Angespielt: Schilke S32 – die Mitte der Mitte?

Im persönlichen Schilke S-Portfolio des TrumpetScout fehlte sie bislang: die S32. Nun kam sie unverhofft ins Testlabor und zugleich zum Bühneneinsatz. Was dieses Trompetenmodell ausmacht und wie es sich spielt – dazu alles in diesem Artikel.

Die erste Begegnung mit einer Schilke S bot keinen Grund zur Verzückung. Der Testbericht zur S42L erzählt ausführlich von dieser – nennen wir es so – Verfehlung von Spieler und Instrument. Dann folgte bald darauf ein kurzer Zusammenstoß mit einer S22 (Large Bore) in einer Probe, der sehr positiv in Erinnerung blieb. Jahre darauf folgte das ausführlichere Anspielen einer S42 (Medium Bore), auf der z.B. High-Note-Spezialist Roger Ingram seine berühmtesten Aufnahmen bewältigte, und artete beinahe in einer Plünderung des Ersparten aus, so leicht spielte sich das Horn durch alle Lagen. Und nun endlich die Mitte des S-Spektrums: die Schilke S32 – eben mit ML-Bohrung.

Eine kleine Geschichte zur Schilke S-Reihe

Die B- bzw. die X-Serie (man spricht auf der Webseite auch nur von „Custom Series“) von Schilke steht seit jeher für die leichtesten Instrumente im Portfolio des Herstellers. Auch absolut gesehen handelt es sich durch die Bank um echte Fliegengewichte. Davon zeugt der Test der X3, bei der die Waage deutlich unter einem Kilo anzeigte. Nach mehr als 20 Jahren mit dem USP ‚extreme lightweight‘ – das erste Schilke-Modell, die B1, wurde 1961 eingeführt – sollte (oder musste) das Line-up erweitert werden. Anscheinend verlangten Spieler nach mehr Kern, mehr Tonzentrum. Es galt, den deutlich schwereren Bach-Trompeten die Stirn zu bieten, vor allem im Bereich der klassischen Musik. Diese Erweiterung geschah wohl auch konzeptuell nicht mehr unter der Regie des Firmengründers und eigentlich gelernten Orchestertrompeters Renold Otto Schilke, der 1982 verstarb. Ein Jahr darauf wurde die S-Serie vorgestellt (wenngleich manche Quellen auch von 1985 berichten). Auf der Webseite heißt es dazu, dass Schilkes Sohn Renold E. (wofür das E steht, war nicht herauszubekommen) ideeller Vater dieses neuen Produktes gewesen sei. Auf den neuen Seiten des Schilke Loyalist wird berichtet, dass Scott Laskey, der sich später mit seinen eigenen Mundstücken selbstständig machte, federführend bei der Entwicklung der S-Trompeten war. Dass vor allem die S22 in enger Abstimmung mit Musikern des Chicago Symphony Orchestra entstand, scheint gesichert.

Eckdaten der Schilke S32

Mehr Kern entsteht meist und wohl am einfachsten durch mehr Gewicht. Die S32, die für den Test zur Verfügung stand, brachte 1.016 Gramm auf die Waage. Das ist immer noch nicht viel. Maßgeblich dürfte das auf eine erhöhte Materialstärke beim Schallbecher zurückzuführen sein. Dessen Form (die Größe #2 rangiert zwischen dem größeren #1- und dem kleineren #3-Becher) kommt zwar auch bei andere Modellen zum Einsatz (bei B5, B6 und X6), jedoch bei der gesamten S-Serie ausschließlich in Gelbmessing und eben ein bisschen dickwandiger ausgeführt (2J).

Hinzu kommt der augenscheinlich größte Unterschied zur Custom Series, und das ist die Stütze im Stimmzug. Abgesehen davon ist auf dem ersten Ventilzug kein Daumensattel angelötet, sondern ein ganzer Ring.

Zum Beispiel am Maschinenstock ist schön zu sehen, wie sehr selbst moderne Yamaha-Trompeten noch vom Schilke-Design beeinflusst sind.

Die Bohrung ist mit 11,68 mm angegeben. Der Messschieber, der nur 20stel-Millimeter-Schritte klar anzuzeigen im Stande ist, zeigte bei der Testtrompete zwischen 11,70 und 11,75 mm an, wonach man schon beim Modell S22 angelangt wäre. Interessanterweise ist zwischen ML und L hier aber sowieso kaum ein Unterschied. Nominell sieben Hundertstel bei ansonsten gleichen Spezifikationen dürften kaum zu spüren sein. Die annähernd drei Zehntel zwischen S42 und S32 hingegen schon.

Allgemein spricht Schilke bei der S-Serie von einem „zylindrischeren Design“ – was auch immer das heißen soll. Außerdem sei ein Draht im gebördelten Becherende eingelötet, um ein „fokussierteres Spielgefühl“ zu erzeugen.

Wie alle Schilkes ist auch die S32 eng gewunden. Dieser tight wrap vermittelt immer das Gefühl, eine kleine, leichte und filigrane Trompete in Händen zu halten.

Anmerkung zur Idee der ’schweren Schilke‘, was per se ein bisschen paradox anmutet: Diese ist mittlerweile noch viel weiter gediehen. Vor einigen Jahren wurden die HD-Modelle vorgeführt. Das Kürzel steht für Heavy Design. Und mit der Soloiste Series gibt es nun sogar eine Trompete ohne reversed leadpipe. Für Hardcore-Schilke-Anhänger so etwas wie ein Sakrileg. Damit hat sich Schilke mit seinem Portfolio zumindest an einem Ende auch optisch dem Bach-Ideal angenähert. Bach hat diese Expansion mit seinen LR-Modellen (leicht und reversed) hingegen schon vor Jahrzehnten vollzogen.

So spielt sich die Schilke S32

Allgemeiner Tenor der zahlreichen Tester, die im Internet ihren Eindruck verschrifteten, ist: Der Widerstand der S32 sei im Vergleich mit einer B1 (größerer Becher, gleiche Bohrung) oder B5 (gleiche Bohrung, gleiche Becherform) etwas größer, die Ansprache nicht ganz so gut. Das mag sein und macht bei mehr Gewicht nur Sinn. Jedoch ist die Ansprache im Vergleich mit vielen anderen Trompetenmodellen noch immer sehr gut und der Widerstand auch noch eher gering. Selbst im Praxistest mit dem kleinen Bobby Shew Lead-Mundstück war kein Gefühl von Verengung oder gar Verstopfung auszumachen. Die Trompete ging einfach sehr gut los, die Artikulation war sauber und direkt.

Beeindruckende handwerkliche Arbeit, perfekte Ventile

Auch das C1, das dem TrumpetScout persönlich meist sehr große Probleme bereitet, war hier klar. In die Höhe ließ sich die Trompete auch zielsicher manövrieren. Sogar das schwierige A3 rastete vergleichsweise gut. Aus der Erfahrung mit einer Ballnacht an der ersten Trompete in einer Big Band lässt sich ableiten, dass das Horn auch bei langen Einsätzen nicht zu viel Tribut fordert.

Einziges spielerisches Manko, das auszumachen war: Das E1 war – mit 1-2 gegriffen – sehr hoch. Da fährt man mit dem dritten Ventil besser.

Klang der Schilke S32

Laut, tragend und durchsetzungsstark. Das lässt sich ohne Zweifel für die S32 attestieren. Ansonsten aber ist der Sound für den TrumpetScout etwas zu clean, zu antiseptisch. Ein Sizzle-Generator scheint nicht verbaut zu sein. Das kann eben auch mit den baulichen Maßnahmen zu tun haben: zusätzliche Stütze, dickeres Blech. Die Trompete wurde ja auch für den kammermusikalischen Einsatz konzipiert – wenngleich sie in der Folge ebenfalls viele Commercial-Musiker benutzten. Doch auch andere Schilkes hinterließen diesen Eindruck, so z.B. vor vielen Jahren eine B7.

Mittlerer Becher, reversed leadpipe

Dennoch kann man diese Trompete als echten Allrounder bewerten. Und mit der mittleren Bohrung, dem mittelgroßen Trichter und – in Anbetracht der neueren schwereren Modelle – auch mit einem mittleren Gewicht, ist die S32 einfach der Mittelpunkt, eventuell so etwas wie der Durchschnitt aller Schilke-Trompeten.

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Kaufempfehlung?

Das Horn ist toll, keine Frage, seine Verarbeitung makellos. Selbst nach rund 20 Jahren, die das Testmodell auf dem Buckel hat, funktionieren die Ventile wahrscheinlich wie am ersten Tag. Einziger Wermutstropfen: der Preis. Aktuell deutlich über 4.000 Euro. Das ist auch in Zeiten einer Inflation auf Red Bull nicht so leicht hinzunehmen. Das merkt man auch an den Gebrauchtpreisen. Oft muss man für ein Instrument in gutem Zustand 2.500 Euro oder mehr anlegen. Da erscheinen die deutlich unter 2.000 Euro für die 20-Jährige aus dem Test wirklich günstig. Also: Gebraucht und zu gutem Kurs unbedingt empfehlenswert, neu eher schwierig.