedoch ist deutlich ein Flattern zu sehen und ein Rattern zu hören:

Ganz ohne Hilfsmittel kann man sich den Bernoulli-Effekt gut beim entspannten Free Buzzing deutlich machen. Jeder kann auf diese Weise die Lippen ausschütteln. Reduziert man dann aber die Luftgeschwindigkeit, stoppt das Flattern irgendwann abrupt. Gibt man wieder ‚Gas‘, kehrt es genauso plötzlich wieder zurück. Und mit Mundstück ist es dasselbe. Eigentlich ohne Wissen über die Tonerzeugung bei der Trompete und den verwandten Kesselinstrumenten kann man als Anfänger einfach Luft durchs Instrument pusten. Verkrampft man nicht durch die falsche Vorstellung einer vermeintlich notwendigen Muskelkontraktion (die leider oft auch schon von Lehrern insinuiert wird!), entsteht ab einer gewissen Fließgeschwindigkeit automatisch ein Ton.

Veränderung der Tonhöhe

Will man nun ohne Ventile einen Ton mit anderer Höhe erzeugen, muss natürlich die Frequenz der Verschlüsse geändert werden. Dies wiederum erreicht man durch die Änderung der Fließgeschwindigkeit. Je schneller die Luft fließt, umso schneller wechseln sich Verschluss und Öffnung ab und umso höher wird der Ton. Sinkt die Geschwindigkeit der Luft, sinkt auch die Frequenz. Klingt leicht. Aber wie erhöht man die Geschwindigkeit? In dem das Druckgefälle zwischen Mundraum und Lippenöffnung größer wird. Und das wiederum erreicht man als Spieler, indem man das Volumen des Mundraumes verkleinert: Die Zunge wandert nach oben und engt den ‚Luftraum‘ über sich ein.

Der Einfluss des Mundstücks

Nachdem nun die Prinzipien der Tonerzeugung erläutert wurden, soll im letzten Teil noch auf das Werkzeug außerhalb des eigenen Körpers eingegangen werden, das den Spieler bei der Tonerzeugung maßgeblich unterstützt: das Mundstück.

Zur Verdeutlichung eine Grafik aus dem ersten Artikel zu diesem Thema, die jedoch leicht modifiziert wurde:

Geringeres Kesselvolumen bedeutet mehr Gegendruck. Der begünstigt die hohe Schließfrequenz der Lippen.

Ist der Kessel tendenziell tief, so ist der Druck vor den Lippen eher gering. Ist der Kessel tendenziell flach, so herrscht ein höherer Druck in diesem Bereich. Ein höherer Druck begünstigt das Schließen der Lippen, gerade im hohen Frequenzbereich mit mehr als tausend Verschlüssen pro Sekunde. Vereinfacht: Mit einem flacheren Kessel geht es einfacher in der Höhe als mit einer tiefen Schüssel.

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Diese Modell muss nun um eine Komponente erweitert werden, denn ebenfalls wichtig ist die Bohrung oder auch Seele genannt. Das ist die engste Stelle des Mundstücks. Ein kleines Loch begünstigt eine hohe Luftgeschwindigkeit, und das wiederum (siehe Ausführungen oben) führt zu höheren Schließfrequenzen. Also: Kleinere Bohrung leichtere Höhe. Das sieht man ganz deutlich an gängigen Piccolo-Mundstücken.

Die engste Stelle des Mundstück, auch Seele genannt, hat großen Einfluss auf die Höhentauglichkeit.

Natürlich bedeutet kleiner deshalb nicht grundsätzlich besser. Beim Spielen in der tiefen und auch in der Normallage verkehrt sich der Bonus des flachen Kessels und der engen Bohrung zu einem Malus. Ansprache, Ton und Volumen leiden dann gerne, weil das niederfrequente Schwingen erschwert wird.

Ein besonderer Dank gilt Tobias Füller, Dozent für Trompete an der Musikhochschule Lübeck.